Schnell mal die Teambalance checken
Die Mitarbeiterzufriedenheit messen, die Attraktivität als Arbeitgeber erhöhen, die Effizienz und Produktivität im Team steigern, als Führungsebene schnell auf Probleme reagieren, die Organisation weiterentwickeln oder die Integration von Teams bei einer Übernahme oder Fusion überwachen – die Gründe, warum Unternehmen sich für eine Software für Mitarbeiterbefragungen und speziell Teamentwicklung entscheiden, sind ebenso vielfältig wie die Ausprägungen der Softwarelösungen und haben durch die Pandemie an Gewicht gewonnen. Die meisten Teams sehen sich kaum mehr persönlich vor Ort am Arbeitsplatz, Remote Work ist der Trend der Stunde bei vielen Beschäftigten und das Führen auf Distanz erschwert die Kontrolle.
Das Google Projekt "Aristoteles"
Wie lässt sich also ein perfektes, selbstorganisiertes Team bilden und ein Maximum an Effektivität erreichen? Diese Frage beschäftigte Google bereits vor über zehn Jahren. Das Unternehmen hatte die Arbeit und auch das Sozialverhalten der Mitarbeitenden mit allen Facetten genau analysiert und gemessen, war aber noch zu keiner abschließenden Lösung gekommen. Mit einem Projekt unter dem Code-Namen "Aristoteles" sollten die Gründe für den Erfolg und Misserfolg der Teams daher genauer untersucht werden.
Google engagierte Forscher, die anhand von Studien nach den Wirkmechanismen für erfolgreiche Teams suchten. Es ging darum, aus den Daten der Untersuchungen der seinerzeit 180 Teams Muster für deren Erfolg zu generieren, die sich möglichst leicht übertragen lassen. Das Ergebnis enttäuschte den Konzern zunächst, denn die eigentliche Zusammensetzung von Teams, also der Background der einzelnen Teammitglieder, ob diese zum Beispiel alle hervorragende Abschlüsse und Ausbildungen hatten oder nicht, ließ keine Rückschlüsse auf den Teamerfolg zu.
Weitere Studien ergaben, dass diejenigen Teams besonders erfolgreich waren, bei denen sich die Mitglieder nicht nur über die anstehende Aufgabe austauschten, sondern die private Informationen und Emotionen teilten und in denen alle ungefähr den gleichen Redeanteil hatten. Diese Teams hatten eine Kultur der psychologischen Sicherheit entwickelt, einen Begriff, den Amy Edmondson, Professorin an der Harvard Business School, geprägt hat.
Psychologische Sicherheit beschreibt demnach ein Gruppenklima, das sich durch zwischenmenschliches Vertrauen und gegenseitigen Respekt auszeichnet, in dem Menschen sich damit wohlfühlen, sie selbst zu sein, in dem sie sich nicht verstellen müssen und in dem sie ihre Ängste und Befürchtungen ohne Bedenken äußern können. Fehlt die psychologische Sicherheit, behalten Teammitglieder ihre Ideen sicherheitshalber für sich und trauen sich nicht, eine andere als die Mehrheitsmeinung zu äußern. Sie können ihr Potenzial nicht entfalten und das Teamergebnis leidet.
Aus allen eigenen und überprüften Studien heraus identifizierte Google anhand der ermittelten Daten schließlich folgende Kriterien, die ein effektives Team ausmachen:
- Psychologische Sicherheit: Die Mitglieder eines Teams fühlen sich sicher genug, um sich verletzlich zu zeigen und Risiken einzugehen.
- Zuverlässigkeit: Die Teammitglieder schaffen es, ihre Aufgaben in der vorgegebenen Zeit zu erledigen.
- Struktur und Klarheit: Die Teammitglieder haben klare Rollen, Pläne und Ziele.
- Sinn: Den Teammitgliedern ist ihre Arbeit wichtig.
- Wirkung: Die Teammitglieder wissen, dass ihre Arbeit bedeutsam ist und Veränderungen bewirkt.
- Das Google-Projekt "Aristoteles" bildet damit heute noch eine Grundlage, auf die sich viele Angebote zur Entwicklung effektiver Teams beziehen.
Hier finden Sie eine Marktübersicht der Anbieter für Teamentwicklungs-Software.
Achtsamkeit im Fokus
Bei Comparative Agility, einem weltweit tätigen Anbieter von Software für die Teamentwicklung, gehört die von Amy Edmondson entwickelte Umfrage zum Thema "Psychological Safety" zu den Bestsellern der zahlreichen Umfrage-Templates. Mit Fragen und zu bewertenden Aussagen wie zum Beispiel "Ist es leicht, andere Teammitglieder um Hilfe zu bitten?", "In diesem Team ist es einfach, schwierige Fragen und Probleme zu diskutieren" oder "Mitglieder in diesem Team wertschätzen und respektieren die Beiträge der anderen" soll gemessen werden, wie hoch das Gefühl der psychologischen Sicherheit bei den Beteiligten ist und wie es sich im Detail darstellt.
Mit dem eigens entwickelten "Team-Mind-Assessment" als Online-Tool arbeitet das Consulting-Unternehmen Awaris. "Wir befinden uns mitten in einer heftigen Wohlbefindenskrise", sagt Silke Rupprecht, Forschungsleiterin bei Awaris. "In der virtuellen Welt müssen wir viel besser lernen, uns bewusst aufeinander einzustimmen und dafür müssen wir uns die Zeit nehmen", ergänzt Chris Tamdjidi, Geschäftsführer und Gründer des Consulting-Unternehmens. In einer Studie der Boston Consulting Group etwa habe man herausgefunden, dass die Produktivität sehr viel deutlicher abgenommen haben, wenn die Menschen unzufrieden waren als wenn sie sich gut vernetzt gefühlt hätten. "Jeder weiß, wie wichtig die Stimmung im Team ist, aber nicht, wie man das Thema angehen kann. Die klassische Teamentwicklung ist in der virtuellen Welt sehr deutlich reduziert und erschwert", ist Tamdjidi überzeugt. Der Name seines Unternehmens ist daher Programm. Awaris leite sich ab aus Awareness, Achtsamkeit. Mit einem klassischen Achtsamkeitstraining lasse sich die kollektive Intelligenz dagegen bereits um 13 Prozent steigern, so das Ergebnis einer Studie von Awaris und BCG.
Das Ziel: ein perfektes, selbstorganisiertes Team bilden und ein Maximum an Effektivität erreichen.
Der Weg: Per App die Stimmung und Leistung in Echtzeit im Team erfassen und Tipps zur Entwicklung geben.
Tamdjidi setzt deshalb auch nicht allein auf die Umfrage per Software, in der die Gewohnheiten und "Shared Mental Models" der Teams erfasst und ausgewertet werden. Vielmehr wird den Kunden im Anschluss ein virtuelles Team-Mind-Training oder Team-Mind-Lab für bis zu 25 Teams einer oder mehrerer Organisationen für virtuelle und hybride Teams angeboten. In den sechs virtuellen Workshops geht es um den sukzessiven Aufbau und das Verankern neuer Verhaltensweisen sowie um psychologische Sicherheit. Ganz wichtig ist Tamdjidi, dass Teams lernen, sich für ganz einfache Dinge Feedback zu geben und den positiven Austausch zu institutionalisieren. "Virtuelle Teams brauchen Rituale, um den Austausch sicherzustellen", ist der Awaris-Gründer überzeugt. Ähnlich wie agile Teams sollen daher hybride Teams zehn bis 15 Prozent ihrer gemeinsamen Zeit mit dem Wie der Zusammenarbeit verbringen.
Modell für die Team Performance
Bei Haufe-Umantis in St. Gallen war die eigene Erfahrung die Initialzündung für die Entwicklung einer Teamentwicklungs-Software. "Bei Haufe-Umantis arbeiten wir in selbstorganisierten Teams und haben gemerkt, dass uns etwas fehlt", sagt Marketing-Managerin Rahel Maag. Gefragt war eine Softwarelösung, mit der sich die Zusammenarbeit im Team generell messen lässt, sowie die Kollaboration mit entsprechenden Maßnahmen zu verbessern. Zusammen mit der Hochschule für Technik Stuttgart habe ihr Team anderthalb Jahre geforscht, über 100 Studien organisiert und zahlreiche Interviews mit Agilitätsexperten wie Scrum Master und Führungskräften geführt. Aus den Ergebnissen habe man zwölf Erfolgsfaktoren – von Zielklarheit über Spaß und Motivation im Team bis hin zur Teamautonomie und Rollenklarheit – für eine gute Zusammenarbeit ermittelt. Die anonyme Auswertung und die Teilnahmequote für den Umfragezeitraum sehen die Teammitglieder im Dashboard. Hier sind auch Trends zu erkennen; die Veränderung einzelner Faktoren über die Zeit. Empfehlungen für konkrete Verbesserungsaktionen und die entsprechenden Anleitungen liefert die Cloud-Lösung direkt mit. "Das hatte bislang niemand", so Maag. Empfohlen wird, die Umfragen einmal pro Woche durchzuführen. Zum teaminternen Dashboard gibt es ein "Team of Teams"- Dashboard mit allen Teams einer Organisation. "Das macht sichtbar, wie es den einzelnen Teams innerhalb einer Organisation gerade geht. Die Herausforderungen, die von allen Teams innerhalb einer Organisation erlebt werden, werden so an einem Ort identifiziert", erläutert Rahel Maag. "Die anonyme Darstellung ermöglicht ein Benchmarking innerhalb der Organisation, in dem das Vertrauen innerhalb der einzelnen Teams weiterhin gewährleistet wird."
Teampact ist als Tool gedacht, das Teams eigenständig anwenden und damit ihre Entwicklung fördern können. "Wir verfolgen den Ansatz, dass Teams ihre Konflikte, so es sie gibt, eigenständig lösen können", bekräftigt Maag.
Teamentwicklung mit Spaß
Damit die Umfragen für die Teammitglieder nicht zu einer zusätzlichen Belastung werden, setzen viele Anbieter auf intuitiv zu beantwortende Fragen, übersichtliche Balkendiagramme und Zeichnungen, bunte Farben und Smileys, ein selbsterklärendes User Interface und/oder Gamification. Bei Mondayrocks etwa wird das Team auf einem Spielfeld aufgestellt, um die Zusammensetzung und die Teamdynamik sichtbar zu machen. Die Umfragen selbst können auf dem Smartphone beantwortet werden und sind damit von Zeit und Ort unabhängig. Vielfach gibt es auch fertige Integrationen in bereits vorhandene Software-Lösungen wie MS Teams und Slack oder zumindest eine entsprechende Schnittstelle.
Viele Anbieter stellen die Einstiegsversionen der Software über ihre Webseiten kostenlos zur Verfügung. Der Einstieg wird so leicht wie möglich gemacht. Da die Tools vornehmlich als Cloud-Lösung und Software-as-a-Service angeboten werden und im Browser oder als Web-App laufen, muss nichts extra installiert werden. Eine verantwortliche Person im Team muss sich lediglich registrieren, um einen Link zur Umfrage zugeschickt zu bekommen. Das kann eine Standard-Umfrage sein oder aber – je nach Anbieter – auch eine speziell auf eine Gruppe oder ein Thema zugeschnittene Vorlage. Der Link zur Umfrage wird im Team verteilt und die Teammitglieder nehmen alle einzeln daran teil. Die Auswertung der Umfragen erfolgt anonymisiert, das heißt, die Teammitglieder erfahren nicht, wer welche Antworten gegeben hat, können aber das Ergebnis zu den einzelnen abgefragten Bereichen in einem Dashboard oder einer Heatmap einsehen. Wie es danach weitergeht, ob es die Möglichkeit zu Kommentaren oder vertiefenden Diskussionen und zu einzelnen Fragen im Tool gibt, konkrete Aktionen oder zusätzliche Retrospektiven als Reaktion auf die Umfrageergebnisse angeboten werden, ein kontinuierliches Fortschreiben der Umfragen stattfindet oder auch (kostenpflichtige) virtuelle Trainingsprogramme etabliert werden, unterscheidet sich von Anbieter zu Anbieter. Wie immer bei der Auswahl von Software-Tools hilft es daher, sich vorher genau zu überlegen, was damit erreicht werden soll und ob die angebotenen Methoden und Maßnahmen zum Ziel und zur Zielgruppe passen.
Hier gelangen Sie zur Marktübersicht der Anbieter für Teamentwicklungs-Software.
Dieser Beitrag ist im Personalmagazin Ausgabe 11/2021 erschienen. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.
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