Teamarbeit: Keine kollektive Intelligenz ohne soziale Fähigkeiten

Ein Prinzip aus dem Tierreich lässt sich selten leicht auf die Wirtschaft übertragen. So ist auch die viel gerühmte Schwarmintelligenz entsprechend umstritten. Forscher vom MIT zeigen, warum  kollektive Intelligenz im Team oft überschätzt wird und wie man sie wirklich fördern kann.

Hat ein Team überhaupt eine generelle kognitive Fähigkeit? Diese Frage beantwortet Professor Thomas Malone vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit einem klaren "Ja" – ein Team habe prinzipiell die Fähigkeit zu kollektiver Intelligenz. Malone hat am Center for Collective Intelligence über die Schwarmintelligenz geforscht und einige Ergebnisse bei der Konferenz "Das demokratische Unternehmen" in München per Lifestreaming aus den USA vorgestellt.

Kritik von Gunter Dueck im Buch "Schwarmdumm"

Der Forscher zeigte in seinem Vortrag, dass die kollektive Intelligenz oft falsch verstanden wird: Die hohe Intelligenz Einzelner führe eben nicht gleich zu einer hohen kollektiven Intelligenz im Team, wenn man die Einzelnen zusammenbringe. Vielmehr korreliere die Intelligenz der Einzelnen nur schwach mit der kollektiven Intelligenz in einem Team.

Dieses Argument führt auch Gunter Dueck in seinem aktuellen Buch "Schwarmdumm" an. Der ehemalige IBM-Technologiechef erklärt darin, dass es vor allem auf die Freiwilligkeit bei der Teamarbeit ankäme, um im Kollektiv gute Arbeit zu leisten. Dueck führt als positives Beispiel Wikipedia an – der Klassiker unter den freiwilligen Projekten, die auf Schwarmintelligenz basieren. Er stellt in seinem Buch klar, dass man ohne die Freiwilligkeit und Begeisterung für das Ziel kein Team zu intelligenten Höchstleistungen bringen könne – ganz im Gegenteil: Gerade abteilungsübergreifende Teams in Unternehmen sind seiner Ansicht nach zum Scheitern verurteilt. (mehr dazu im Titelthema der "wirtschaft + weiterbildung", Ausgabe 03/2015).

Kollektive Intelligenz hängt von sozialer Intelligenz ab

Für Thomas Malone spielt weniger die Freiwilligkeit an der Projektarbeit eine Rolle. Er erklärte in seinem Kongressvortrag vielmehr, dass das soziale Wahrnehmungsvermögen der einzelnen Teammitglieder entscheidend sei: Wenn die einzelnen Teammitglieder über eine hohe soziale Intelligenz verfügen, können sie auch im Team eine höhere kollektive Intelligenz verfügen.

Malone testete in seinem Forscherteam das soziale Wahrnehmungsvermögen, indem die Probanden einem Menschen Emotionen zuordnen sollten, während sie nur seine Augenpartie sehen konnten. Dabei stellte sich heraus, dass Frauen durchschnittlich eine höhere soziale Wahrnehmungsfähigkeit haben als Männer. Die Forscher konnten dann auch belegen, dass die Teams mit mehr Frauen in den Tests besser abschnitten als Teams mit einem Männerüberschuss.

Solche interpersonellen Fähigkeiten scheinen wesentlich wichtiger für intelligente Teams zu sein als bisher gedacht. Denn sie spielen nicht nur in der "Face-to-Face"-Kommunikation im Team eine Rolle, sondern sie erhöhen auch die kollektive Intelligenz, wenn ein Team nur virtuell zusammenarbeitet. Dies hat das Forscherteam ebenso in der aktuellen Testreihe herausgefunden. Dabei zählte weniger das Emotionslesen in Gesichtern, sondern die allgemeinere Fähigkeit, Emotionen auch zum Beispiel aus E-Mails herauslesen zu können.

Partizipation an Entscheidungen fördert die Teamintelligenz

Ein weiterer wichtiger Hebel, der die kollektive Intelligenz fördert, ist laut Malone die Beteiligung an Entscheidungen. Denn wer über Entscheidungen ein echter Teilhaber sei, sei stärker betroffen und damit motivierter, so das Argument des MIT-Forschers. Ein Test belegte dies: Waren alle Teammitglieder in etwa gleichmäßig an einer Diskussion beteiligt, kam eine intelligentere Entscheidung zustande. Waren im Team eine oder mehrere sehr dominante Mitglieder, war die kollektive Intelligenz geringer.

In demokratischen Unternehmen sei dementsprechend eine Debatte unter Gleichen leichter umzusetzen – erst recht durch die entsprechenden Technologien für Abstimmungen, die auch die Kosten in der Kommunikation reduzieren könnten, so Malone. Für große Unternehmen sei dies eher schwierig, da es dort meist an demokratischen Strukturen mangele.

Demokratie allein ist kein Garant für kollektive Intelligenz

Allerdings sind auch demokratische Abstimmungen nicht immer ein Garant für gute Entscheidungen. Als Beispiel dafür führte Malone den Versuch eines Footballteams an: Die Teammanager ließen Fans über die Aufstellungen entscheiden. Das Ziel war, mehr Fans zu gewinnen und die kollektive Intelligenz für die Aufstellungsentscheidungen zu nutzen. Doch das Team zeigte eine stark unterdurchschnittliche Leistung in jener Saison. Die Schlussfolgerung: Der Schwarm hatte absichtlich eine schlechte Aufstellungen gewählt.

In einem ähnlichen Fall ließ ein Fußball-Club laut Malone auch die Aufstellung wählen und sogar Budgetentscheidungen und Spielerkäufe im Schwarm entscheiden. Der Unterschied: Jeder, der sich an den Entscheidungen beteiligen wollte, musste 50 Pfund für eine Mitgliedschaft zahlen. Dieses Experiment ging erfolgreich aus.

Malone zieht daraus den Schluss, dass demokratische Organisationen intelligentere Organisationen sein können – aber nur, wenn sie gut gemacht sind. Damit widerspricht er der grundlegenden Überlegung von Gunther Dueck: Der kommt in seinem Buch zu dem Schluss, dass Schwarmintelligenz in Unternehmen praktisch unmöglich ist.

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