Berufsbildungsbericht: Gründe für den Fachkräftemangel

Rechnerisch wäre für jeden, der einen Ausbildungsplatz sucht, auch einer vorhanden. Doch auch 2021 blieben tausende Stellen unbesetzt und über 24.000 Bewerberinnen und Bewerber gingen leer aus. Nach den ersten Corona-Wellen wird in den Betrieben zwar wieder etwas mehr ausgebildet, aber im Kampf gegen den Fachkräftemangel ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt könnte sich nach Einschätzung der Bundesregierung zwar weiter leicht entspannen. Ein großes Problem bleibt aber, dass Unternehmen und potenzielle Azubis nur schwer zusammenfinden. Auch in diesem Ausbildungsjahr spiele die "Passungsproblematik" eine entscheidende Rolle, heißt es im aktuellen Berufsbildungsbericht, der am Mittwoch vom Bundeskabinett in Berlin verabschiedet wurde. Wirtschaft und Gewerkschaften haben unterschiedliche Vorstellungen davon, wie gegengesteuert werden müsste.

Die wesentlichen Zahlen des Berichts: Zum Stichtag 30. September 2021 wurden 473.100 neue Ausbildungsverträge geschlossen - 5.600 mehr als 2020. Im kommenden Ausbildungsjahr könnte die Zahl um weitere 20.000 steigen, wird vorsichtig prognostiziert. Damit wäre aber immer noch nicht das Vor-Corona-Niveau von 2019 erreicht. Das Angebot an Lehrstellen ist ebenfalls um 8.800 leicht auf 536.200 gestiegen und könnte den Prognosen zufolge weiter wachsen. Aber auch hier ist man noch weit vom Vor-Corona-Niveau entfernt.

Insgesamt hat sich die "Marktlage", wie es im Bericht heißt, für junge Bewerber zwar verbessert und zumindest rechnerisch wäre für jeden, der einen Ausbildungsplatz sucht, auch einer da. In der Realität sieht es aber so aus: 63.200 Ausbildungsstellen blieben 2021 unbesetzt - ein Plus von 3.200 und mehr als doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Gleichzeitig blieben 24.600 Bewerberinnen und Bewerber unversorgt.

Gewerkschaftsbund fordert bessere Berufsorientierung an Schulen

Die fehlenden Azubis heute sind die fehlenden Fachkräfte von morgen - darin sind sich Wirtschaft und Gewerkschaften einig. Wie das "Matching-" oder "Passungsproblem" angegangen werden soll, dabei gehen die Meinungen aber auseinander.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht Wirtschaft und Politik in der Pflicht: "Wer Fachkräfte haben will, der muss sie auch ausbilden", sagte die stellvertretende Vorsitzende Elke Hannack am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur und forderte eine verbesserte Berufsorientierung an Schulen und bekräftigte die DGB-Forderung nach einer Ausbildungsgarantie.

In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich die Ampel-Parteien dafür ausgesprochen. Die Gewerkschaften fordern ein solches Instrument schon lange und verweisen dabei auf Österreich, wo allen Jugendlichen, die keine Lehrstelle in einem Betrieb finden, ein außerbetrieblicher Ausbildungsplatz zugesichert wird. Finanziert werden sollte das laut DGB über einen Fonds, in den alle Unternehmen einzahlen. Betriebe die ausbilden, bekommen als Anreiz Fördergelder aus dem Topf. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte am Dienstag beim DGB-Bundeskongress gesagt, dass die Ausbildungsgarantie umgesetzt werden und dabei eine Umlage für Unternehmen eine Rolle spielen solle.

Die Wirtschaft sieht Ursache für Fachkräftemangel nicht bei Unternehmen

Die Wirtschaft lehnt das ab. Es mangele nicht an der Bereitschaft der Unternehmen auszubilden, sagte Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander am Mittwoch der dpa. "Es mangelt schlichtweg an Bewerbern. Staatliche Eingriffe wie eine Ausbildungsgarantie führen weder zu mehr Bewerbern noch zu mehr Ausbildungsplätzen." Vielmehr müsse die Ausbildungsfähigkeit sämtlicher Schulabgänger zum Ziel gemacht werden. "Dass jährlich rund 50.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen, dürfen wir nicht weiter hinnehmen."

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer erklärte, es entschieden sich immer noch nicht genügend Jugendliche für eine Berufsausbildung, obwohl das Handwerk zukunftssichere und zukunftsgestaltende Berufe biete. "Die Berufsorientierung muss dringend in allen Bundesländern auf die Gymnasien ausgeweitet werden", forderte er. Die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag, Ria Schröder, sagte: "Jungen Menschen müssen schon in der Schule, auch an Gymnasien, die Chancen auf dem Ausbildungsmarkt aufgezeigt werden zum Beispiel mit Hilfe von Azubi-Botschaftern."

Große regione Unterschiede beim Azubi-Mangel

Nach Ansicht von Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung, muss das Ansehen der Ausbildungsberufe in der Gesellschaft gesteigert werden, "vor allem hinsichtlich ihres Bildungspotenzials und der mit ihnen verbundenen Karriereperspektiven".

Die Lage am Ausbildungsmarkt ist ganz unterschiedlich, wie der Berufsbildungsbericht zeigt. Es gibt Branchen mit Azubi-Mangel, etwa im Lebensmittelverkauf, in der Gastronomie, bei Metzgereien, Klempnerbetrieben, Kurierdiensten oder im Beton- und Stahlbau.

Anderswo gibt es zum Teil mehr Bewerber als Plätze, zum Beispiel in der Mediengestaltung, Tierpflege oder Fitnessbranche. Dazu kommen regionale Unterschiede. "Wie gut die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage gelingt, unterscheidet sich erheblich zwischen Regionen und Berufen", heißt es im Bericht.


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