Wie Beschäftigte auf HR blicken
Mit 1.904 Teilnehmern ist die HR-Service-Experience-Studie eine der größten Befragungen im Themenfeld HR. Eine Besonderheit unserer Studie liegt darin, dass wir das Themenfeld HR-Service-Experience im 4x2-Ansatz aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Zum einen haben wir Praktikerinnen und Praktiker aus dem Tätigkeitsfeld HR befragt. 647 Personalmanager aus Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben mitgemacht. Zugleich haben wir ein externes Feld von 1.257 Beschäftigten befragt. Diese waren nochmals unterteilt in Führungskräfte aus drei Hierarchieebenen sowie Beschäftigte ohne Führungsfunktion, allesamt nicht in Personalfunktionen tätig. Dabei haben wir zwei Service-Welten im Blick: Die "Administrativen", die auf Funktionalität und Prozesseffizienz abzielen, und die "Transformationalen", die Entwicklung von Menschen und Organisationen adressieren.
Bei der Haufe-Studie 2021 steckte die Welt noch mitten in der Coronapandemie – und HR damit im Dauerkrisenbewältigungsmodus. Wir waren insofern gespannt, was sich beispielsweise in Sachen Digitalisierung getan hat – einem der inhaltlichen Schwerpunkte bei der letzten Erhebung. Darüber hinaus haben wir diesmal ergänzend das Thema Künstliche Intelligenz (KI) genauer unter die Lupe genommen. Und schließlich haben wir auch ein paar grundsätzliche Fragen gestellt, so zum Beispiel zu lästiger Bürokratie oder bedrohter Demokratie.
HR-Service-Experience: Die Lage und die Stimmung
Und so stellt sich die Lage dar. Arbeitszeiten verwalten, Personal rekrutieren, Gehälter abrechnen und alle regulatorischen Fragen darum herum – die alltäglichen administrativen Aufgaben bilden den Schwerpunkt der Personalarbeit in den Unternehmen und prägen das Berufsbild, so die Befragten. Aufgaben, die auf eine Transformation des Unternehmens zielen, werden von den Beschäftigten deutlich weniger wahrgenommen oder mit den Personalverantwortlichen assoziiert. Generell legen unsere Daten nahe, dass Beschäftigte oft nicht wissen, welche vielfältigen Leistungen von den HR-Verantwortlichen erbracht werden. Entsprechend fällt auch die Bewertung der Leistungen aus. Während HR für die beschriebenen Routine-Aufgaben gute Noten bekommt, lassen die Bewertungen für transformationale Leistungen etwas nach.
Ein Unterschied innerhalb der Befragten ist dabei markant: Während Beschäftigte ohne Führungsfunktion die Leistungen der Personaler eher nüchtern betrachten, ist man bei der obersten Führungsebene sichtbar zufriedener. Das war in der Studie 2021 schon so: HR kommt auf der obersten Führungsebene an. Wenn wir Wasser in den Wein gießen wollen, betrachten wir es umgekehrt. Die Leistungen von HR gehen bei Beschäftigten ohne Führungsfunktion gerade mal als "mittlere Art und Güte" durch.
Interessanterweise sind Personalerinnen und Personaler durchaus selbstkritisch mit ihren Unternehmen und den HR-Prozessen dort. Während die eigenen administrativen Prozesse leicht bessere Noten bekommen als von den Beschäftigten, zeigt sich teils massive Unzufriedenheit mit den transformationalen Aufgaben. Talentmanagement und Onboarding beispielsweise erreichen gerade einmal Zufriedenheitswerte von 25 Prozent.
Download-Tipp: Die vollständigen Ergebnisse der Haufe-Studie "HR Service Experience 2024" können Sie hier als herunterladen. |
Image und Profil von HR
Hat HR also ein schlechtes Image? Eigentlich nicht, sagen die Daten der Haufe HR-Service-Experience-Studie. Wir haben die Beschäftigten gebeten, ihre für HR zuständige Abteilung anhand von neun gegensätzlichen Begriffspaaren einzuordnen, wie zum Beispiel "verschlossen" versus "offen" oder "sachorientiert" versus "mitarbeiterorientiert". Eine solche Fragestellung führt üblicherweise dazu, dass sich bestimmte Profilmerkmale deutlich von anderen abheben. Nicht so bei den Personalern. Aus Sicht der Beschäftigten ohne Führungsfunktion sind sie nahezu profillos, liegen bei allen Fragen fast genau zwischen beiden Möglichkeiten. Man ist von Vielem ein kleines bisschen: offen und flexibel, etwas kompetent, minimal progressiv. Erkennbar höher fallen die Werte bei der obersten Führungsebene aus, allerdings erreichen sie auch hier keine Begeisterungs-Dimension und liefern vor allem auch hier kein differenzierbares Profil, keine Ecken und Kanten. Die Vielfalt der Aufgaben scheint schicksalhaft als Nebel über dem Berufsstand zu schweben, der nur schemenhaft Figuren erkennen lässt. Fragt man Personalerinnen und Personaler, wie sie wohl in ihrem Unternehmen gesehen werden, kommen, abgesehen von etwas zu optimistischen Werten, bei Offenheit und Kompetenz insgesamt treffende Einschätzungen von HR im Vergleich zu den tatsächlichen Bewertungen heraus.
Einen Sonderfall stellt die Leitungsebene von HR da. Für sie haben wir eine eigene Frage formuliert und um eine Bewertung anhand von vier kombinierten Merkmalspaaren gebeten: kommunikativ und teamfähig, analytisch und sicher im Urteil, tatkräftig und innovativ sowie offen und lernfähig. Man sieht: Die Bewertung durch die Beschäftigten steigt mit deren Hierarchieebene. Die besten Noten gibt es wiederum von der obersten Führungsebene, die allerbesten Noten stellen sich Personalleiter allerdings selbst aus. Sie sehen sich in allen vier Dimensionen weit vorne. Eine sichtbare Diskrepanz zum Eindruck, der bei Beschäftigten ohne Führungsfunktion vorherrscht. Was wir in der Praxis für eine Reihe von HR-Themen immer wieder feststellen, scheint auch für die Person an der Spitze von HR zu gelten: Es gibt ein Vermittlungsproblem.
Digitalisierungsgrad von HR-Services steigt
So gern Personaler über ihre Rolle diskutieren, so ernsthaft müssen auch die wichtigen Zukunftstrends angepackt werden. Ein Schlüsselthema ist dabei seit Jahren die Digitalisierung. Bereits 2021 hatte die Studie hier nachgefragt: Wie steht es um die Digitalisierung im Unternehmen generell, aber auch bei den HR-Services? Getan hat sich seither scheinbar nicht viel. In den Unternehmen stieg der Grad der Digitalisierung von 60,4 auf 62,6 Prozent. Die HR-Services hinken hier hinterher und verbessern sich nur in geringerem Maße von 53,3 auf 53,7 Prozent. Relativierend muss man einwenden: Digitalisierung ist ein "moving target". Technologie entwickelt sich beständig weiter, und was vor drei Jahren noch fortschrittlich schien, mag heute schon angestaubt wirken. Dennoch: Wollen wir damit zufrieden sein, dass wir nicht schneller vom Fleck kommen? Wären nicht gerade die Prozesse der HR-Services in stärkerem Maße digitalisierbar, als wir es derzeit erleben?
Die Antworten geben die befragten Personaler in unserer Studie selbst. Für die Mehrzahl der beschriebenen HR-Prozesse bevorzugen sie die digitale Kommunikation. Vielleicht auch um mehr Zeit für die individuelle Auseinandersetzung mit den wegweisenden Personalentscheidungen und Entwicklungsprozessen zu haben. Denn die will man im persönlichen Gespräch klären. Die Beschäftigten muss man in Sachen Digitalisierung nicht lange überreden. Prozesse der Personalverwaltung eigenständig von den Mitarbeitenden ausführen zu lassen, war bereits 2021 unumstritten. Die Zustimmung dazu ist in den letzten drei Jahren nochmals gestiegen und liegt nun bei 87 Prozent. Im Abgleich ist eine Kommunikationslandkarte entstanden, welche HR-Services zukünftig auf welchem Weg erbracht werden können und welche sich eher für die Digitalisierung eignen.
KI-Affinität im Personalwesen
Die spannendsten Erkenntnisse unserer gemeinsamen Studie von Haufe und dem Bundesverband der Personalmanager*innen (BPM) sehen wir im Hinblick auf den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in den HR-Services. Vorab haben wir alle Befragten dabei um eine Selbsteinschätzung hinsichtlich Ihrer KI-Affinität gebeten. Aus dem Antwortverhalten lässt sich eine statistische Einteilung in vier Cluster erkennen. So lassen sich 19,2 Prozent der Befragten als Innovatoren einordnen. Sie haben bereits eine Weiterbildung absolviert oder wenden KI bereits im Alltag häufig an. In unserer Gruppe der befragten Personaler zählen immerhin 18,4 Prozent dazu.
Ein Ungleichgewicht existiert in der Zusammensetzung dieses Clusters. Die Innovatoren sind tendenziell jünger, eher männlich und in mittleren oder oberen Führungspositionen zu finden. Selbstredend spielt auch der Branchenhintergrund eine Rolle. In der IT-Branche sind sie deutlich überrepräsentiert, im Gesundheitswesen oder öffentlichen Dienst kaum zu finden. Etwas verkürzt formuliert: Wer was mit Menschen macht, macht eher weniger mit KI.
Wozu künstliche Intelligenz in HR?
64 Prozent der befragten Personalerinnen und Personaler gaben an, dass ihr Unternehmen im Bereich der HR-Services noch keine KI einsetzt. Die häufigsten Einsatzfelder sind die Personalbeschaffung (Recruiting, Auswahl, Employer Branding) mit 18,5 Prozent sowie Lernen und Entwicklung mit 11,3 Prozent. Da HR in aller Regel keine eigenen KI-Anwendungen schaffen kann, spiegelt sich hier sicherlich auch eine gewisse Marktverfügbarkeit von Tools und Lösungen wider. Für die Zukunft herrscht allerdings Offenheit. Denn unabhängig vom derzeitigen Zustand können sich HR-Professionals den Einsatz von KI tatsächlich für viele Bereiche vorstellen; mehr als die Hälfte (51,2 Prozent) beispielsweise beim Thema Lernen und Entwicklung.
Betrachten wir die Auswertung anhand der gebildeten Cluster, so weisen die Innovatoren allen anderen die Richtung. Sie haben erkennbar einen Informationsvorsprung und setzen KI zwei- bis sechsmal häufiger ein. Selbst bei kaum vorstellbaren Aufgaben wie dem Umgang mit Gewerkschaften und Betriebsrat setzen 9,2 Prozent der Innovatoren schon KI ein.
Gefragt nach Hindernissen für den Einsatz von KI, zeigt sich ein klares Bild: Rechtsunsicherheit (39,6 Prozent) und fehlende Skills und Kompetenzen (37,7 Prozent) bremsen die Zukunftstechnologie aus. Bei den befragten Personalern schlagen nahezu alle Problemfaktoren nochmals deutlicher aus. Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen sich die meisten Beschäftigten wegen KI nicht. 4,8 Prozent sehen diesen eindeutig bedroht, 17,2 Prozent teilweise, 73,8 Prozent eher weniger oder gar nicht. Bei HR-Professionals sind die Ängste für Jobverlust noch geringer. Nur anderthalb Prozent sehen sich eindeutig bedroht, weitere 13 Prozent teilweise. Mit Widerstand ist allerdings in Datenschutzfragen zu rechnen: 62,3 Prozent erklären, dass sie mit erweiterter Speicherung und Verarbeitung im Rahmen von KI-Nutzung nicht einverstanden sind. Hier ist Aufklärung geboten.
Ambivalentes Bild der HR-Funktion
Derzeit sieht sich fast die Hälfte der HR-Professionals in einem Zwiespalt zwischen Fachkräfterekrutierung auf der einen Seite und der Einsparung von Personalkosten auf der anderen Seite. Zugleich erwarten 63,7 Prozent, dass HR angesichts von Fachkräftemangel und Transformation eine deutlich strategischere Bedeutung bekommt. Mehr als ein Viertel der befragten Personalerinnen und Personaler (26,8 Prozent) sieht in der Bürokratie ein großes Problem für das Personalmanagement. Die größten Schwierigkeiten sieht man bei der fehlenden digitalen Signatur (72,4 Prozent), umfangreichen Datenschutzvorgaben (65,9 Prozent) oder Statistik- und Dokumentationspflichten (64,3 Prozent). Und auch die Sorge um die Demokratie kommt beim Blick nach vorn ins Sichtfeld. Ein knappes Drittel der HR-Professionals ist der Meinung, dass HR eine stärkere Rolle bei der Beachtung des demokratischen Grundkonsenses spielen sollte, auf der Leitungsebene sogar 41,6 Prozent. Auch hier wieder in Einklang mit dem Topmanagement, wo 43,8 Prozent das Gleiche denken.
In Summe zeichnet unsere Studie ein ambivalentes Bild der HR-Funktion. Stellenweise legen uns die Daten etwas mehr Reflexion über unsere eigene "Bubble" und die Frage nahe, wie gut wir die Bedürfnisse unserer "internen Kundinnen und Kunden" tatsächlich treffen. Sie zeigen auch, wie die HR-Funktion zwar bei den relevanten Themen der Zeit mitfährt – aber eben nicht am Lenkrad sitzt. Zugleich wird deutlich: Man würde uns mehr vertrauen, wenn wir uns selbst mehr zutrauen.
Schließlich ist auch erkennbar, dass wir in der Breite der Belegschaft stärker für unsere Leistungen, unsere Themen und unsere Visionen werben müssen. HR ist für viele die Administration und der Umgang mit regulatorischen Vorgaben. Dass in einer professionellen Personalarbeit die Schlüssel zu gesteigerter Wertschöpfung und mehr Zufriedenheit liegen – für diese Erkenntnis müssen wir im Alltag den Beweis liefern.
Dieser Beitrag ist erschienen in Personalmagazin 7/2024. Als Abonnent haben Sie Zugang zu diesem Beitrag und allen Artikeln dieser Ausgabe in unserem Digitalmagazin als Desktop-Applikation oder in der Personalmagazin-App.
Zu den Autoren:
Andreas Meya ist Division Manager bei der Haufe Group.
Malte Hansen ist Director People & Culture bei ISS Communication Services GmbH und Präsidiumsmitglied beim BPM.
Anke Brinkmann ist Head of HR bei der HH2E AG und Beisitzerin im Präsidium des BPM.
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