Umgang mit negativem Feedback

Alle reden von der Feedbackkultur, die sich in den Unternehmen etablieren müsse. Das Geschäft mit "Instant Feedback" boomt. Dabei ist Feedback geben - und nehmen - gar nicht so einfach. Reiner Leiter, Executive Coach beim Beratungsunternehmen Selecteam, gibt Tipps zum Umgang mit negativem Feedback.

Feedback ist nicht nur ein ehrlicher Austausch über persönliche Erfahrungen und Bewertungen. Es ist auch ein notwendiges Mittel zur Positionsbestimmung jedes Einzelnen. Deshalb gehören regelmäßige Feedbackgespräche in den meisten Unternehmen zum Pflichtprogramm. Führungskräfte stellen sich mindestens einmal jährlich in einer Review-Sitzung den Fragen und der Kritik ihrer Vorgesetzten. Auf der anderen Seite geben sie ihren direkt an sie berichtenden Mitarbeitern oft halbjährlich eine Rückmeldung zu ihrer Arbeit und ihrem Sozialverhalten. Theoretisch sind Feedbackgespräche also ein befruchtendes Element für jedes Unternehmen.

Der Umgang mit negativem Feedback fällt vielen schwer

Rein theoretisch. Die Praxis sieht in vielen Unternehmen aber ganz anders aus. In vielen Fällen ruft unangemessenes Feedback Widerstände auf allen Mitarbeiterebenen hervor. Sie zerstört gute Beziehungen zu Mitarbeitern, Kollegen oder auch Freunden. In einer Umfrage von 2014 beschwerten sich 55 Prozent der Arbeitnehmer, ihre letzte Leistungsbewertung sei unfair oder unzutreffend gewesen.

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Kritik kratzt am Selbstbild - auch wenn sie konstruktiv vorgebracht wird

Kritik einzustecken war noch nie einfach - so konstruktiv und gut gemeint sie auch sein mag. Sie wird in den meisten Fällen als verletzend empfunden und führt zu negativen, emotionalen Reaktionen. Gerade Führungskräfte, die auf offenes Feedback für ihre Persönlichkeitsentwicklung angewiesen sind, blocken häufig kritische Bemerkungen ab. Erst kürzlich hat eine Studie gezeigt, dass negatives Feedback bei Männern einen Leistungsknick hervorruft - anders als bei Frauen übrigens. Dabei hilft gerade Feedback, den sogenannten „blinden Fleck“ im Selbstbild zu verkleinern. Es ergänzt das Selbstbild durch das Fremdbild.

Welche Emotionen negatives Feedback auslöst

Die emotionalen Reaktionen entstehen dabei durch die Spannung zwischen zwei Grundbedürfnissen: Dem Bedürfnis zu lernen und sich weiterzuentwickeln, und dem Bedürfnis beachtet zu werden. Wenn jemand Kritik in den falschen Hals bekommt,

-       empfindet er den Inhalt als falsch,

-       hält er den Feedbackgeber für ungeeignet oder

-       fühlt er sich in seinem Selbstbild angegriffen.

Kritik bietet aber immer auch eine große Chance, wertvolle Informationen über sich selbst zu bekommen. Dazu muss man aber aktiv auf Kollegen, Vorgesetzte und Mitarbeiter zugehen und sie um Ratschläge und Coaching bitten. Und man muss bereit sein, sich mit den eigenen Emotionen auseinanderzusetzen. Nur wenn man entschlossen ist, aus jedem Feedback etwas zu lernen und Kritik als Lernchance zu nutzen, kann man sich persönlich weiterentwickeln.

Typische Reaktionen auf negatives Feedback

Von Kind an leben wir mit Feedback. Die Menschen haben dabei verschiedene, typische Muster entwickelt, auf Feedback zu reagieren:

  • Verteidigung auf der faktischen Ebene („Das stimmt doch gar nicht!“),
  • Kritik an der Art der Übermittlung („Musstest Du mir das ausgerechnet per E-Mail mitteilen?“),
  • Zurückschlagen („Du hast es gerade nötig, mir so etwas zu sagen.“),
  • Weglächeln von Kritik, obwohl man innerlich kocht,
  • in Tränen ausbrechen,
  • der Wut freien Lauf lassen.

Mit dem Wissen um das eigene Reaktionsmuster ist man in der Lage, sich selbst erst einmal zu beruhigen und sich zu fragen, ob man nicht überreagiert. Es ist in aller Regel hilfreich, die Sache erst einmal zu überschlafen. Mit ein wenig Abstand fällt es leichter, zu beurteilen und zu entscheiden, was man aus dem kritischen Feedback machen kann oder will.

Auch der Feedback-Empfänger muss zwischen Sach- und Personenebene trennen

Erfolgt die Reaktion auf ein Feedback auf der Beziehungsebene, fehlt die Grundlage für eine sachliche Beurteilung der Kritik. Automatisch verknüpft man das Feedback dem Sender gegenüber mit seinen Gefühlen. Dies macht jeden Lernprozess unmöglich. Um das zu verhindern, muss man sich bemühen, die Botschaft vom Botschafter zu trennen und beide Ebenen getrennt voneinander zu betrachten.

Negatives Feedback: Nachfragen ist wichtig

Um ein Feedback akzeptieren oder ablehnen zu können, muss man den Inhalt des Feedbacks verstehen. Auf welche konkrete Situation bezieht sich das Feedback? Ein so einfacher Rat wie „Tritt selbstbewusster auf“, ist eine komplexe Mischung von Beobachtung und Werturteilen. Durch Nachfragen erfährt man nicht nur, worauf der Feedbackgeber seinen Rat oder seine Kritik stützt. Aus der Nachfrage kann sich eine für beide Seiten wertvolle, hilfreiche Unterhaltung ergeben.

Feedback kann "blinde Flecken" aufdecken

Blinde Flecken sind Eigenarten, die jeder an uns wahrnehmen kann, die uns an uns selbst aber verborgen bleiben. Wir wissen, dass blinde Flecken existieren, weil wir sie problemlos an unseren Vorgesetzten, Kollegen oder unserem Partner beschreiben können.

Wenn ein Feedback wiederholt in die falsche Richtung zu weisen scheint, sollte man sich fragen, ob das auf einen blinden Fleck hinweisen könnte: „Wenn mir jemand sagt, dass ich distanziert wirke, bin ich überrascht. Ich nehme mich selbst als umgängliche Person wahr. Vielleicht gibt es da aber etwas, was ich nicht sehe. Was genau mache ich, das diesen Eindruck hervorruft?“ Dazu sollte man beobachten, wie der eigene Gesichtsausdruck, die Stimme, die Emotionen auf andere Menschen wirken und welche Reaktionen sie hervorrufen. Denn hier bewegen wir uns im klassischen Bereich der blinden Flecken.

Drei unterschiedliche Arten von Feedback

Es gibt drei unterschiedliche Arten von Feedback: Wertschätzung, Bewertung und Coaching. Eine Wertschätzung ist ein Lob – eine Anerkennung der geleisteten Arbeit. Eine Bewertung zeigt auf, wo man steht, was man zu erwarten hat und was von einem erwartet wird. Coaching bietet einem die Möglichkeit, etwas zu lernen, sich zu verbessern und in eine höhere Liga aufzusteigen.

Feedback als Coaching verstehen, Kritik als Chance nutzen

Nur zu oft stufen Menschen gut gemeintes Coaching als Bewertung ein. Doch wer glaubt, bewertet zu werden, fühlt sich häufig in seiner Identität angegriffen. Das weckt Ängste, die jedes Lernen im Keim ersticken können. Ernsthaftes, aufrichtiges Feedback sollte als Coaching verstanden, als Lernchance aufgefasst werden. Es lohnt sich, zu versuchen, die Hilfen und Ratschläge herauszuhören.

Feedback zum Feedback geben

Nicht selten bekommt man auch Feedback, mit dem man wenig anfangen kann. Das liegt daran, dass der Vorgesetzte – oder wer auch immer zu helfen versucht – über den Feedbackempfänger nicht sonderlich viel weiß. In diesem Fall empfiehlt es sich, das Gespräch mit dem Feedbackgeber zu suchen und ihn darüber aufzuklären,

  • was einem hilft,
  • was einen verletzt,
  • was einen motiviert,
  • was einen entmutigt,
  • an welchen Entwicklungen man arbeitet,
  • was man im Moment zurückstellen möchte.

Feedback sollte konkret und situationsbezogen sein

Feedback sollte immer so konkret wie möglich gegeben werden. Dazu eignen sich konkrete Situationen besonders gut. Jemandem die Wahrheit zu sagen, zeugt von Respekt. Wenn es gelingt, den Vorgesetzten davon zu überzeugen, dass einen nur ehrliches Feedback voranbringt, entfaltet Feedback den größten Nutzen. Dann kann auch Feedback mit negativem Inhalt zu einer positiven Reaktion führen.

Um Feedback bitten

Erfahrungsgemäß bringt Feedback einen Menschen weniger in emotionalen Aufruhr, wenn er ausdrücklich darum bittet. Es macht also keinen Sinn, auf die alljährliche Leistungsbeurteilung zu warten. Man sollte vielmehr über das ganze Jahr verteilt jede Gelegenheit nutzen, Feedback in kleinen Portionen von verschiedenen Personen einzuholen. Beispielsweise wenn man als Projektleiter erfolgreich eine Herausforderung gemeistert oder für den erkrankten Vorgesetzten vorübergehend die Abteilung geführt hat.

Untersuchungen belegen, dass Menschen, die ausdrücklich um kritisches Feedback bitten, im Durchschnitt bessere Leistungsbewertungen bekommen. Warum? Das liegt vor allem daran, dass jemand, der aktiv Feedback einfordert, eher bereit ist, ernsthaft an sich zu arbeiten. Wer um konstruktive Kritik bittet, vermittelt damit gleich mehrere Botschaften über sich selbst: Bescheidenheit, Respekt, Selbstvertrauen und den Ehrgeiz, sich zu verbessern.

Feedbackprozesse und -kultur verbessern

Feedback zu geben und Feedback anzunehmen, ist, wenn es für Unternehmen fruchtbringend sein soll, nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. In der Praxis tun sich noch zu viele Unternehmen mit dem Thema Feedback schwer. Ein professioneller Coach kann hier auf vielfältige Weise einen Beitrag zum Erfolg von Feedbackprojekten leisten. Zum einen kann er betroffenen Führungskräften und Mitarbeitern Unterstützung bei der Bewältigung des Feedbacks geben.

Zum anderen kann er den verantwortlichen Führungskräften dabei sekundieren, die Feedbackprojekte optimal zu gestalten. Zudem kann er ihre eigene Rolle und die der Feedbacknehmer reflektieren und optimieren. Und letztendlich ist er in der Lage, fachlich und methodisch bei der operativen Umsetzung von Feedbackprozessen Hilfestellung zu leisten.

Autor: Reinhard F. Leiter ist Executive Coach bei der Selecteam Deutschland GmbH, München.

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