Von der Einführung des digitalen Lernens erhoffen sich viele Unternehmen, dass ihre Mitarbeiter von selbst loslegen mit dem Lernen. Idealerweise sollen sie selbst erkennen, welche Fähigkeiten ihnen gerade fehlen und diese ergänzen. Darauf vorbereitet sind sie nicht.
"Employee-Led Learning" gehört zum Workplace Learning
In einem ihrer jüngsten Artikel umschrieb die englische E-Learning-Expertin Jane Hart vom Center for Learning & Performance Technologies dieses selbstgesteuerte Lernen mit dem Begriff "Employee-Led Learning" (ELL), das unbedingt zum modernen Workplace Learning gehöre, aber nicht genügend Beachtung finde.
Unter ELL versteht Hart ausdrücklich nicht nur, aus eigenem Antrieb Lernbibliotheken zu nutzen, die das Unternehmen zur Verfügung stellt und die auf der Learntec in diesem Jahr vielfach nachgefragt wurden. Es gehe auch nicht nur darum, eigenständig Kurse auszuwählen und zu absolvieren.
Viel Geld in E-Learning, Learning-Management-Systeme investiert
Hart geht es um mehr. Sie will Menschen befähigen, ihr persönliches und berufliches Lernen selbst organisieren und managen zu können. Es gehe darum, selbst zu erkennen, in welchen Bereichen das eigene Wissen und die eigenen Fähigkeiten auszubauen seien und wie dieses individuell passend zu geschehen habe.
Und genau da drückt der Schuh. Denn im Grunde haben wir in den vergangenen Jahren das Pferd von hinten aufgezäumt. Viel Geld wurde für E-Learning-Technik ausgegeben und in umfangreiche Learning Managementsysteme investiert. Man entwickelte neue Lernformate und Kurse, bildete E-Trainer aus, verbesserte die Qualität des Angebots.
Vielen fehlt noch die Kompetenz zum selbstgesteuerten Lernen
Ins Hintertreffen geriet dabei ein entscheidender Punkt: Nicht jeder, ob Fließbandarbeiter oder Akademiker, beherrscht das selbstgesteuerte Lernen, hat die Kompetenz, das eigene Lernen zu organisieren und zu managen.
Bislang bereitet weder die Schule darauf vor, noch die Ausbildung und erst recht nicht das weitgehend verschulte Bachelor-System. Das Bildungssystem verändert sich langsam, darauf zu warten, haben Unternehmen im internationalen Wettbewerb keine Zeit. Sie müssen selbst aktiv werden.
Lernbegleiter unterstützen Mitarbeiter beim selbstgesteuertem Lernen
Das kann zum Beispiel bedeuten, Lernbegleiter zu etablieren, die Mitarbeiter dabei unterstützen, ihr Lernen selbst zu organisieren und Rahmenbedingungen schaffen, in denen das möglich ist. Die als eine Art Coach helfen, individuelle Lernziele zu formulieren und die passenden Lernressourcen zu identifizieren.
Sie müssen gleichzeitig zulassen, fordern, fördern und belohnen, dass Lerner die Eigenverantwortung für ihr Lernen übernehmen. Es kann auch bedeuten, bevorzugt solche Mitarbeiter zu fördern, die ihre Lernbereitschaft und -fähigkeit bereits gezeigt haben, im Betrieb oder außerbetrieblichen Aktionen, die als neugierig und wissbegierig gelten.
Selbstgesteuertes Lernen bringt selbstbewusste Mitarbeiter hervor
Unternehmen müssen sich allerdings bewusst sein, dass eine auf Eigenverantwortung und selbstgesteuertes Lernen ausgerichtete Lernkultur im Unternehmen keine Mitarbeiter hervorbringt, die stumpf ihren Job machen und nicht über den eigenen Tellerrand hinausblicken.
Es werden vielmehr unabhängigere, selbstbewusstere Mitarbeiter sein. Das müssen sie zulassen und wollen.
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