BGH untersagt finanzielle Doppelbelastung bei Pflegeheimwechsel vor Vertragsende
Der Kläger war an Multiple-Sklerose erkrankt und deshalb auf die Unterbringung in einem Pflegeheim angewiesen war. Er kündigte den Wohn- und Betreuungsvertrag schriftlich und fristgemäß zum Ende des Monats, da er einen Pflegeplatz in einem anderen, besser spezialisierten Pflegeheim gefunden hatte. Der neue Platz wurde jedoch kurzfristig zu einem früheren Zeitpunkt frei, so dass der Kläger bereits am 14. Februar 2015 aus dem Pflegeheim des Beklagten auszog.
Trotz Auszug Mitte des Monats den vollen Monat abgerechnet
Der Träger des Pflegeheims stellte dem Kläger sodann - nach Abzug der Leistungen der Pflegekasse für die erste Februarhälfte – die restlichen Heimkosten in Höhe von rund 1.500 EUR für den gesamten Februar in Rechnung, was der Kläger zunächst auch zahlte. Da für diese Zeit jedoch keine Sozialleistungen erbracht wurden, verlangte er - jedoch erfolglos - die Rückzahlung von dem beklagten Heimbetreiber.
Zahlungspflicht für Pflegeheim endet taggenau mit dem Auszug
Das Amtsgericht Öhringen hat dem Rückzahlungsanspruch stattgegeben. Die Berufung des Heimträgers wurde vom Landgericht Heilbronn zurückgewiesen. Auch die Revision vor dem BGH brachte für den Beklagten im Wesentlichen keinen Erfolg, da dieser einen Herausgabeanspruch bejahte.
- Nach der BGH-Entscheidung endet eine Zahlungspflicht des Pflegeheimbewohners mit dem Tag des Auszuges.
- Dabei verwiesen die Karlsruher Richter auf die Vorschrift des § 87a SGB XI, der das Prinzip der tagesgleichen Vergütung normiert.
- Er bestimmt, dass die Zahlungspflicht des Heimbewohners oder dessen Kostenträger mit dem Tag endet, an dem der Heimbewohner aus dem Heim entlassen wird oder verstirbt.
SGB regelt auch die zivilrechtliche Zahlungspflicht des Heimbewohners
- Nach dem eindeutigen Wortlaut regelt laut BGH § 87a SGB XI nicht allein die Zahlungspflicht des Kostenträgers, sondern erfasst auch die zivilrechtliche Vergütungspflicht des Heimbewohners.
- Hierbei handle es sich um eine gegenüber den vertraglichen Bestimmungen des Wohn- und Betreuungsvertrag vorrangige Sonderregelung zugunsten der Heimbewohner, welche gleichzeitig Leistungsbezieher der gesetzlichen Pflegeversicherung seien.
Gesetzesauslegung setzt Auszug mit „Entlassung“gleich
Systematik , Entstehungsgeschichte und der ableitbare Zweck der Regelung sprechen zudem dafür, dass ein „Entlassen“ auch dann vorliegt, wenn der Pflegebedürftige nach seiner Kündigung vor Ablauf der Kündigungsfrist endgültig ausziehe.
Die Vorschrift des § 87a Abs. 1 S. 2 SGB XI solle den Heimbewohner bzw. seine Erben oder seinen Kostenträger vor der doppelten Inanspruchnahme für etwaige Leerstände nach dem Auszug oder Tod schützen, argumentierten die Richter.
Kosten für Leerstände sind in den Pflegesätzen enthalten
Die Kosten für für etwaige Leerstände
- würden nach der üblichen Praxis der Pflegeheimträger im Rahmen einer Auslastungskalkulation
- sowie durch gesonderte Wagnis- und Risikozuschläge in die Pflegesätze miteingerechnet
- und anschließend anteilig auf die Heimbewohner umgelegt.
Daher habe der Gesetzgeber, da ansonsten die Zeit der Leerstände zulasten der Heimbewohner doppelt berücksichtigt werden würden, den Zahlungsanspruch des Trägers auf den Tag der Beendigung der tatsächlichen Leistungserbringung begrenzt. Die Zahlungspflicht endete daher im vorliegenden Fall mit dem Auszug des Klägers am 14. Februar 2015. Aus der Kündigung war für den Beklagten auch erkennbar, dass der Kläger das Heim endgültig verlassen wollte. Da nach dem Auszug keine Leistungen mehr erbracht wurden und der Beklagte nicht verpflichtet war, den Pflegeplatz freizuhalten, bestehe auch kein Vergütungsanspruch, so der BGH.
(BGH, Urteil v. 04.10.2018, III ZR 292/17).
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