Deutsche Unternehmen bleiben undemokratisch
Die Top-Down-Organisation gilt vielen als Auslaufmodell – jedenfalls scheint es so: Im Fahrwasser der Diskussion rund um die Herausforderungen der Digitalisierung rücken derzeit eher agile und wenig hierarchische Organisationsmodelle in den Fokus. Eine repräsentative Umfrage von Appinio und des Murmann Verlags zeigt nun: Die Mehrheit der deutschen Arbeitnehmer arbeitet nicht in flachen Hierarchien.
Stichprobe von 1.000 Arbeitnehmern zur Führungskultur in Deutschland
Für die Studie wurde eine Stichprobe von 1.000 Arbeitnehmern dazu befragt, wie sie die Führung im eigenen Unternehmen wahrnehmen und welche Eigenschaften sie von ihren Führungskräften erwarten. Die Ergebnisse wurden nun im Buch „Tasks & Teams. Die neue Formel für bessere Zusammenarbeit“ vorgestellt.
Demnach spielt Vertrauen und Verlässlichkeit eine wichtige Rolle: Etwa einem Drittel der Befragten ist es besonders wichtig, dass die Führungskraft ihnen Vertrauen schenkt, ebenfalls etwa ein Drittel geben an, dass ihnen wichtig sei, ob die Führungskraft in Absprachen verlässlich ist. Ansprechbarkeit auch außerhalb der Arbeitszeit oder ob der Chef klare Ziele oder neue Ideen hat, scheint demnach nicht besonders wichtig.
Vertrauen und Verantwortung an Mitarbeiter abgeben
Vertrauen gehe dabei, so die Studienautoren, mit der Übergabe von Verantwortung an die Mitarbeiter einher. „Auch in großen Unternehmen ist ein Wandel weg von Kontrolle und starren Hierarchien hin zu vertrauen- und kompetenzbasiertem Arbeiten möglich. Man muss dafür nur als Führungskraft bereit sein, Silos und Organigramme aufzubrechen“, erklärt Koautorin Bernadette Tillmanns-Estorf vom Medizintechnik- und Pharmaunternehmen B. Braun. Laut der Umfrage werden neben Vertrauen und Verlässlichkeit auch gute Kommunikation (29 Prozent) und Förderung der Teammitglieder (26 Prozent) als weitere wichtige Eigenschaften genannt.
"Es ist überraschend, wie deutlich klassische Organisationsstrukturen und Hierarchien nach wie vor den deutschen Arbeitsalltag bestimmen." Doktor Ilga Vossen, Akademie für Führungskräfte
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Die Mehrheit arbeitet weiter in klassischen Strukturen
Bezogen auf die Wahrnehmung der Hierarchie geben die befragten Mitarbeiter nur zu 13 Prozent an, total flache Hierarchien zu erleben und zu weiteren 28 Prozent, weitgehend flache Hierarchien zu erleben. Somit erleben über die Hälfte der Befragten die Hierarchien immer noch nicht als flach. Allerdings deutet dies darauf hin, dass flache Hierarchien sich in den letzten Jahren zunehmend verbreitet haben.
Eine weitere Studie mit dem Titel „Führung im Umbruch“, die bereits 2016 von der Akademie der Führungskräfte veröffentlicht wurde, kam noch zu dem Schluss, dass nur in jedem neunten Unternehmen flache Hierarchien herrschen.
"Es ist überraschend, wie deutlich klassische Organisationsstrukturen und Hierarchien nach wie vor den deutschen Arbeitsalltag bestimmen", kommentierte Doktor Ilga Vossen, Leiterin Inhouse Beratung und Training bei der Akademie für Führungskräfte die Studie von 2016. "Die Unternehmen sind zwar in Ansätzen dabei, Führung zu demokratisieren, aber eine richtige Beteiligung der Mitarbeiter ist noch keine Selbstverständlichkeit." Eine Mehrheit (66 Prozent) der 466 befragten Fach- und Führungskräfte gab an, in einem sehr hierarchisch geprägten Unternehmen zu arbeiten.
Die Entscheidungskompetenz bleibt in den höheren Führungsgremien
Die Entscheidungswege in den Unternehmen blieben weitgehend durch die Hierarchie vorgegebenen – das sagten 83 Prozent der Studienteilnehmer aus. Fast die Hälfte der befragten Führungskräfte (43 Prozent) siedelte die Entscheidungskompetenz allerdings ohnehin beim höheren Management an, also beim Aufsichtsrat, Vorstand, der Geschäftsführung oder anderer Führungsgremien. Diese Organisationsstruktur scheint wiederum Auswirkungen auf die Nachvollziehbarkeit der Geschäftsstrategien zu haben: Mehr als 40 Prozent sahen Defizite bei der Kommunikation von Unternehmensentscheidungen.
Selbstführung über informelle Netzwerke?
Obwohl nur eine Minderheit (17 Prozent) der Studienteilnehmer von 2016 angab, dass die Mitarbeiter in den Entscheidungsprozess eingebunden würden, schienen dennoch gewisse Einflussmöglichkeiten zu bestehen. So vertrat jede zweite der befragten Fach- und Führungskräfte die Ansicht, dass Mitarbeiter auch ohne Führungsposition einflussreich sein könnten. Entsprechende Einflussmöglichkeiten bestünden für 41 Prozent der Befragten vor allem über das interne Netzwerk. Kaum verwunderlich also, dass fast jeder Studienteilnehmer (99 Prozent) zwischenmenschliche Beziehungen als wichtig oder sogar sehr wichtig für den unternehmerischen Erfolg bewertete. Knapp 60 Prozent beurteilten ihr momentanes persönliches Netzwerk in der Organisation jedoch als ausbaufähig. Die wichtigsten Gründe ein solches zu pflegen, lagen für die Studienteilnehmer übrigens darin, Ideen zu generieren (86 Prozent), Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten (75 Prozent) und angemessen informiert zu sein (71 Prozent).
Tendenz zu flachen Hierarchien wird erkennbar
Vieles deutet also darauf hin, dass zwar die formellen Strukturen in den meisten Unternehmen in Deutschland nach wie vor hierarchisch aufgebaut sind und die letzte Entscheidungskompetenz häufig nicht im Team liegt. Trotzdem verwischen die starren Hierarchien durch gute Kommunikation, Einbezug der Meinungen aus den Teams und durch zunehmende Verteilung von Verantwortlichkeiten und Vertrauen auf Mitarbeiter, so dass eine Tendenz hin zu flachen Hierarchien erkennbar wird.
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