Stress im Joballtag: Das Drehbuch selbst schreiben
Stress ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Im Zuge von Globalisierung, Digitalisierung und Dynamisierung im Joballtag genauso wie im Spitzensport, wo es "immer schneller, weiter und höher" heißt und oft Zentimeter über Sieg oder Niederlage entscheiden. Wie schnell es gehen kann, dass übermäßiger Stress durch Leistungsdruck sowie Mobbing zu einer Depression führen, hat Babak Rafati, ehemaliger Fifa- und DFB-Schiedsrichter, am eigenen Leib erfahren. Der heute 50-Jährige beging 2011 vor einem Bundesligaspiel einen Suizidversuch, seine Schiedsrichterassistenten fanden Rafati noch rechtzeitig in seinem Hotelzimmer.
"Wenn Sie anderen die Schuld geben, geben Sie ihnen automatisch die Macht" – Ex-#Bundesliga-Referee Babak #Rafati auf der #ZPE20Virtual zu Leistungsdruck und #Stressmanagement im #Job
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"Ich bin ein Paradebeispiel für typisch falsche Denkmuster in unserem Berufsalltag", sagte Rafati bei seiner virtuellen Keynote am "Corporate-Health-Tag" der Zukunft Personal Europe. Der Titel des Vortrags "Wer ist die Ursache für unseren Stress? Job, Chef, Kollegen, Leistungsdruck oder sogar wir selbst?" war schnell beantwortet. An die Zuhörer appellierte er, die Ursache von Stress nicht bei anderen, sondern bei sich selbst zu suchen: "Wenn Sie anderen die Schuld geben, geben Sie ihnen automatisch die Macht." Rafati spricht aus Erfahrung: Nach mehreren Schiedsrichter-Fehlentscheidungen, bei denen es teilweise um Zentimeter ging, habe er von seinen Chefs keinen Rückhalt gespürt. In Telefonaten hätte sein Vorgesetzter Druck auf ihn ausgeübt, besser zu pfeifen. Daneben habe die Öffentlichkeit und Presse "draufgehauen". In einem schleichenden Prozess sei er depressiv geworden.
Selbstbestimmung ist im Umgang mit Stress wichtig
Dennoch habe er immer versucht, allen Ansprüchen von außen gerecht zu werden. "Ich glaube, das kennt jeder: Prestige, Image, was denken andere? Aber wo waren die alle, als ich damals fast im Grab gelegen bin?" Selbstbestimmung sei daher im Umgang mit Stress sehr wichtig: "Heute weiß ich, dass mir absolut niemand weh tun kann. Ich selbst habe es damals zugelassen. Ich allein und nicht meine Chefs waren dafür verantwortlich, was damals im Hotelzimmer passiert ist – schließlich hatte ich und nicht sie das Blut unter den Fingernägeln."
Energie aufnehmen, entwaffnen, Sinnlosigkeit aufzeigen
Es ginge jedoch auch nicht darum, alles runterzuschlucken. Vielmehr sollten laut Rafati die Menschen die Energie des Gegners – zum Beispiel die eines Vorgesetzten, der einen gerne einmal bloßstellt – aufnehmen, ihn entwaffnen und ihm im dritten Schritt die Sinnlosigkeit seines Handelns aufzeigen, ohne ihn dabei zu verletzen. Dazu führte Rafati eines seiner vielen anschaulichen Beispiele an: "Winston Churchill, ehemaliger Premierminister von Großbritannien, kommt in einen großen Saal mit 1.000 Gästen. Dann stellt ihn eine Frau bloß und sagt: 'Wenn Sie mein Mann wären, würde ich Ihnen Gift in den Kaffee machen.' Churchill antwortet: 'Gnädige Dame, wenn Sie meine Frau wären, hätte ich den Kaffee glatt getrunken'."
Ich habe über den Schiedsrichter-Job meinen Selbstwert gezogen und konnte nicht loslassen.“
Neben der Selbstbestimmung seien unter anderem Resilienz und eine klare Kommunikation wichtige Charaktereigenschaften, um Stress zu vermeiden. Außerdem sei die Fähigkeit, bei Problemen auch mal loslassen zu können – zum Beispiel bei Mobbing im Unternehmen zu kündigen – eine wichtige Fähigkeit. "Ich hatte zu der Zeit als Schiedsrichter auch noch einen sehr guten Job als Führungskraft in einer Bank. Das habe ich gar nicht gesehen, weil ich über meinen Schiedsrichter-Job meinen Selbstwert gezogen habe und ich nicht loslassen konnte."
Verpflichtende BGM-Maßnahmen zur "Fortbildung der Persönlichkeit"
Um diese Fähigkeiten zu erlangen, sei eine "Fortbildung der eigenen Persönlichkeit" unabdingbar. "In vielen Unternehmen ist das Problem, dass Maßnahmen zum betrieblichen Gesundheitsmanagement, wie beispielsweise der Vortrag eines Psychologen, für die Mitarbeiter freiwillig sind. Da gehen die meisten Menschen nicht hin, weil sie sagen, das interessiert sie nicht. Der Arbeitgeber sollte - sagen wir einmal pro Woche - verpflichtende Seminare anbieten, beispielsweise mit einem Psychologen." Außerdem sprach sich Rafati dafür aus, bereits im Jugendalter anzusetzen und in der Schule Psychologie und Sozialwissenschaften als Unterrichtsfächer einzuführen.
Keynote von Rafati auf der ZPE Virtual kommt gut an
Der emotionale Vortrag, mit Videoeinspielungen sehr abwechslungsreich gestaltet, sorgte für Gänsehautmomente und kam bei den Zuschauern dementsprechend gut an: Im Live-Chat gab es reichlich positives Feedback. Konstant zwischen 300 und 400 Zuschauer waren während des Vortrages live zugeschaltet. Die Keynote, von der auch ZPE-Moderatorin Margitta Eichelbaum "tief beeindruckt" war, schloss Rafati mit dem Satz ab: "Es liegt immer an unserem eigenen Drehbuch, nicht an anderen."
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