Gute Fragen im Vorstellungsgespräch – und nutzlose
In den meisten Vorstellungsgesprächen stellen die Interviewer jedem Bewerber mehr oder minder unterschiedliche Fragen, die meist im Verlauf des Einstellungsgesprächs erst erdacht und formuliert werden. Zudem wird nicht drauf geachtet, dass alle Kandidaten die gleichen Fragen bekommen. Nur wenige Fragen werden immer wieder eingesetzt und dies sind meist solche, die in jedem Ratgeber stehen: Was sind Ihre Stärken? Was sind Ihre Schwächen? Warum haben Sie sich bei uns beworben? Warum soll ich Sie einstellen?
Fragen im Vorstellungsgespräch: Warum viele nichts taugen
Solche Fragen sind nicht nur deshalb ungeeignet, weil jeder Bewerber sich darauf vorbereiten kann und im Grunde weiß, welche Antworten zu geben sind, sondern auch weil sie keine klare Auskunft über die Eignung eines Bewerbers geben. Wenn ein Bewerber beispielsweise sagt, er sei teamfähig, so bleibt dabei sehr vieles im Unklaren: Was versteht der Bewerber unter Leistungsmotivation? Inwieweit deckt sich seine Definition von Leistungsmotivation mit der des Unternehmens? Wie sieht der Bewertungsmaßstab des Bewerbers aus? Ist Teamfähigkeit überhaupt für die ausgeschriebene Stelle relevant? Was mache ich, wenn ich von Bewerber A eine subjektive Information über dessen Teamfähigkeit habe, Bewerber B aber ganz andere Eigenschaften nennt? Wie stellt man sicher, dass der Bewerber nicht nur einfach die Anforderungen spiegelt, die in der Stellenanzeige stehen?
Drei sinnvolle Fragetypen für Vorstellungsgespräche
Seit Jahrzehnten zeigt die Forschung, dass aussagekräftige Einstellungsinterviews ganz anders aussehen. Zunächst einmal ist wichtig, dass sich die Fragen auf die Anforderungen der konkreten Stelle beziehen. Es geht also nicht darum, wahllos irgendwelche Eigenschaften zu messen, sondern nur die Eigenschaften in den Fokus zu nehmen und tiefergehend zu eruieren, die auch tatsächlich relevant sind. Selbstverständlich ist es wichtig, allen Bewerbern die gleichen Fragen zu stellen damit man die Bewerber später untereinander vergleichen kann. Für jede einzelne Frage muss ein Maßstab zur Bewertung der Antworten festgelegt werden. Jede Kompetenzdimension wird mit mehreren Fragen im Interview bedacht. Zudem sollte die Bewertung nicht nur von einer einzelnen Person vorgenommen werden. In der Forschung haben sich drei Fragetypen als besonders sinnvoll erwiesen.
Fachfragen an Bewerber
Fachfragen beziehen sich auf das Fachwissen oder fachliche Fertigkeiten, die auf der zu besetzenden Stelle von unmittelbarer Bedeutung sind. Geht es z. B. um die Besetzung einer Personalerstelle, würde man nicht abstrakt danach fragen was ein Bewerber unter „HR“ oder „Führung“ versteht, sondern sehr viel praxisbezogener formulieren: „An welchen Qualitätskriterien orientieren Sie sich, wenn Sie einen Intelligenztest auswählen?“ „Wie bekommen Sie heraus, welche Art der Führung auf einer bestimmten Hierarchieebene unseres Unternehmens besonders effektiv ist?“
Biografische Fragen im Vorstellungsgespräch
Biografische Fragen beziehen sich primär auf die berufliche Biografie. Hierhinter steht das Prinzip, dass sich die Fragen möglichst nah an der beruflichen Praxis orientieren sollten. Je weiter sie von der Praxis entfernt sind, desto fraglicher ist es, ob sich die Antworten auf den Berufsalltag übertragen lassen. Dementsprechend könnte man beispielsweise nach der Bearbeitung bestimmter Projekte fragen, sich mit Konflikten am Arbeitsplatz oder dem Verhalten gegenüber schwierigen Kunden auseinandersetzen. Im Gegensatz zu situativen Fragen beziehen sich biografische Fragen immer auf die Vergangenheit. Bewerber werden gefragt was sie erlebt haben, wie sie mit der Situation umgegangen sind, welche Lehren sie aus entsprechenden Situationen gezogen haben oder wie sie ihr Verhalten im Nachhinein bewerten.
Situative Fragen im Bewerbungsgespräch
Situative Fragen beziehen sich auf die Zukunft, genauer gesagt auf konkrete berufliche Aufgaben, mit denen ein Bewerber an seinem neuen Arbeitsplatz konfrontiert wird. Situative Fragen lassen sich sehr leicht entwickeln, wenn man im Zuge der Anforderungsanalyse Interviews mit Arbeitsplatzexperten geführt hat. Arbeitsplatzexperten sind beispielsweise derzeitige Stelleninhaber, ihre Vorgesetzten, Kollegen, Kunden oder auch unterstellte Mitarbeiter. Ihnen wird es sehr leicht fallen anspruchsvolle Situationen aus dem Berufsalltag zu schildern, aus denen später situative Fragen formuliert werden. Der Bewerber bekommt dabei eine kurze Schilderung eines realistischen Szenarios – beispielsweise ein schwieriges Mitarbeitergespräch. Anschließend soll er eine Bewertung der Situation vornehmen und beschreiben, wie er sich verhalten würde. Damit er nicht einfach nur sozial erwünschte Antworten gibt, sollten die Fragen so formuliert sein, dass nicht auf den ersten Blick deutlich wird, welches Arbeitsplatzverhalten erwünscht ist. Dies ist u.a. durch Dilemma-Situationen zu erreichen. Der Bewerber steckt dabei gewissermaßen in einem Zwiespalt. Sehr unterschiedliche Verhaltensstrategien sind sinnvoll und gut, lassen sich aber nicht beide gleichzeitig verwirklichen.
Verhaltensverankerte Beurteilungsskalen
Die besten Fragen nützen wenig, wenn es keine klaren Kriterien zur Bewertung der Antworten gibt. In der Forschung haben sich dabei verhaltensverankerte Beurteilungsskalen als hilfreich erwiesen. Sie liegen für jede konkrete Frage fest, für welche Antwort es wie viele Punkte gibt. Im Folgenden findet sich ein Beispiel bezogen auf eine Fachfrage. Einen Punkt bekommt der Bewerber für eine Antwort die deutlich unter den Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle liegt. Bei drei Punkten erfüllt er die Mindestanforderungen, bei fünf Punkten liegt er weit über den Mindestanforderungen. Unmittelbar nachdem die Frage beantwortet wurde, wird die Antwort vom Interviewer und einem Beisitzer bewertet. Bei drei oder fünf Fachfragen ergibt sich die Gesamtleistung der Fachkompetenz des Bewerbers aus dem Mittelwert der Punkte zu den fünf Fragen. Der Vorteil dieses Vorgehens liegt nicht nur in einer höheren Objektivität und Fairness gegenüber den Bewerbern, sondern auch darin, dass man sich im Vorhinein sorgfältig Gedanken darüber machen muss, welche konkreten Erwartungen an gute Mitarbeiter gestellt werden.
Beispiel für eine Beurteilungsskala im Vorstellungsgespräch
Ein Beispiel zeigt, wie eine verhaltensverankerte Beurteilungsskala zu einer gezielten Frage im Vorstellungsgespräch aussehen kann.
Frage im Bewerbungsgespräch: "Wie sieht Ihr Untersuchungsdesign aus, wenn Sie den Nutzen einer Trainingsmaßnahme evaluieren möchten?"
Punktwert auf der Skala von 1 bis 5:
1 | Nebulöse Antwort (zum Beispiel „Teilnehmer befragen“) oder: hat keine Vorstellung davon, wie eine Evaluation vonstatten geht |
2 | |
3 | Befragung der Teilnehmer zu ihrem Erleben der Maßnahme Messungen der Leistung der Trainingsteilnehmer vor der Maßnahme Messungen der Leistung der Teilnehmer nach der Maßnahme Vergleich beider Messungen |
4 | |
5 | Befragung der Teilnehmer zu ihrem Erleben der Maßnahme Messungen der Leistung der Trainingsteilnehmer vor der Maßnahme haben Messungen der Leistung der Teilnehmer nach der Maßnahme Vergleich beider Messungen Untersuchung des Arbeitsplatzverhaltens einige Monate nach der Maßnahme (Befragung von Vorgesetzten, Kunden, Kollegen et cetera) Untersuchung der wirtschaftlichen Konsequenzen (zum Beispiel Umsatz oder Kundenzufriedenheit) Vergleich der Leistungen der Trainingsteilnehmer mit einer Kontrollgruppe von Personen, die keine Maßnahme durchlaufen haben. |
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