Wie Personaler von Politikern das Verhandeln lernen

Wenn man eines von der Politik lernen kann, dann ist es ganz sicher die zielführende Verhandlungstaktik. Ob Lagerkämpfe oder Kuhhandel, auch Personaler können ihre Verhandlungsführung anhand dieser Beispiele verbessern. Politikwissenschaftler Torsten Jörg Selck erklärt wie.

Haufe Online Redaktion: Ein Kuhhandel soll die Zustimmung der FDP zum Betreuungsgeld erbracht haben. Wenn Personaler zum Beispiel mit dem Betriebsrat verhandeln: Wie müssen sie vorgehen, um ihre Interessen auf diese Weise durchzusetzen?

Torsten Jörg Selck: Es müssen mindestens zwei Themen gefunden werden: Eines, das für den ersten Akteur wichtiger ist und ein anderes, das eine höhere Salienz für den zweiten Akteur aufweist. Dann ist eine Einigung möglich. Relevant hierbei ist natürlich, inwiefern diese Art von Themenkoppelung von Dritten – etwa der Wählerschaft in der Politik oder aber der Mitarbeiterschaft in einem Unternehmen – als legitim oder illegitim und damit als negativ konnotierter "Kuhhandel" wahrgenommen wird.

Haufe Online Redaktion: Auch Lagerkämpfe, wie sie der US-Präsident Barack Obama dank der Parteienkonstellation in Senat und Repräsentantenhaus vor sich hat, können in Unternehmen entstehen. Wie verhalten sich Personaler geschickt, wenn sie selbst zwischen den Lagern vermitteln müssen?

Selck: Hier gilt es, zunächst zu ermitteln, ob eine Einigung bezüglich des Themas, um das es geht, überhaupt möglich ist – zum Beispiel im Rahmen einer 50/50-Lösung, oder aber ob das "Gut" prinzipiell als unteilbar gilt, wie zum Beispiel die rivalisierenden  Territorialansprüche im Mittleren Osten. Falls die Möglichkeit der Themenkoppelung – wie oben beschrieben – durch das Hinzuziehen weiterer Verhandlungsthemen gegeben ist und als legitim erscheint, sollte sie auch eingesetzt werden.

Haufe Online Redaktion: Eine dritte Situation ist die Verhandlung über Nachfolger. Vor kurzem sorgte die frühe Vorstellung des SPD-Kanzlerkandidaten für Kritik. Wie geht ein Personaler strategisch gut vor, wenn er einen Nachfolger für eine bedeutende Position im Unternehmen vorschlagen und ins Amt bringen will?

Selck: Prinzipiell wäre hier die Frage zu klären, welches Ziel erreicht werden soll. Die Politikwissenschaft unterscheidet zwischen "Office Seeking" und "Policy Seeking"; im Steinbrück-Beispiel wäre also die Frage, inwiefern ein bestimmter Kandidat primär deswegen gekürt wird, um eine Wahl zu gewinnen oder aber zwecks erfolgreicher Politikgestaltung. Für die SPD problematisch ist hierbei, dass Steinbrück zwar prinzipiell für viele Deutsche wählbarer ist als ein weiter links stehender Kandidat, dass sein ideologischer Abstand aber relativ groß ist sowohl zum durchschnittlichen SPD-Bundestagsabgeordneten als auch zum durchschnittlichen Abgeordneten des anvisierten Koalitionspartners, den Grünen: Das formale Mandat nützt nur dann, wenn man die eigenen Leute hinter sich weiß. Das Ergebnis meiner Auswahl muss also gewährleisten, dass der Kandidat meine Interessen hinreichend vertritt und dass er sowohl für die Kür selbst als auch für die darauf folgenden Entscheidungen mehrheitsfähig ist.

Prof. Dr. Torsten Jörg Selck ist Professor für Vergleichende Analyse Politischer Systeme am Institut für Sozialwissenschaften der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Er beschäftigt sich mit politischen Institutionen, Verfassungs- und Gesetzgebungspolitik, Public Policy, Organisationstheorie, EU-Politik, Außenpolitikanalyse und Verhandlungstheorien.


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