Mehr Mut für eine hybride Arbeitskultur
"Culture eats strategy for breakfast" – das Zitat von Peter Drucker war noch nie so treffend wie heute. Früher kam man ins Büro, um alle Aufgaben an einem Ort zu erledigen. Heute sind sowohl die Arbeit als auch der Ort, an dem die Arbeit stattfindet, fragmentiert – verteilt auf das Büro, das Homeoffice und dritte Arbeitsorte wie Co-Working-Spaces. Daher werden persönliche Begegnungen und direkter Austausch immer wichtiger, um die Team- und Unternehmensbindung aufrechtzuerhalten und eine gemeinsame Unternehmenskultur zu leben.
Hybrides Arbeiten: das Büro als Erlebnis
Ich habe viel von den Betreibern von Co-Working-Spaces gelernt. Im Co-Working-Space "Headsquarter" in der Schweiz setzt der Betreiber auf Mitarbeitende aus der Hotellerie und dem Gastgewerbe, die ein besonderes Talent haben, Menschen zusammenzubringen und den Arbeitstag im Büro zu einem Erlebnis zu machen. In meinen Gesprächen mit Anil Varghese, dem CEO von Headsquarter, habe ich die Differenzierung in seinem Modell verstanden. In einem klassischen Unternehmen werden alle Bereiche von ständigen Optimierungsgedanken getrieben, so auch in der Büroplanung. Hier geht es zumeist um Auslastung, Flächenoptimierung und abstrakte KPI’s, aber die Bedürfnisse der Mitarbeitenden dahinter werden häufig vergessen.
Genau da setzt das Konzept in der Schweiz an und stellt den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt. Am Ende sind die Community Manager dort die zentralen Dreh- und Angelpunkte, die auf die Menschen eingehen und die Kultur und das Miteinander an den Standorten prägen und gestalten. Der Erfolg gibt ihnen Recht: Sie bieten inzwischen rund 1.500 Arbeitsplätze an fünf Standorten an. Vielleicht brauchen wir einfach mehr Menschen mit diesem besonderen Talent – Menschen, die den Tag im Büro zu einem echten Erlebnis machen.
Herausforderungen hybrider Arbeitsmodelle
Eine aktuelle Studie von Haworth, die sich mit den Auswirkungen hybrider Arbeitskonzepte auf Raum- und Gebäudestrategien beschäftigt, zeigt, dass hybrides Arbeiten bereits zur neuen Norm geworden ist. Danach haben 79 Prozent der befragten Unternehmen bereits hybride Arbeitskonzepte eingeführt, weitere acht Prozent planen dies. Doch die Einführung hybrider Arbeitsmodelle bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich, die mit Bedacht angegangen werden müssen. In der Studie wurden sechs Schlüsselergebnisse ermittelt:
1. Hybrides Arbeiten ist die neue Norm
Die meisten Unternehmen haben hybride Arbeitsmodelle eingeführt. Die häufigste Regelung sind drei verpflichtende Bürotage pro Woche. Diese Regelungen variieren jedoch von Unternehmen zu Unternehmen. Einige Unternehmen bieten ihren Mitarbeitenden mehr Autonomie darüber, wann sie ins Büro kommen. Diese Freiheit berücksichtigt die unterschiedlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden und erhöht ihre Zufriedenheit.
2. Fokus auf die Leistung der Mitarbeitenden
Die Hauptmotivation für die Einführung von hybrider Arbeit ist die Präferenz der Mitarbeitenden. Hybride Modelle sollen dabei helfen, Talente zu gewinnen und zu halten. Viele Unternehmen haben erkannt, dass flexible Arbeitsmodelle die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung verbessern können. Die Möglichkeit, Arbeitszeiten und -orte flexibel zu gestalten, trägt wesentlich zur Motivation und Produktivität der Mitarbeitenden bei. Aktuelle Studien von Fraunhofer zeigen, dass die Produktivität des Homeoffice dem traditionellen Büro in nichts nachsteht.
3. Die Unsicherheit bleibt
Viele Unternehmen experimentieren noch mit ihren hybriden Modellen und passen sie laufend an. Hier müssen die Unternehmen ehrlich zu sich selbst sein: Sie müssen sich die Freiheit nehmen, neue Konzepte zu entwickeln und auszuprobieren. Während des laufenden Implementierungsprozesses können neue Lösungen auf der Grundlage der in jeder Phase gewonnenen Erkenntnisse angepasst und verbessert werden. Führungskräfte spielen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung des hybriden Arbeitens und bei der Anpassung der Raumkonzepte im Büro.
4. Kontrolle über Privatsphäre und Konzentration
Eine gute Raumakustik und Schalldämmung sind entscheidend für die Produktivität in hybriden Arbeitsumgebungen. Die Gestaltung von Büroräumen muss darauf abzielen, eine Umgebung zu schaffen, in der konzentriertes Arbeiten möglich ist, ohne dass Ablenkung und Störungen die Produktivität beeinträchtigen. Hybride Arbeitsumgebungen erfordern daher gut durchdachte Designlösungen und die Bereitstellung ausreichender Rückzugsflächen. Wir haben festgestellt, dass Telefonzellen oder freistehende Besprechungsboxen für zwei bis vier Personen inzwischen sehr verbreitet sind und ein hohes Maß an Flexibilität bei der Raumgestaltung bieten.
5. Technologie als Schlüssel
Die richtige technische Ausstattung ist entscheidend für den Erfolg hybrider Arbeitsmodelle. Die Studie unterstreicht, dass die Technik eine entscheidende Rolle spielt, um die Zusammenarbeit und Kommunikation in hybriden Arbeitsumgebungen zu ermöglichen. Für erfolgreiche Videokonferenzen ist es nicht nur wichtig, dass die Konferenzräume mit guten Kameras und Mikrofonen ausgestattet sind. Unsere Erfahrung zeigt, dass sich Teilnehmende, die sich in eine physische Konferenz remote einwählen, oft sehr schlecht integriert fühlen und den Diskussionen nicht folgen können. Dies führt unweigerlich zu Produktivitätsverlusten und Frustration.
6. Der Standort spielt eine Rolle
Bei der virtuellen Zusammenarbeit über Grenzen hinweg beeinflusst der geografische Standort der Mitarbeitenden den Erfolg von hybriden Arbeitsmodellen. Unternehmen müssen berücksichtigen, wie sich unterschiedliche Standorte und die damit verbundenen zeitlichen und kulturellen Unterschiede auf die Zusammenarbeit und Produktivität auswirken. Diese Unterschiede erfordern flexible Ansätze und maßgeschneiderte Lösungen, um alle Mitarbeitende gleichermaßen zu unterstützen.
Die Studie unterstreicht, dass die Flexibilität und Autonomie, die das hybride Arbeiten bietet, von den Mitarbeitenden sehr geschätzt wird. Für Unternehmen bleibt es jedoch eine Herausforderung, ein Gleichgewicht zwischen Büropräsenz und Fernarbeit zu finden, das sowohl den Bedürfnissen der Mitarbeitenden als auch den Unternehmenszielen entspricht und gleichzeitig die Unternehmenskultur weiter fördert.
Hybride Arbeit und sinkende Loyalität
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Loyalität zu den Unternehmen mit der Zunahme hybrider Arbeitsmodelle abgenommen hat. Diesem Rückgang muss aktiv entgegengewirkt werden. Es müssen auch räumliche Angebote geschaffen werden, die die Vernetzung, kulturelle Aspekte und soziale Interaktion zwischen Einzelnen und Teams fördern.
In aktuellen Kundenprojekten sehen wir vermehrt die Schaffung von Work Cafés, Fitnessstudios, Gaming-Räumen und Erholungsbereichen mit Bezug zur Natur. Die Studie zeigt, dass viele Unternehmen ihr Raumangebot inzwischen entsprechend verändert haben.
Im Vergleich zu 2020 werden jetzt bis zu 21 Prozent der Fläche für Networking, soziale Aktivitäten und Erholung genutzt (vorher 14 Prozent). Gleichzeitig ist der Anteil der Flächen für individuelles Arbeiten und Konzentration von 58 Prozent auf 43 Prozent gesunken und der Anteil für Kommunikation und Zusammenarbeit von 27 Prozent auf 36 Prozent gestiegen. Dies zeigt deutlich, dass das hybride Arbeiten bereits in den Büros angekommen ist – und dass der Zweck des Büros als Treffpunkt und zur Vernetzung immer wichtiger wird.
Hybride Arbeitskultur stellt Mitarbeitende in den Mittelpunkt
Die Arbeitskultur spielt hier eine entscheidende Rolle bei der erfolgreichen Umsetzung hybrider Arbeitsformen. Sie beeinflusst, ob die Mitarbeitenden die neue Arbeitsform akzeptieren und wie effektiv sie darin arbeiten können. Unsere Erfahrung zeigt, dass eine Kultur des Vertrauens und der Empathie zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden hilfreich ist. Einerseits erhält der Mitarbeitende mehr Autonomie bei der Wahl des Arbeitsorts für die jeweilige Aufgabe, andererseits muss die Führungskraft Eigenverantwortung zulassen, ohne ständig zu kontrollieren. Klare Ziele und Erwartungen sind sicherlich die Grundlage dafür. Die Mitarbeitenden müssen wissen, was von ihnen erwartet und wie ihre Leistung gemessen wird. Dies trägt dazu bei, Unsicherheiten zu verringern und die Produktivität zu erhöhen. Eine offene und transparente Kommunikation hilft dabei, Missverständnisse zu vermeiden und eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten zu gewährleisten. Unternehmen haben in der Regel klare Kommunikationskanäle und regelmäßige Updates etabliert, um sicherzustellen, dass alle Mitarbeitenden – unabhängig von ihrem Standort und ihrer Anwesenheit im Büro – gut informiert und engagiert bleiben.
Eine Kultur, die die Bedürfnisse und die Motivation der Mitarbeitenden in den Mittelpunkt stellt, trägt wesentlich zur Zufriedenheit und Produktivität bei. In vielen Unternehmen wird das Wohlbefinden der Mitarbeitenden durch Gesundheitsprogramme gefördert. Die Unternehmen bieten Programme für die körperliche und geistige Gesundheit an, zum Beispiel Zugang zu Fitnesseinrichtungen, Beratungsgespräche und Wellness-Workshops. Sie sorgen auch dafür, dass die Mitarbeitenden sowohl im Büro als auch zu Hause über ergonomische Arbeitsplätze verfügen, um gesundheitlichen Problemen vorzubeugen. Nicht nur während der Pandemie boten viele Unternehmen Programme an, um ergonomische Arbeitsplatzlösungen und Schreibtischstühle für das Home Office zu beziehen.
Insgesamt wird deutlich, dass eine unterstützende und flexible Arbeitskultur, die Vertrauen, Kommunikation, Anpassungsfähigkeit, Wohlbefinden, klare Ziele und technologische Unterstützung fördert, für den Erfolg von hybriden Arbeitsmodellen entscheidend ist.
Praxisansätze für die hybride Arbeit
Unternehmen begegnen den Herausforderungen des hybriden Arbeitens mit einer Vielzahl von praktischen Ansätzen und Strategien. Sie fördern beispielsweise Vertrauen und Empathie, indem sie ihre Führungskräfte in einem Führungsstil schulen, der auf Vertrauen und Zielorientierung basiert. Dazu gehören regelmäßige Check-ins, Feedbackschleifen und die Förderung einer offenen Kommunikation. Einige Unternehmen führen auch Sensibilisierungsprogramme durch, um das Bewusstsein für die Bedürfnisse und Herausforderungen der Mitarbeitenden zu schärfen und Probleme schneller zu erkennen. Überforderung in hybriden Arbeitsmodellen, Quiet Quitting oder steigende psychische Belastungen sind in der heutigen virtuellen Arbeitswelt immer schwerer zu erkennen.
Um die Kommunikation und Zusammenarbeit zu optimieren, setzen viele Unternehmen Collaboration Tools wie Slack, Microsoft Teams oder Zoom ein. Diese Plattformen ermöglichen eine Kommunikation in Echtzeit und helfen, geografische Barrieren zu überwinden. Darüber hinaus richten die Unternehmen regelmäßige virtuelle Teambesprechungen und Firmen-Offsites ein, um sicherzustellen, dass alle Mitarbeitende gut informiert sind und sich eingebunden fühlen. Wir beobachten, dass immer mehr Unternehmen ihre Teams für größere Meetings oder Veranstaltungen nicht mehr in ihr eigenes Büro einladen, sondern die Dienste von Co-Meet-Locations wie dem Smartvillage in München in Anspruch nehmen und die Besprechung in einer inspirierenden und attraktiven Umgebung stattfinden lassen.
Um Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zu fördern, bieten Unternehmen flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, von verschiedenen Standorten aus zu arbeiten. Zunehmend entstehen auch neue Formate wie beispielsweise "Workation", die es ermöglichen, Arbeit und Urlaub zu verbinden.
Mit hybrider Arbeitswelt an der Zukunft der Arbeit bauen
Viele Unternehmen führen inzwischen Pilotprojekte durch, um verschiedene Arbeitsmodelle zu testen und Innovationen im Büro einzuführen. Dabei geht es nicht nur um Prozesse, sondern auch darum, neue Raumkonzepte ganz praktisch auszutesten. Ein gutes Beispiel, das Schule machen könnte, ist das Shell Co Lab in Köln: Sechs Monate lang wurden hier neuartige Raumangebote für bessere Zusammenarbeit und effektivere Meetings getestet und gleichzeitig neue Technologie für produktive virtuelle Kommunikation mittels Virtueller Realität (VR) eingeführt. Diese Testphase sollte das anstehende Neubauprojekt vorbereiten und gleichzeitig die Mitarbeitenden auf die Reise mitnehmen. Die Ergebnisse überzeugten: die Akzeptanz der Mitarbeitenden wurde durch die Beteiligung in diesem Prozess deutlich gesteigert, bestehende Vorbehalte konnten ausgeräumt werden.
Aus meiner Sicht bietet die Einführung hybrider Arbeitsmodelle eine einzigartige Gelegenheit, die Art und Weise, wie wir Büros und Arbeitsprozesse gestalten, grundlegend zu überdenken. Ein einfaches "Weiter so" ist dabei nicht zielführend. Es ist an der Zeit, mit mutigen neuen Ansätzen, die viel stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Organisation und ihrer Mitarbeitenden zugeschnitten sind, zu experimentieren und aus ihnen zu lernen. Nur so wird die neue Arbeitswelt ein Erfolg und trägt dazu bei, Mitarbeitende zu binden und eine starke Unternehmenskultur sichtbar zu machen.
Dieser Beitrag ist erschienen in der Sonderpublikation Personalmagazin "Arbeitswelten" erschienen, die Sie hier als PDF herunterladen können.
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