Die Umsetzung der Studienerkenntnisse zum Thema "Mitarbeiterorientierte Unternehmensführung" und die Berücksichtigung der Grundbedürfnisse der Mitarbeiter entsprechen dem Leitprinzip der mitarbeiterorientierten Unternehmensführung. Trotzdem werden die Erkenntnisse in der Praxis selten gelebt. Woran liegt das? Es gibt mehrere Erklärungsansätze dafür, warum das Konzept in Unternehmen noch wenig verbreitet ist.
In manchen Fällen lässt sich beobachten, dass Vorgesetzte Angst vor der Macht der Mitarbeiter haben. Wenn Führungskräfte selbst Macht ausüben wollen, wünschen sie sich Mitarbeiter, die sie nicht zu sehr bedrohen. Um das Risiko zu reduzieren, dass Führungskräfte mit Angst und Druck arbeiten, sollten die Entscheider in den Unternehmen deshalb Vorgesetzten mit menschlicher Integrität und einem gesunden Selbstbewusstsein den Vorzug geben.
Oft zeigt sich in der Praxis, dass Vorgesetzte nicht von der mitarbeiterorientierten Unternehmensführung überzeugt sind: Sie zweifeln daran, dass die genannten positiven Effekte tatsächlich auftreten. Viele Vorgesetzte tun sich auch deshalb schwer mit einer mitarbeiterorientierten Kultur, weil deren Auswirkungen nicht auf Anhieb messbar sind, da sich zunächst vor allem "weiche" Faktoren wie Motivation, Zufriedenheit und Kreativität verbessern. Um mitarbeiterorientierte Führung zu fördern, müssten Wissenschaftler verstärkt ihre Befunde mitteilen, dass die so genannten "weichen" Faktoren die harten Fakten erzeugen.
Ein weiterer Grund dafür, dass Führungskräfte die mitarbeiterorientierte Unternehmensführung nicht umsetzen, ist, dass sie häufig befürchten Mitarbeiterbedürfnisse anzusprechen, die sie ohnehin nicht erfüllen können. Sie glauben, dass die Sehnsüchte und Bedürfnisse der Mitarbeiter grenzenlos sind und dass dies zu Lasten von Leistung geht. Sie fürchten zum Beispiel, dass grenzenlose Autonomie, grenzenlose Kompetenzausweitung, grenzenloses Gehalt und so weiter gewünscht wird. Vorgesetzte sollten deshalb mit ihrer Führung immer die Grenzen des Handelns festlegen – und sollten ihre Entscheidungen jeweils gut begründen können.
Weiterhin lässt sich beobachten, dass in vielen Führungsetagen Zahlen und Profit wesentlich wichtiger sind als das Wohlbefinden von Mitarbeitern. Damit steht die langfristige gute Entwicklung des Unternehmens nicht im Mittelpunkt der Bemühungen, weil die Führungskräfte die Bedürfnisse der Mitarbeiter übersehen. Vorgesetzte sollten deshalb ein Bewusstsein dafür entwickeln, von wem die Zahlen letztlich erzeugt werden.
Die Autoren:
Prof. Dr. Dieter Frey, Lehrstuhlinhaber für Sozialpsychologie an der LMU München
Albrecht Schnabel, Diplompsychologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Frey
Malte Böhm, Projektkoordinator Employer Branding bei einem Großunternehmen