Stress beim Lernen: Lieber locker bleiben
Stress beim Training kann nicht nur wie bereits bekannt den Lerneffekt, sondern auch die Sinneswahrnehmung der Lerner vermindern. Das ist das Kernergebnis einer aktuellen Studie der Ruhr-Universität Bochum (RUB).
"Dass Stress das Abrufen von Erinnerungen verhindern kann, war uns schon bekannt. Jetzt wissen wir, dass Stress auch einen deutlichen Einfluss auf unsere Wahrnehmung hat", sagt Neurowissenschaftler Hubert Dinse, einer der Studienautoren.
Stresshormon hemmt Lerneffekt
In der Studie, die in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Psychoneuroendocrinology" veröffentlicht ist, untersuchten die Forscher, wie sich nach einer Trainingsphase der Tastsinn von 30 Versuchsteilnehmern entwickelte. Die Hälfte von ihnen bekam während des Versuchs eine mittlere Dosis des Stresshormons Cortisol verabreicht, während die andere Gruppe ein Placebo einnahm.
Während die Placebo-Gruppe die Leistungsfähigkeit ihres Tastsinns wie erwartet um etwa 15 Prozent steigern konnte, verhinderte die Cortisolgabe bei der anderen Gruppe die Verbesserung des Tastsinns fast komplett.
In früheren Studien hatten Neurowissenschaftler bereits festgestellt, dass das Stresshormon die Verstärkung von synaptischen Verbindungen – und damit die Lernfähigkeit des Gehirns – hemmt. Die Bochumer Forscher vermuten daher, dass auch ihre Ergebnisse auf Veränderungen synaptischer Plastizität beruhen – also darauf, ob die Synapsen beim Lernen aktiv werden oder ob sie ruhen.
Herzklopfen erhöht Lerntransfer bei Führungskräften
Doch Stress ist – auch in Lernsituationen – nicht per se schlecht. Unter bestimmten Umständen kann er den Lernerfolg sogar steigern. So konnte eine Studie der Ashridge Business School zeigen, dass Führungskräfte dann leichter lernen, wenn sich ihr Herzschlag während des Lernprozesses erhöht. Um die Studienteilnehmer in eine Stresssituation zu bringen, hatten die Forscher sie mit Beispielen zu Konflikten, schweren Entscheidungen und unangenehmen Gesprächen konfrontiert.
Aus dem positiven Ergebnis in puncto Lerntransfer folgerten die Forscher, dass Fortbildungen echte Herausforderungen darstellen und auf emotionaler Ebene wirken sollten, um Erfolg zu haben. Je häufiger die Seminarteilnehmer ihre Komfortzone verlassen und die Aufregung realitätsnaher Problemstellungen in einem geschützten Raum erleben könnten, desto gelassener würden sie künftig Herausforderungen begegnen, so ihr Argument.
Stressmanagement will gelernt sein
Wichtig scheint hier die Tatsache zu sein, dass die Teilnehmer der Ashridge-Studie die Stresssituation in einem geschützten Raum erleben konnten. Denn offenbar will der Umgang mit Stress gelernt sein, damit er nicht als Belastung, sondern als Bereicherung empfunden wird.
Unter bestimmten Umständen kann Stress nämlich auch die Kreativität beflügeln. Diese These vertritt der Berater Oliver Maassen in seiner Kolumne - und belegt sie mit den Ergebnissen einer Harvard-Studie: Deren Teilnehmer sollten vor Publikum über ihre Schwächen sprechen und eine Matheaufgabe lösen, wobei die Zuhörer durchweg negative Rückmeldungen gaben und zum Beispiel die Augen verdrehten. "Die eine Hälfte der Probanden wurde durch einen Coach darauf vorbereitet, die zu erwartende Stressreaktion als Chance zu betrachten – also Atemlosigkeit und Schwitzen nicht als Zeichen von Angst zu begreifen, sondern als Hinweis auf die enorme Energie, die ihr Körper für den Auftritt aktivierte", schreibt Maassen. Infolgedessen seien die Gecoachten erheblich selbstsicherer aufgetreten als diejenigen, die dem Stress unvorbereitet begegneten.
Stressabbau im Team: Spiel statt Stress-Senker
Doch es muss nicht immer ein Anti-Stress-Coaching sein. Auch ein Gaming-Ansatz kann offenbar das Stresslevel in nervenaufreibenden Situationen senken. Das konnten Forscher der kanadischen McGill Universität im Jahr 2014 zeigen. Ausgangspunkt ihrer Studie war die Frage, warum es Teammitgliedern, die nur selten aufeinander treffen, oft an Empathie untereinander mangelt. Sie stellten fest, dass dafür ebenfalls ein erhöhter Stresspegel verantwortlich ist.
Die Lösung dieses Problems kann in der Theorie ein chemischer Stress-Senker sein. Im Teamkontext wäre dies aber wohl eine eher wenig praktikable Methode. Die kanadischen Wissenschaftler empfehlen stattdessen ein simpleres und gesünderes Anti-Stress-Programm: Ein einfaches gemeinsames Spiel reicht demnach aus, um einen Menschen von der "Fremdgruppe" in die "Freundesgruppe" einzuordnen und diesem Empathie entgegen zu bringen.
Stress steckt an – Humor kann dagegen helfen
Ein weiterer kostenloser Stresssenker ist früheren Studien zufolge Humor: Eine US-Studie aus dem Jahr 2014 hat gezeigt, dass Stress am Arbeitsplatz damit effektiv bekämpft werden kann. In einer Studie mit Feuerwehrmännern stellten die Forscher fest, dass Humor als eine Art Puffer zwischen traumatischen Erlebnissen auf der einen und post-traumatischen Belastungsstörungen und Burnout auf der anderen Seite wirken.
In besonders stressigen Berufen ist dies auch deshalb besonders wichtig, weil Stress erwiesenermaßen ansteckend ist: Es genügt, einen gestressten Menschen zu beobachten – und der eigene Körper schüttet das Stresshormon Kortisol aus. Das hat ein Wissenschaftler-Team vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig der Technischen Universität Dresden festgestellt.
Humor steigert den Lernerfolg und verbessert Beziehungen
Dass Humor nicht nur gegen Stress hilft, sondern auch allgemein den Lernerfolg steigert, konnten in der Vergangenheit bereits verschiedene Studien zeigen. Gemeint damit ist damit natürlich kein derber Schenkelklopferhumor, der im schlimmsten Fall einige Lerner bloßstellt. Was Weiterbildner und Führungskräfte beim Humoreinsatz beachten sollten, lesen Sie hier.
Neben dem Lerneffekt können humorvolle Führungskräfte übrigens auch bessere Beziehungen zu ihren Mitarbeitern aufbauen. Das zeigt eine Studie, die Mannheimer Psychologen im Jahr 2015 veröffentlicht haben. Kein Wunder, dass Humorexperten wie Eckart von Hirschhausen fordern, dass Unternehmen das Thema "Humor" ernst nehmen sollten (hier lesen Sie ein Interview mit von Hirschhausen).
Doch nicht nur entspannte, humorvolle Führungskräften können den Mitarbeitern beim Thema "Stressmanagement" als Vorbild dienen: Auch ältere Kollegen sind laut einer Studie der Uni Münster aus dem Jahr 2015 wahre Zen-Meister – von ihnen zu lernen heißt Stress vermeiden lernen. Warum? Auch das haben die Münsteraner Wissenschaftler erforscht: Ältere gehen demnach berufliche Probleme aktiver an und reduzieren so langfristig Stress.
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