Wie Führungskräfte ihre Stimme als unterstützendes Instrument einsetzen können
Am 16. April 1999 rief ein interdisziplinäres Team aus Ärzten, Sprachtherapeuten und Gesangslehrern einen Welttag ins Leben, um auf ein oft unterschätztes und vernachlässigtes Phänomen aufmerksam zu machen: unsere Stimme. Fakt ist: Die Stimme ist unsere akustische Visitenkarte, sie spiegelt die Persönlichkeit wider. Sie ist trotz aller elektronischen Kommunikationswege heutzutage immer noch ein wichtiges und einflussreiches Medium. Vor allem Führungskräfte sollten die Wirkung ihrer Stimme als Erfolgsfaktor nicht unterschätzen. Kurzum: Der Ton macht die Musik.
Die Stimme ist wie ein Instrument. Sie kann aufgewärmt, eingestellt und gestimmt werden, damit sie ihren vollen Klang entfaltet. Denn auch das schönste Klavierstück hört sich schlimm an, wenn die Töne unpassend sind. Andersherum kann eine einfache Melodie mit einem gut gestimmten Instrument wunderbar klingen. Im beruflichen Kontext heißt das: Die richtige Stimme im Mitarbeitergespräch hat einen großen Einfluss auf die eigene Wirkung als Führungskraft. Dabei ist es oft wichtiger, wie etwas gesagt wird, als was genau gesagt wird. Worte können mitunter täuschen, aber die Art zu sprechen verrät sehr viel über die eigene Einstellung und Führungsqualitäten.
Die Stimme als Ausdruck der Persönlichkeit
Wenn man eine Person zum ersten Mal hört, ohne sie je gesehen zu haben, hat man meist bereits ein erstes Bild von ihr: Die Stimme zeigt, wer wir sind. Gleichzeitig können Führungskräfte und auch Mitarbeitende ihre Stimme schulen, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen. Das ist besonders wichtig im Mitarbeitergespräch oder in Konfliktsituationen, wo die Beteiligten schnell unter Stress geraten. Denn dann klingt die Stimme oft höher und angespannter, als es der Situation zuträglich ist.
Die körperliche Anspannung führt dann gelegentlich zu einem unbeabsichtigt hohen oder sogar schrillen Ton und beeinflusst auch das Gegenüber. Doch ein bewusster Stimmeneinsatz kann gelernt werden. Das Ziel: Die Stimme souverän zu führen.
Stimme und Gleichberechtigung im Job
Die Art und Weise, wie Menschen klingen, bestimmt demnach nicht nur, wie man bei der Arbeit wahrgenommen wird. Sie wirkt sich mitunter auch darauf aus, ob man den Job überhaupt bekommt und wie viel man verdient. Dass wir Menschen aufgrund ihrer Stimme bevorzugen, ist ein unbewusster Prozess, auf den wir wenig Einfluss haben. Generell empfinden Menschen sowohl bei Männern als auch bei Frauen tiefere Stimmen als angenehm. Diese signalisiert Kompetenz, schafft Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Aber das Konzept dahinter ist problematisch, denn es beruht oftmals auf einer veralteten Vorstellung von Stärke und Durchsetzungskraft. Ein Klassiker: Maskuline Stimmen können besser führen, hellere Stimmen signalisieren hingegen Unsicherheit und Schutzbedürftigkeit.
Doch diese genderspezifische Einteilung ist heutzutage nicht mehr ganz so verbreitet wie noch bei früheren Generationen, doch es gibt sie nach wie vor. Frauenstimmen sind in den letzten Jahrzehnten tiefer geworden. Die Ursache liegt auch im veränderten Rollenbild der Frau. Frauen sind heutzutage selbstbewusster, beruflich erfolgreich, führen Unternehmen und verdienen mehr Geld. Doch die unbewusste Voreingenommenheit hält sich leider immer noch, auch in der Wahrnehmung und dem Einsatz der Stimme.
Zunächst ist daher wichtig, dass Führungskräfte, egal welchen Geschlechts, um die Wirkung ihrer Stimme wissen und sich im Klaren darüber sind, welche Signale sie mit ihr aussenden wollen und welche nicht. Eine starke Stimme und lebendige Satzmelodie übermitteln beispielsweise Klarheit, Entschiedenheit und Durchsetzungsvermögen.
Tipps, wie Führungskräfte ihre Stimme trainieren und einsetzen können
Die folgenden fünf Tipps zeigen, wie Führungskräfte die eigene Stimme gezielt trainieren und als Führungswerkzeug einsetzen können.
1. Das richtige Tempo
Ein dynamisches, zielgerichtetes Grundtempo wird grundsätzlich als charismatisch empfunden. Variieren Sie das Sprechtempo: mal etwas langsamer und eindringlicher, mal etwas schneller und leidenschaftlicher. Machen Sie bewusst Pausen am Ende eines Gedankens, dies gibt dem Mitarbeitenden die Möglichkeit, das Gesagte zu verarbeiten und zu verstehen. Sie können sich merken: Die Pause unterstreicht die Botschaft und verstärkt die Wirkung des Gesagten.
2. Körpersprache
Sehr oft wird unsere Kompetenz durch eine klare, wohlklingende Stimme wahrgenommen. Eine entsprechende Körperhaltung unterstützt das. Achten Sie auf einen aufrechten Stand: Sie werden feststellen, dass dadurch eine tiefere Atmung und damit eine Unterstützung der Stimme möglich sind. Tragen Sie den Kopf aufrecht, als trügen Sie eine Krone. Sie gewinnen mehr Volumen in der Stimme und klingen präsenter.
3. Empathisch sprechen
Akzeptanz, Zuhören und Verständnis sind der Schlüssel zu einem Dialog auf Augenhöhe und führt zu einem wertschätzenden Umgang mit anderen Menschen. Die innere Haltung prägt den Stimmklang. Gerade als Führungskraft ist es daher wichtig, empathisch zu reagieren und Offenheit zu bewahren. Versuchen Sie, die andere Denkweise und die Gefühle des anderen nachzuvollziehen und zu akzeptieren – auch im Hinblick auf die Wirkung Ihrer Stimme.
4. Laut oder resonant?
Versuchen Sie nicht, Ihre Stimme lauter zu machen, als sie ist – das erzeugt meist Enge im Rachen und damit eine gepresste Stimme. Wirkungsvoller ist es, wenn Sie resonant, also mit anderen Worten entspannt sprechen. Versuchen Sie, im Brustbereich Vibrationen zu spüren – damit können Sie sicher sein, dass die Stimme tragfähig ist, ohne dass Sie im herkömmlichen Sinne "laut" sein müssen.
5. Die innere Stimme
Für Führungskräfte ist es wichtig, Verantwortung zu übernehmen und einen ruhigen Kopf zu bewahren, wenn die Dinge mal nicht nach Plan laufen. Hören Sie in unsicheren Zeiten auf Ihre Intuition: Diese hat einen Einfluss darauf, wie Sie klingen. Die innere Einkehr, ein Moment der Ruhe, ein tiefer Atemzug macht es Ihnen möglich, auf sich und Ihre Erfahrung zu hören. Die daraus resultierende Stimme vermittelt Ruhe und Zuversicht.
Der Weltstimmtag 2024
Das Motto des diesjährigen Weltstimmtages lautet "Resonate. Educate. Celebrate!“. Es bezieht sich darauf, in Resonanz zu treten, miteinander zu sprechen, Einfluss zu nehmen, und natürlich auch die Freude am Sprechen und der Stimme nicht zu vergessen. So ist das Instrument Stimme ein wunderbares und freudvolles Instrument, das natürlich besonders Führungskräften eine tolle Gelegenheit bietet, mit ihren Mitarbeitenden in einen wertschätzenden und sinnstiftenden Dialog zu treten.
Das Motto des diesjährigen "Welttags der Stimme" erlaubt aber auch eine metaphorische Interpretation, die für Mitarbeitende besonders wichtig ist. Es geht beim Feiern der Stimme auch darum, die eigene Stimme zu erheben. Es ist wichtig, sich und die eigene Stimme auch und gerade bei unangenehmen oder kontroversen Themen einzusetzen, beispielsweise zu den Themen Geschlechtergerechtigkeit oder Diversität. Gerade in solchen Situationen ist es das Ziel, Herausforderungen stimmlich zu meistern und gemeinsam eine Lösung zu finden. Mit einer wohlklingenden Stimme kann dies gelingen.
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