Elf Thesen zur Arbeitszeit der Zukunft
Millionen von Beschäftigte sind aktuell durch Corona gezwungen, ihre Arbeitszeit neu einzuteilen. Einer Umfrage von Stepstone zufolge wollen 83 Prozent der Mitarbeiter auch nach der Pandemie Arbeitsbeginn und -ende frei bestimmen können. Traditionelle Arbeitszeitmodelle scheinen damit an ihre Grenzen gekommen zu sein. Was zukünftig gelten könnte, hat das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) in elf Thesen zur Arbeitszeit der Zukunft zusammengefasst.
Elf Thesen zur künftigen Arbeitszeitgestaltung
1. Traditionelle Arbeitszeitmodelle stoßen an ihre Grenzen. Die Transformation der neuen Arbeitswelt erfordert zunehmend eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit. Der normale Arbeitstag mit einem Achtstundentag und einer Fünftagewoche verliert weiter stark an Bedeutung.
2. Arbeitszeiten müssen so flexibel und bedarfsgerecht gestaltet sein, dass sie Unternehmen im globalen Wettbewerb die notwendige Beweglichkeit einräumen und damit langfristig Arbeitsplätze sichern. Eine zukunftsfähige Ausgestaltung der Arbeitszeit ist ein wichtiges Instrument für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland.
3. "Doppelte Flexibilität": Die flexible und individuelle Arbeitszeitgestaltung, welche sowohl für Unternehmen als auch für Beschäftigte vorteilhaft ist, muss zwei Perspektiven gleichermaßen berücksichtigen: zum einen die betriebliche Flexibilität zur stets zuverlässigen und wirtschaftlichen Erfüllung von Kundenbedürfnissen und zum anderen die individuelle Flexibilität der Beschäftigten hinsichtlich einer lebenssituationsspezifischen Arbeitszeit, wie zum Beispiel bei der Betreuung von Kindern oder der Pflege kranker Angehöriger.
4. Echte Flexibilität ist nur mit Arbeitszeitkonten zu erreichen. Eine formal und organisatorisch im Unternehmen verankerte Flexibilität kann nur dann alle Potenziale entfalten, wenn eine Steuerung und Verwaltung der Arbeitszeit mithilfe von Arbeitszeitkonten vorgenommen werden.
5. Eine zunehmende Autonomie der Beschäftigten bei der Gestaltung von Arbeitszeiten, wie sie von Beschäftigten und Gewerkschaften gefordert wird, muss folglich auch mit einem "Mehr" an Verantwortung für die eigene Gesundheit und den Arbeitsschutz einhergehen.
6. Orts- und zeitflexibles Arbeiten gewinnt an Bedeutung, trägt maßgeblich zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei und ist somit ein wesentlicher Attraktivitätsfaktor für deutsche Unternehmen im Wettbewerb um Fachkräfte. Dabei sind die Potenziale noch lange nicht ausgeschöpft. Das ifaa geht davon aus, dass sich in Zukunft der Anteil der Beschäftigten, die orts- und zeitflexibel arbeiten werden, noch weiter stark erhöhen wird.
7. Eine weitere Flexibilisierung von Arbeitszeiten ist gewünscht und notwendig. Dies kann nur innerhalb zukunftsweisender gesetzlicher und/oder tariflicher Rahmenbedingungen, welche die aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen aufgreifen, umgesetzt werden.
8. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Schicht- und Nachtarbeit nimmt seit Jahren zu. Dieser Trend wird sich wohl auch mit der steigenden Nachfrage nach Dienstleistungen und dem Einsatz kapitalintensiver Produktionseinrichtungen weiter fortsetzen.
9. Für ergonomische Schichtplangestaltung ist die Berücksichtigung arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse nach wie vor unerlässlich. Um den Veränderungen der Arbeitswelt gerecht zu werden, sollten jedoch die neu gewonnenen arbeitswissenschaftlichen und arbeitsmedizinischen Ansätze und Erkenntnisse konstruktiv diskutiert und gegebenenfalls in die aktuellen und zukünftigen Diskussionen integriert werden.
10. Flexible, gesundheits- und bedarfsgerechte Schichtarbeit ist planbar. Schichtplangestaltung auf der Basis arbeitswissenschaftlicher Kriterien hat einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten. Dass gesunde und flexible Schichtmodelle planbar sind, zeigen die Ergebnisse einer ifaa-Studie aus dem Jahr 2019.
11. Es gibt kein Patentrezept für Arbeitszeitgestaltung. Zahlreiche Kombinationen von Kriterien und Aspekten, wie zum Beispiel Arbeitsorganisation, kurze Reaktions- und Lieferzeiten, Reaktion auf saisonale und konjunkturelle Auslastungsschwankungen, Chronobiologie, Alter, Geschlecht und ein persönliches Risikoprofil, sind ausschlaggebend für eine bedarfs- und gesundheitsgerechte Arbeitszeitgestaltung. Die Herausforderung auf betrieblicher Ebene liegt darin, die jeweiligen betrieblichen Anforderungen mit den Wünschen und Bedarfen der Beschäftigten abzugleichen und optimal aufeinander abzustimmen.
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