Deloitte setzt auf Präsenzlernen im neuen Bildungscampus

Wenn es um die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden geht, scheut Deloitte offenbar vor großen Investitionen nicht zurück: Die Wirtschaftsberatung hat in der Nähe von Paris einen neuen  Bildungscampus eröffnet. Worum es in den angebotenen Programmen geht und warum Präsenzveranstaltungen für Deloitte auch in Zeiten von E-Learning unersetzlich bleiben, erklärt Chief People Officer Sandra Mühlhause.

Personalmagazin neues lernen: Deloitte hat insgesamt sechs unternehmenseigene Deloitte Universitys verteilt über den Globus: in Kanada, den USA, Singapur, Indien, Mexiko und seit Kurzem auch in Europa. Wie kam es zu der Entscheidung, einen Bildungscampus in der Nähe von Paris zu errichten?

Sandra Mühlhause: Bisher hatte die Deloitte University im EMEA-Raum kein eigenes Gebäude; wir hatten stattdessen eine Kooperation mit einem Hotel in Belgien. Doch die Investition in einen europäischen Campus sehen wir als Investition in die Zukunft. Dabei wurden viele verschiedene Aspekte beachtet, darunter Nachhaltigkeit und gute Erreichbarkeit des Standorts. Die Entwicklung des Campus begann bereits 2011. Durch die Coronapandemie war es zwischendrin schwierig, den ursprünglichen Zeitplan einzuhalten, aber im Großen und Ganzen lief alles gut und wir konnten den Standort im Juni eröffnen.

Sandra Mühlhause 2024

Führungskräfteentwicklung aus eigenem Hause

neues lernen: Welche Lehrveranstaltungen werden angeboten?

Mühlhause: Den Großteil der Lehrveranstaltungen machen unsere Meilenstein-Programme aus, mit denen wir unsere Führungskräfte weiterbilden. Diese gibt es für die vier Führungsebenen Manager, Senior Manager, Director und Partner. Immer, wenn Mitarbeitende sich in die nächste Führungsebene weiterentwickeln, haben sie die Möglichkeit, an einem Meilenstein-Programm teilzunehmen. Sie lernen, was das Besondere an ihrer neuen Rolle ist und zudem die typischen Leadership-Skills: sich selbst zu führen, ein Team zu führen und den Umgang mit Kundinnen und Kunden. Das Curriculum umfasst Themen wie Industriesimulationen und Verhandlungstechniken, aber auch Beziehungsmanagement und Empathie-Training – alles Fähigkeiten, die unsere Führungskräfte im Kontakt mit Kundinnen und Kunden, aber auch mit ihrem Team tatsächlich brauchen. Abseits der Meilenstein-Programme vermitteln wir an der Deloitte University auch Industriewissen, das ist aber eher ein kleinerer Teil.

neues lernen: Wie lange dauern die Weiterbildungsprogramme?

Mühlhause: In der Regel dauern die Präsenzmodule nicht länger als dreieinhalb Tage, mit ein bis drei Übernachtungen. Wir haben Kapazitäten von 260 Betten. An dem Tag, an dem die eine Kohorte gerade fertig wird und eine andere ankommt, ist Bettenwechsel. Das heißt, wir können rund 500 Kolleginnen und Kollegen gleichzeitig bewirtschaften.

neues lernen: Wer sind die Dozierenden?

Mühlhause: Am Campus unterrichten unsere eigenen Führungskräfte – wir bilden die jeweils nächste Generation selbst aus. Die Dozierenden eines Programms sind in der Führungsebene jeweils mindestens ein Level höher als die Teilnehmenden und haben demnach Industrie- und Fachwissen direkt aus der Praxis, das sie an ihre Kolleginnen und Kollegen weitergeben. Unsere Führungskräfte sind sehr engagiert, viele von ihnen unterrichten schon seit Jahren an der Deloitte University, und das ehrenamtlich. Die investierte Zeit lohnt sich für sie: Sie bekommen mit, was außerhalb ihrer eigenen Bubble stattfindet und können sich mit den Teilnehmenden austauschen. Das ist viel wert.

Blended-Learning-Journeys

neues lernen: Warum braucht es in Zeiten von E-Learning noch einen Campus zu Präsenzlernen?

Mühlhause: Unter anderem genau aus dem eben genannten Grund: Austausch. Zudem sind die angebotenen Programme nicht singulär zu sehen. Es handelt sich um einen Blended-Learning-Ansatz: Die Teilnehmenden bereiten sich durch E-Learning-Programme auf das Programm am Campus vor und bekommen teilweise auch für danach noch Aufgaben zur Reflexion und um das Gelernte in den Praxisalltag umzusetzen. Zwischen all dem ist uns das Thema Präsenz sehr wichtig. Wir haben in den vergangenen Jahren zwar gesehen, das Online-Veranstaltungen gut funktionieren, aber auch, dass es nochmal eine ganz andere Erfahrung ist, wenn man sich persönlich trifft.

Laut dem 70:20:10-Modell besteht eine Learning Journey nur zu zehn Prozent aus dem, was ich im Training lerne. 70 Prozent passieren on the job, wenn ich das Gelernte im Berufsalltag anwende, und 20 Prozent im Austausch mit anderen. Genau diese 20 Prozent fördern wir auf dem Campus; deswegen haben wir auch keine Fernseher auf den Zimmern, die Leute sollen sich unterhalten und vernetzen. Zudem gibt es Sportangebote. Wir sind der Meinung, dass man nicht den ganzen Tag in einem geschlossenen Raum lernen kann, sondern dass auch Wellbeing dazugehört. Das merken die Mitarbeitenden und fühlen sich wertgeschätzt.

Bindung von Mitarbeitenden und Vernetzung

neues lernen: Ist der Campus also auch eine Maßnahme zur Bindung von Mitarbeitenden?

Mühlhause: Sicherlich auch, aber nicht primär. Wir sehen, dass der Effekt deutlich stärker spürbar ist, als wir es vielleicht am Anfang gedacht haben. Wir bieten den Teilnehmenden ein Rundum-Paket, vom Transport-Service zum Campus bis hin zur Komplett-Verpflegung, an alles ist gedacht. Das macht was mit ihnen: Sie spüren, dass sie dem Unternehmen wichtig sind.

neues lernen: Auf dem Campus begegnen sich dann wahrscheinlich auch Kolleginnen und Kollegen, die sich sonst nicht begegnet wären.

Mühlhause: Auf jeden Fall. Der Campus bedient die komplette EMEA-Region und wir haben allein in Deutschland 16 Standorte. An der University begegnen sich oft Personen, die sich noch nie gesehen haben, obwohl sie im nahezu gleichen Umfeld tätig sind, aber der eine zum Beispiel in München und die andere in Kopenhagen oder in Madrid.

neues lernen: Was ist also das Hauptziel des Campus?

Mühlhause: Erfolgreich sind wir dann, wenn wir eine gute Auslastung haben und vielleicht sogar merken, dass wir noch mehr Kapazität brauchen. Das Gebäude ist dazu geeignet, weiter zu expandieren. Außerdem haben wir qualitative KPIs: Wir messen den Lernerfolg und das Feedback der Teilnehmenden. Dafür bauen wir gerade ein System auf und haben eine Software entwickelt, mit der wir diese Dinge koordinieren und managen. Zudem arbeiten wir an einem KPI-Dashboard, damit wir unserer Partnerschaft zeigen können, dass es sich lohnt, ihre Leute auf den Bildungscampus zu schicken. Weil sie sich dort wirklich weiterentwickeln und damit auch das Unternehmen weiterbringen.


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