Im Team richtig kommunizieren

Eine positive Gesprächskultur ist die Basis für erfolgreiche Zusammen­arbeit im Team. Dabei sind alle gefragt: Führungskräfte, Meeting­verantwortliche und jeder Einzelne. Einige Tricks, um die Gesprächskultur im Team zu verbessern.

In Gruppenarbeiten ergänzen sich unterschiedliche Kom­petenzen. Sie machen ein Team stark. Was dabei oftmals übersehen wird: Wenn unterschiedliche Charaktere und Meinungen zusammentreffen, wird es manchmal emotional herausfordernd.  Der Puls kann höher schlagen, wenn der detailgetreue Kollege auf seine Exceltabellen verweist und den Blick auf das große Ganze verliert. Die Kollegin hat diesen Blick auf das große Ganze zwar, ist aber nicht offen für Details, eher genervt davon. Der eine ist introvertiert, die andere ist extrovertiert und bemerkt dabei nicht, wenn sie damit andere in die Flucht und Zurückhaltung treibt, sodass deren Ideen keinen Platz finden. 

Im besten Fall ergänzen sich Charaktere und Kompetenzen, im dümmsten Fall bringen sie sich gegenseitig zur Weißglut. Zumindest zum Köcheln. Schon das reicht aus, dass Lösungen nicht das beste Ergebnis sind, sondern lediglich das pragmatischste, das in dieser Konstellation gefunden werden konnte. Denn manche stecken um des lieben Friedens willen zurück, oder es wird eine schnelle Entscheidung getroffen, um Zeit zu sparen, oder die Selbstbewussten setzen sich mit ihrem Vorschlag durch, der nicht unbedingt der beste ist. Das Potenzial, das im Team steckt, wird so verschenkt. 

Positive Gesprächskultur ohne Schubladendenken

Gefährlich ist es auch, wenn Teammitglieder sich gegenseitig in klare Persönlichkeitskategorien einordnen. Zum einen sind die meisten Typenmodelle wissenschaftlich ohnehin nicht fundiert – und führen zu falschen Zuschreibungen wie: "Sie ist Delfin, ist doch klar, dass sie mal wieder dagegen hält.", "Er ist eben Wal, will mal wieder dazugehören". Zum anderen ist eine eindeutige Kategorisierung eine Verzerrung. Wer sich auf fluktuierende Persönlichkeitsmodelle versteift, übersieht die Vielschichtigkeit einer einzigen Persönlichkeit und ihrer Möglichkeiten. In einigen Unternehmen steht die Farbe der Persönlichkeit sogar auf dem Tisch oder ist auf die Tür geklebt, sodass gleich klar sein soll: "Das ist der Faktentyp, mit dem musst du so reden." Menschen haben dann keine Möglichkeit mehr, sich aus ihrer Zuschreibung heraus zu entwickeln und ihre volle Persönlichkeit zu zeigen. Persönlichkeitsmodelle sind solange sinnvoll, wie sie eine Hilfestellung geben, andere zu verstehen, wie sie nicht überschätzt werden und keine Stigmatisierung stattfindet. 

Um das Potenzial als Team also auszuschöpfen, ist es notwendig, sich von Schubladen zu befreien und eine positive Gesprächskultur zu etablieren, die das Entwickeln von Ideen und das Einbringen jedes Teammitglieds ermöglicht.

Quicktipps für Team-Meetings

In einer positiven Gesprächskultur kommt jeder angstfrei zu Wort und kann sich einbringen. Diskussionen werden nicht im Keim erstickt, unterschiedliche Perspektiven sind ausdrücklich erwünscht und werden ausgetauscht.

Blitzlicht:

In einem Blitzlicht gleich zu Beginn eines Meetings kommt jedes Teammitglied kurz zum Thema zu Wort. Die Regel ist: Der Reihe nach, jeder maximal eine Minute. So werden Menschen, die gerne viel reden, gestoppt und Menschen, die sich eher zurückhalten, sofort eingebunden. Der positive Effekt ist, dass Menschen, die gleich am Anfang zu Wort kommen, sich auch später eher trauen, sich einzubringen. Sie haben bereits Präsenz gezeigt und wurden von ihren Kollegen und Kolleginnen gesehen. Zusätzlich sind alle Perspektiven einmal gehört und im Raum. Das Blitzlicht kann auch als "Meinungs-Blitzlicht" zwischendurch oder am Ende als Feedback eingebunden werden.

Check-in:

Eine Alternative zum Blitzlicht ist zu Beginn der "Check-in". Er ist keine Meinungsabfrage, sondern jedes Teammitglied sagt in kurzen Worten, wie es ihm geht – gestresst, müde, voller Tatendrang. So wird eine möglicherweise gedämpfte Stimmung einer Person nicht als Desinteresse am Thema oder gar am Team fehlinterpretiert. Zusätzlich durfte sich jede und jeder seinen Emotionen Luft verschaffen, sodass es leichter fällt loszulassen und produktiv zu sein.

Wertfreies Brainstorming:

Besonders selbstkritische Menschen haben oftmals nicht den Mut, in der Gruppe ihre Ideen vorzustellen, weil sie Bedenken haben, dass diese nicht gut genug sind. Deshalb halten sie sich zurück und ärgern sich später, wenn jemand anders etwas Ähnliches vorgeschlagen hat, was für gut befunden wurde und umgesetzt wird. Manchmal werden Ideen tatsächlich direkt bewertet, was vorhandene Ängste verstärkt. Beim wertfreien Brainstorming werden alle Ideen gesammelt und verschriftlicht, egal wie absurd sie zunächst einmal klingen mögen. Das ermöglicht eine angstfreie Beteiligung aller und schafft Raum für Kreativität.

Kommunikative Kompetenzen entwickeln: Beispiele

Für eine gesunde Diskussionskultur sind nicht nur die Führungskraft und der jeweilige Meeting-Moderator gefragt, sondern alle Beteiligten selbst. Wir alle haben es zu einem großen Teil selbst in der Hand, wie überzeugend wir unsere Ideen präsentieren und wie überzeugend wir selbst als Person wahrgenommen werden – ob von Kolleginnen, Vorgesetzten oder Kunden. Wer mit seinen Ideen ernst genommen werden möchte, braucht rhetorische Überzeugungskraft. Sie lässt sich mit folgenden Tipps entwickeln:

1. Selbstentwicklung: Authentizität alleine reicht nicht

"Ich brauche keine Rhetorik – ich bin authentisch, das reicht und das ist das Wichtigste." Für manche konkurrieren Authentizität und Rhetorik. Das Authentischste in wichtigen Gesprächen wäre allerdings manchmal, aus dem Raum zu rennen und sich unter der Bettdecke zu verkriechen oder dem anderen impulsiv und ohne Grenzen die Meinung zu geigen. Wir können authentisch ängstlich, authentisch unverschämt, authentisch langweilig und ganz authentisch unwissend und unvorbereitet sein. Professionell ist das allerdings nicht.

Rhetorik ist nicht dazu da, jemandem die Authentizität zu nehmen, sondern im Gegenteil jemandem zu ermöglichen, in herausfordernden Situationen überhaupt authentisch zu sein. Und zwar auf seine beste Art.

Als Kinder war es für uns nicht authentisch, mit Messer und Gabel zu essen. Irgendwann haben wir es gelernt und es wurde authentisch. Geben Sie also Neuem eine Chance, dass es irgendwann authentisch werden kann.

2. Pragmatismus statt "Stuhlkreisgefahr"

Wer erfolgreich mit anderen diskutieren möchte, braucht zwei Kompetenzen: Auf der einen Seite Sensibilität, um anderen nicht vor den Kopf zu stoßen, und auf der anderen Seite Pragmatismus, um nicht zu empfindlich in jedes Wort einen Seitenhieb hineinzuinterpretieren. Eine zu große Sensibilität und Empfindlichkeit behindert Diskussionen. Sätze wie "Das muss man mal logisch sehen", "Vernünftig betrachtet ist es anders …" werden Ihnen in fast jeder Diskussion begegnen. Viele stürzen sich darauf wie Fliegen auf einen Misthaufen. Wenn Sie aber sofort darauf anspringen und jede Kleinigkeit ausdiskutieren wollen, machen Sie Diskussionen kompliziert. Und Sie eröffnen einen Streit auf einer zweiten Ebene, nämlich der Metaebene, auf der Sie sich darüber streiten, wie Sie miteinander reden: "Bleib doch mal sachlich." – "Du hast doch angefangen, bleib du doch sachlich". 

Wer jede kleinste Spannung sofort anspricht und in einer Ich-Botschaft erklären möchte, wie er sich fühlt, wird schnell zum unangenehmen und komplizierten Gesprächspartner. Ich-Botschaften sind wunderbar, doch nicht zu jeder Zeit und in jeder Situation. In der Kommunikationspsychologie wird das unbedingte Streben nach einem verletzungsfreien Raum auch "Stuhlkreisgefahr" genannt. Immer auf der Hut, wann wer verletzt werden könnte. Das ermöglicht keine freie, klare Diskussion. Setzen Sie einen gesunden Pragmatismus dagegen. Springen Sie nicht auf alles an, sondern lassen Sie manche kleine Misthaufen erst einmal liegen. 

3. Überzeugen mit der TAF-Technik

Wenn Sie von einem Standpunkt überzeugen möchten, von dem Sie genau wissen, dass das Gegenüber ihn nicht teilt, haben Ihre Argumente – egal, wie gut sie sind – schlechte Chancen. Denn sobald Sie das Thema ansprechen, gehen die Schotten runter und Ihr Gegenüber wird bei allem, was Sie sagen, ein "Ja, aber" im Kopf haben. Der "Disconfirmation Bias" wirkt: Das Streben danach, etwas zu widerlegen, sobald es der eigenen Überzeugung widerspricht. Eine Tatsache ist dann vielleicht nur ein Gerücht und die von Ihnen angeführten Studien zu klein oder zu alt. 

Das können Sie vermeiden, indem Sie das rote Tuch – Ihren Standpunkt – solange wie möglich für sich behalten. Sie ändern die Reihenfolge und steigen nicht mit Ihrem Standpunkt ein, sondern halten sich an TAF: T wie Teaser kündigt das Thema an, ohne es konkret zu nennen, am besten in Form eines Vorteils. Wenn Sie beispielsweise von einer bestimmten Software überzeugen möchten, von der Ihr Gegenüber bisher gar nichts hält, klingt das so: "Es geht darum, unsere Grafikergebnisse zu verbessern". Erst dann folgt A wie Argumente: "Für das Farbdesign ist eine hohe Farbgenauigkeit notwendig. Außerdem ist es optimal, wenn jeder im Team einen Zugriff auf die aktuellen Ergebnisse hat und diese auch noch unterwegs im Zug kurzfristig bearbeiten kann, sodass wir auf dem aktuellsten Stand sind. Und wir brauchen einen optimalen Schutz vor Viren." Erst dann rücken Sie mit F wie Folgerung heraus: "Das alles leistet die Software von XY".

Gerade wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, sollten wir mit­einander reden, statt vorschnell Grenzen zu ziehen.

Vielleicht hat Ihr Gegenüber bei dem ein oder anderen Argument sogar zustimmend genickt – es gab ja keinen Grund, im Widerstand zu sein. Dann wäre es für ihn jetzt umso unangenehmer, seiner vorherigen Zustimmung gänzlich zu widersprechen. Führen Sie ihn wie durch einen Trichter hin zu Ihrem Standpunkt. 

Was eine positive Diskussionskultur verhindert

Einige Respektbremsen verhindern eine positive Diskussionskultur. Sind sich alle Beteiligten dieser Bremsen bewusst, fällt es leichter, auch bei gänzlich unter­schiedlichen Meinungen respektvoll zu bleiben.

  1. Asymmetrie der Wahrnehmung: Wir merken es sofort, wenn jemand uns respektlos behandelt. Wenn wir das selbst mit anderen tun, bemerken wir das weniger. Gegenmaßnahme "Perspektiv­wechsel": Wie würde ich mich fühlen, wenn jemand so mit mir sprechen würde, wie ich es gerade mit meinem Kollegen getan habe?
       
  2. Fundamentaler Attributionsfehler: Wenn eine andere Person ein Fehl­ver­halten zeigt, schreiben wir das eher ihrem fehlerhaften Charakter zu, zum Beispiel wenn jemand un­pünktlich ist. Machen wir selbst etwas falsch, sind zum Beispiel unpünktlich, dann hatten wir einen guten Grund. Gegenmaßnahme "Positive Unter­stellung": Was ist die positivste Erklärung für das Verhalten der anderen Person?  
       
  3. Hohe Erwartungen: Menschen, die sehr viel Wert auf Respekt legen, sind nicht unbedingt die angenehmeren Gesprächspartner. Manchmal sogar im Gegenteil, nämlich dann, wenn für sie Respekt bedeutet, hohe Erwartungen an andere zu stellen, wie die sich zu verhalten haben. In diesem Fall gibt es viel mehr Fett­näpfchen, in die andere hineintreten können. Menschen sind aller­dings unter­schied­lich: Manche verstehen unter Respekt, sich zu duzen, um Augen­höhe zu signalisieren oder sich nicht die Hand zu geben, um gesund­heitlich Rücksicht zu nehmen. Für andere ist es genau das Gegen­teil. Respekt bedeutet nicht, eigene Normen und Werte von anderen zu erwarten, sondern die Normen und Werte anderer zu akzeptieren. Gegenmaßnahme "Bewusstsein": Kommu­nikation funktioniert dann, wenn wir es aushalten, dass andere anders sind als wir. 

Unterschiedliche Meinungen verbessern das Ergebnis

Wer ein paar rhetorische Techniken kennt, schafft es, die eigenen Ideen in bestem Licht darzustellen und sich positiv und mindestens gleichwertig in Diskussionen einzubringen. Das stärkt die Selbstwirksamkeit und die Lust, im Team zu arbeiten. Das Einbringen aller Standpunkte ist wichtig. Jede Perspektive zählt, wenn es um hervorragende Teamergebnisse geht. Beruflich und privat gilt: Gerade dann, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, sollten wir miteinander reden, statt vorschnell Grenzen zu ziehen, unsere Perspektiven erweitern und anderen zuhören. Denn schon Churchill soll gesagt haben: "Wenn zwei Menschen immer die gleiche Meinung haben, ist einer von ihnen überflüssig."
 

Dieser Beitrag ist erschienen in personalmagazin neues lernen, Ausgabe 3/2024, das Fachmagazin für Personalentwicklung. Als Abonnent haben Sie Zugang zu diesem Beitrag und allen Artikeln dieser Ausgabe in unserem Digitalmagazin als Desktop-Applikation oder in der App personalmagazin - neues lernen.


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