Traube Tonbach führt die Vier-Tage-Woche ein

Ab April startet die Traube Tonbach eine Vier-Tage-Woche, zunächst im Restaurant Silberberg. Wie die Umsetzung funktionieren kann und weshalb es wichtig ist, zu signalisieren, dass sich in der Hotelgastronomie Beruf und Freizeit nicht ausschließen, erläutert Personalleiter Markus Volz.

Haufe Online-Redaktion: Herr Volz, die Traube Group beschäftigt in ihren vier Unternehmensbereichen, zu denen unter anderem ein Fünf-Sterne-Superior-Hotel und die bekannte Schwarzwaldstube in Baiersbronn gehören, über 450 Personen. Nun wollen Sie die Vier-Tage-Woche einführen. Für wie viele Beschäftigten soll diese gelten?

Markus Volz: Es ist ein Pilotprojekt, das zunächst für das Hotelrestaurant Silberberg gelten soll. Dort sind neun Vollzeitmitarbeitende in der Küche und acht im Service tätig. Wir gehen aber davon aus, dass das Arbeitszeitmodell erfolgreich sein wird und wir es auch in anderen Abteilungen umsetzen können. Allerdings müssen wir die jeweiligen Abläufe teilweise etwas anpassen. Im Housekeeping wird ein Thema sein, wann die Gäste kommen und gehen, um zu schauen, welche Zeitfenster es für das Reinigen und Vorbereiten der Zimmer gibt. Hier sind unsere Führungskräfte gefragt, um Lösungen für einen optimale Dienstplan zu finden. Aber wir sind guter Dinge, dass wir das nach und nach im ganzen Hotel umsetzen können.

Wir wollen zeigen, dass sich trotz aller Vorurteile in der Hotellerie Beruf und Freizeit nicht ausschließen. 

Haufe Online-Redaktion: Weshalb haben Sie sich zu diesem Schritt entschieden?

Volz: Uns ist es wichtig, mit der Vier-Tage-Woche zu zeigen, dass wir als Arbeitgeber eine echte Alternative sind, dass es sich lohnt, zu uns zu kommen und dass sich trotz aller Vorurteile in der Hotellerie Beruf und Freizeit nicht ausschließen. Wir versuchen, alles für die Mitarbeitenden möglich zu machen, was geht. Neben den Fachkenntnissen, die wir durch unsere Profis vermitteln, und individuellen Karriereoptionen innerhalb der Traube Group sind wir ein guter und moderner Arbeitgeber, der sich Gedanken macht, wie er in die Zukunft geht.

Bislang kannte die Luxushotellerie keine Vier-Tage-Woche

Haufe Online-Redaktion: In der Gastronomie und Hotellerie ist eine Vier-Tage-Woche eher ungewöhnlich.

Volz: Das stimmt: In unserem Segment, der Luxushotellerie, ist eine Vier-Tage-Woche völlig neu. Aber die Traube Tonbach hat in der Vergangenheit schon viel getan, um sich innerhalb der Branche abzuheben und den Bedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht zu werden. Was die Flexibilisierung der Arbeitszeiten anbelangt, sehen wir aber, dass es mehr Bedarf gibt. Da ist die Vier-Tage-Woche nur ein Bestandteil. Ein weiterer ist zum Beispiel die elektronische Arbeitszeiterfassung. Auch das ist in unserer Branche noch nicht überall etabliert. Wir wollen möglichst wenig Überstunden und dokumentieren genau, wann welche anfallen, damit die Mitarbeitenden diese in Freizeit umwandeln können. Parallel zur Vier-Tage-Woche führen wir ein neues Zeitwirtschaftssystem ein, das weitere Funktionen bietet: Die Beschäftigten können Urlaub per Smartphone buchen. Und es wird einen Marktplatz für Dienste geben, auf dem jeder sich diejenigen aussuchen kann, die für ihn gut passen.

Haufe Online-Redaktion: Welche Folgen hat die Vier-Tage-Woche für die Personalplanung? Wie können Sie sicherstellen, dass zu den jeweiligen Zeiten genügend Personal verfügbar ist? Und wie flexibel können die Mitarbeitenden arbeiten?

Volz: Unsere Mitarbeitenden können jetzt schon sehr flexibel agieren, indem sie ihre Arbeitszeitwünsche in den Dienstplan einbringen. Die Änderung ab April ist, dass sie drei Tage pro Woche frei haben. Am Anfang wird es sicherlich etwas Sand im Getriebe geben, bis sich alles eingespielt hat und ein Thema wird sein, offene Dienste zu besetzen. Das A und O ist, in die Teamstärke zu investieren. Wir führen die Vier-Tage-Woche nicht nur ein, weil wir einen Bedarf bei den Mitarbeitenden erkennen, sondern versprechen uns auch als Unternehmen etwas davon. Wir glauben, dass die Vier-Tage-Woche ein guter Anreiz ist, um neues Personal anzuwerben und unseren Pool an Beschäftigten vergrößern zu können. Wir haben für das nächste Jahr zusätzliche Stellen eingeplant und legen mit einer aktuellen Kampagne auch im Recruiting noch eine Schippe drauf.

Haufe Online-Redaktion: Wie sehr spüren Sie im Moment die Personalknappheit? Leiden Sie unter der "Beschäftigtenflucht" aus der Gastrobranche oder ist das Luxus-Segment davor gefeit?

Volz: Die Personalsituation hat sich durch die Coronapandemie verschärft, aber die Branche hat leider schon in den Jahren davor oft verpasst, an einer Imageverbesserung zu arbeiten. Es ist eine spannende Branche mit vielen interessanten Beschäftigungs- und Aufstiegsmöglichkeiten. Aber viele Arbeitgeber haben zu spät erkannt, dass sich die Bedürfnisse der Arbeitnehmenden geändert haben. Und die Unternehmen haben zu wenig getan, um das Vorurteil auszuräumen, dass Beschäftigte in der Branche keine Freizeit haben. Wir haben aus diesem Grund 2016 die Vereinigung "Fair Job Hotels" mitgegründet – ein Zusammenschluss geprüfter Hotels mit fairen Mitarbeiterstandards. Durch die Coronakrise mussten viele Mitarbeiter in Kurzarbeit gehen oder wurden vielleicht sogar gekündigt. Ich hatte viele Bewerbergespräche mit Personen, die sagten, dass sie gern zu uns kommen würden, aber dass ihnen die Situation in der Branche derzeit zu unsicher ist. Die Bewerberlage hat sich dadurch insgesamt stark verschlechtert, sowohl quantitativ als auch qualitativ.

Wir rekrutieren auch im Ausland. Heute sind wir deutlich bunter und internationaler als früher. 

Haufe Online-Redaktion: Wie reagieren Sie im Recruiting darauf?

Volz: Wir gehen neue Wege und versuchen, auch im Ausland zu rekrutieren. In Europa lassen sich nicht mehr so viele Personen finden, die ihr Land verlassen und für eine Anstellung in der Hotellerie nach Deutschland kommen wollen. Es gibt jedoch gut ausgebildete Menschen aus Nordafrika, die studiert haben und in ihrem Land keinen Job finden. Wir haben dieses Jahr drei Azubis aus Tunesien für das Hotelfach eingestellt, die einen tollen Background haben, aber in ihrem Land nicht Fuß fassen konnten. Wir beschäftigen auch einen Restaurantfachmann aus der Mongolei und nächstes Jahr kommen Restaurantfach- und Kochazubis aus Kirgistan und Vietnam zu uns. Heute sind wir deutlich bunter und internationaler als früher. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass für Menschen aus dem Ausland die Hotellerie eine wichtige Alternative zu ihrem bisherigen Lebensentwurf ist und wir ein geschätzter Ausbildungspartner sind.

Haufe Online-Redaktion: Und wie sieht es beim inländischen Nachwuchs aus?

Volz: Beim inländischen Nachwuchs hilft uns, dass die Traube Tonbach sich als Sprungbrett für Karrieren bewährt hat und wir durch viele bekannte Koryphäen geballtes Fachwissen im Unternehmen bieten können. Das sind wichtige USPs, die wir natürlich im Recruiting nutzen.

Die Arbeitszeit bleibt bei 40 Stunden für Vollzeit-Beschäftigte

Haufe-Online-Redaktion: Wie verändert sich die Arbeitszeit der Beschäftigten durch die Vier-Tage-Woche? Bleibt es bei 40 Stunden, die sich dann auf vier Tage verteilen?

Volz: Unsere Vollzeit-Beschäftigten bleiben bei einer 40-Stunden-Woche. Das hat damit zu tun, dass wir zwar einen Acht-Stunden-Tag haben, es aber zu Überstunden kommt, weil wir in der Gastronomie flexibel sein müssen. Diese Flexibilität müssen wir von unseren Mitarbeitenden erwarten. Deshalb haben wir gesagt, dass es eigentlich keinen großen Unterschied macht, ob wir fünfmal acht oder viermal zehn Stunden arbeiten. Wir werden die Stunden auch so gut voll bekommen. Die Möglichkeit für die Mitarbeitenden, Teilzeit zu arbeiten, ist weiterhin gegeben. Wir haben verschiedene Teilzeit-Modelle, finanzieren Weiterbildungsmaßnahmen und bieten auch Sabbatical-Programme an.

Haufe Online-Redaktion: Arbeitgeberleistungen, die man vor allem aus anderen Branchen kennt, aber nicht unbedingt aus der Gastronomie …

Volz: Ich habe auch in der Industrie gearbeitet. Da wurden variable Arbeitszeitmodelle als "Wahlarbeitszeit" groß angepriesen. Als ich in die Traube Tonbach zurückkam, habe ich gesehen, dass wir das alles schon haben, es allerdings nicht so stark beworben. Wir versuchen, für die Mitarbeitenden zu machen, was geht, und das Arbeitszeitmodell zu finden, das für sie passt. Wenn jemand partout keine Vier-Tage-Woche haben möchte, darf er oder sie auch in einer Fünf-Tage-Woche arbeiten. Die Vier-Tage-Woche ist nicht obligatorisch. Aber ich glaube, sie ist attraktiv für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Drei freie Tage pro Woche schaffen Mehrwehrt für Hobby und Work-Life-Balance. Wir haben viele Beschäftigte, die von weiter weg kommen. Für die ist es ideal, drei Tage nach Hause fahren zu können.

Haufe Online-Redaktion: Wird sich die Vier-Tage-Woche auf die Gehälter auswirken?

Volz: Von einer Reduzierung der Entgelte halten wir generell nichts. Es ist ein gängiges Vorurteil aus der Hotellerie und Gastronomie: "Da verdient man nichts." Aber das ist falsch. Wir achten nicht nur auf faire Arbeitsstandards und halten uns an die Tarifverträge, sondern sorgen auch für eine adäquate Bezahlung, damit unsere Mitarbeiter auch finanziell eine Wertschätzung erfahren. Es ist leider ein Irrglaube, dass man in unserer Branche keine Karriere und kein Geld machen kann.


Markus Volz ist seit 2020 Personaldirektor der Traube Tonbach in Baiersbronn. Nach seiner Hotelfachausbildung in der Traube Tonbach folgte eine Zeit als Personalsachbearbeiter, bevor er ein duales BWL-Studium mit Schwerpunkt Personalmanagement- und Dienstleistung absolvierte. Nach Abschluss war Volz mehrere Jahre als HR-Manager in der Industrie tätig. 


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