Sieben Hebel für mehr Erfolg im Recruiting

So, wie sich ein Schneeball zu einer Lawine auswachsen kann, können kleine Änderungen am Recruiting-Prozess spürbar Engpässe in der Personalgewinnung beseitigen. Beim Recruiting-Excellence-Audit werden die Prozesse in den Unternehmen durchleuchtet und Hebel für die Optimierung sichtbar gemacht.

Kleine Fehler im Prozess – verbunden mit eigentlich unnötigen Kosten und Aufwänden – können große Auswirkungen auf den Recruiting-Erfolg haben. Das zeigen die bislang durchgeführten Recruiting-Excellence-Auditierungen: Keine teilnehmende Organisation, ob Unternehmen oder öffentliche Einrichtung, hat bislang den Top-Wert von fünf Sternen erreicht.

Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass nahezu überall im Recruitingprozess noch "Luft nach oben" vorhanden ist. Nur 20 Prozent der untersuchten Unternehmen und Einrichtungen erreichen bislang vier Sterne. Das heißt, bei 80 Prozent aller Unternehmen ist mit einem großen Verbesserungspotenzial zu rechnen.

Recruiting: Wo liegen die Hebel zur Optimierung?

Der Vergleich mit anderen Bereichen wie dem Online- oder dem stationären Handel macht deutlich, wo in vielen Unternehmen die Hebel zur Optimierung der Recruiting-Prozesse liegen: Stellen Sie sich vor, Sie flanierten durch eine Einkaufsstraße, in der Sie in einem Schaufenster ein ansprechendes Produkt entdecken, das Sie kaufen möchten (hier: die Karriere-Webseite oder die Stellenanzeige). Sie müssen dann aber im Geschäft zehn Minuten an der Kasse anstehen – so lange dauert vielerorts das Ausfüllen des Online-Bewerbungsformulars.

Stellen Sie sich dann weiter vor, dass der Händler Ihnen das Produkt nach Hause liefert, Ihnen aber erst in zehn Tagen einen Termin hierfür nennen wird, weil er sich noch mit dem Spediteur abstimmen muss. So lange dauert in vielen Unternehmen der Abstimmungsprozess zwischen Personalabteilung und Fachabteilung.

Zum avisierten Liefertermin wird das Produkt an der Bordsteinkante abgestellt, obwohl die Lieferung in den ersten Stock vereinbart war. Ebenso häufig kommt es vor, dass im Vorstellungsgespräch alles anders ist, als zuvor angekündigt: Die Tätigkeit gestaltet sich ganz anders als in der Stellenanzeige beschrieben oder ein aktiv angesprochener Kandidat wird im Interview gefragt, warum er sich bei dem Unternehmen beworben hat.

Recruiting-Prozess ganzheitlich betrachten

In die Entwicklung des Recruiting-Excellence-Audits von Jobware sind jahrelange Benchmark-Erhebungen, Einblicke in Zahlen von Bewerbermanagement-Systemen, die Prozesse von Unternehmen und Jobbörsen eingeflossen. Mit dem Audit werden die Karriereseite samt Stellenmarkt und Online-Bewerbungsformular und den damit verbundenen Prozessen detailliert analysiert, auch unter Berücksichtigung der mobilen Zugriffsmöglichkeiten.

Effektivität und Effizienz der Recruiting-Organisation und des Recruiting-Prozesses werden aus der Perspektive der Recruiter, der Führungskräfte sowie der Bewerber (differenziert nach Bewerbern im Prozess und/oder eingestellten Bewerbern) betrachtet. Übergeordnet wird auch ein Blick auf Fragen der Recruiting-Strategie und -Philosophie geworfen, denn schließlich hat die Struktur (Organisation) der Strategie und Kultur zu folgen. Erst wenn alles zusammenpasst, können Spitzenwerte erreicht werden.

Sieben Ansatzpunkte für ein optimiertes Recruiting

Aufbauend auf den bereits durchgeführten Untersuchungen mit ihren jeweils identifizierten und dokumentierten Optimierungspotenzialen, lassen sich sieben konkrete Ansatzpunkte benennen, denen regelmäßig begegnet wird und die geeignet sind, plötzlich und spürbar Engpässe in der Personalgewinnung zu beseitigen. Mit diesen kleinen Optimierungen können Sie Großes ins Rollen bringen und für Ihr Unternehmen schneller und günstiger die richtigen Mitarbeiter gewinnen:

  1. Halten Sie Ihre Karrierewebseite aktuell. Bewerber möchten eine Vorstellung davon gewinnen, wie sich das Arbeiten für Ihr Unternehmen anfühlen könnte. Welche hilfreichen und aktuellen Informationen hierzu finden sich auf Ihren eigenen Seiten?
      
  2. Schaffen Sie für alle internen Beteiligten am Personalbeschaffungsprozess verbindliche Ziele, Zuständigkeiten und Reaktionszeiten – von der Erstellung der Stellenanzeige bis zum Onboarding. Vielerorts ist nicht klar, wer für was genau zuständig ist, wie schnell wer zu reagieren hat, wer wen vertritt oder wie und wann Prozesse eskalieren. Oft springen Bewerber ab, während die Fachabteilung nach Mitarbeitern ruft.
      
  3. Arbeiten Sie an der Schwachstelle Prebording – der Zeit von der Vertragsannahme eines Bewerbers bis zum Arbeitsbeginn. Bleibt in dieser Zeit der regelmäßige Kontakt zu den neuen Mitarbeitenden aus, werden diese oftmals unsicher, ob ihre Entscheidung zum Arbeitgeberwechsel richtig war. Gegen kurzfristige Absagen seitens der neu Eingestellten hilft nur eine enge und positive Kommunikation durch den neuen Arbeitgeber.
      
  4. Fragen Sie sich, welche Wertschätzung Ihr Recruiting wirklich erfährt. Kennt auch das Top-Management den Mehrwert eines guten Recruitings für den Unternehmenserfolg und handelt und entscheidet es dementsprechend? Welche Wertschätzung erfahren die Bewerber und neu eingestellten Mitarbeiter? Wer sich diesen Fragen nicht nähert, dem fällt es schwer, die Personalgewinnung zu optimieren.
      
  5. Halten Sie es wie Management-Vordenker Peter F. Drucker, der sagte: "Was man nicht messen kann, kann man nicht lenken." Das gilt auch für das Controlling des Recruitings. Häufig werden selbst die einfachsten Erfolgskennzahlen (KPIs) nicht erhoben: Kennzahlen zur Dauer des Besetzungsverfahrens, zu den erfolgreichsten Recruiting-Kanälen, Anzahl und Qualität der Bewerbungen pro Ausschreibung, die Gründe etwaiger Absagen seitens der Bewerber oder auch von Kündigungen. Nur wenige Unternehmen wissen, wie viele der Bewerbungen auf Mitarbeiterempfehlungen zurückzuführen sind. Wer die Zahlen im Griff hat, kann besser planen und steuern.
      
  6. Kümmern Sie sich um qualitative Daten: Wie steht es um die Bekanntheit und den Ruf Ihrer Arbeitgebermarke bei Ihren Zielgruppen? Gibt es eine differenzierte Wahrnehmung zwischen der Reputation Ihrer Unternehmensmarke und Ihrer Arbeitgebermarke? Welcher Ruf strahlt heller? Antworten dazu liefern Medien-Resonanzanalysen, Arbeitgeberbewertungsportale und vor allem die gezielte Befragung Ihrer Bewerber.
      
  7. Schaffen Sie mehr Digitalisierung im Prozess. Wenn das Recruiting auch vom Homeoffice gelingen muss, braucht es digitale Tools für die Bewerberkommunikation, die Kommunikation mit der Fachabteilung und den Auswahlprozessen auf Distanz. Das bietet auch für die Zeit nach der Coronapandemie die Chance, mit einem digitalen Recruiting-Prozess schneller und effizienter neues Personal zu finden und einzustellen.


Zu den Autoren: Dr. Wolfgang Jäger, Professor (em.) an der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden, ist langjähriger Fach- und Studienautor und hat den Recruiting-Excellence-Ansatz wissenschaftlich begleitet. Seine umfassenden Datensätze aus Unternehmen bilden die Grundlage für das Benchmarking. R. Matthias Olten ist bei der Jobware GmbH als Bereichsleiter Auditierung/Zertifizierung seit 2019 verantwortlich für das Recruiting-Excellence-Audit.


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Schlagworte zum Thema:  Recruiting, Digitalisierung, Onboarding