Ausschließlich beleidigende Rechtsmittel sind unzulässig

Der Anspruch auf Rechtsverfolgung ist ein grundgesetzlich geschütztes Recht. Rechtsmittel aber, die keinerlei sachliche Auseinandersetzung mit einem Anspruch enthalten, sondern lediglich der Beschimpfung von Richtern dienen, darf das Gericht als unzulässig ablehnen. Das hat das LSG Baden-Württemberg in einem Betreuungsfall entschieden.

 Der Fall betraf eine unter gerichtlicher Betreuung stehende Frau, die im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die zuständige Behörde dazu verpflichten wollte, ihr Sozialhilfe zu zahlen. Gegen die ablehnende erstinstanzliche Entscheidung legte sie Beschwerde beim Landessozialgericht Baden-Württemberg ein.

Beleidigungen an Stelle der Rechtsmittelbegründung

  • In ihrer Rechtsmittelschrift, die sie als „Strafanzeige“ und als „Strafantrag“ bezeichnete, unterließ sie es allerdings, sich sachlich mit dem angefochtenen Beschluss und den Voraussetzungen des von ihr geltend gemachten Eilanspruchs auseinanderzusetzen.
  • Vielmehr bestand der Schriftsatz ausschließlich aus grob beleidigenden Anfeindungen gegen den erstinstanzlich tätig gewordenen Richter am Sozialgericht und auch gegen den Präsidenten des Sozialgerichts.

Idioten, Monster, Schreibtischtäter?!

Die Richter wurden von ihr u. a. als „Idioten“, „Schreibtischtäter“, „Verbrecher-Richter“, „Monster“, „Kreaturen“ und „Herrscher“ beschimpft. Außerdem wirft ihnen die Frau „rassistisch motivierte“ sowie „kriminelle“ Handlungen respektive „Terrorbehandlungen“ vor.

Zudem wird der Richter am Sozialgericht mehrfach in ehrabschneidender Weise mit dem Nazi-Richter Roland Freisler in Verbindung gebracht. 

Umfassender Rechtsschutz hat seine Grenzen

Schwerwiegenden Vorwürfe und ehrrüchigen Schmähungen, die keinerlei sachlichen Bezug zum Gegenstand des Eilverfahrens erkennen lassen, sind auch in einem Rechtsstaat mit weitreichendem Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit zur Wahrnehmung von Rechten und Interessen nicht mehr zulässig.

  • Anträge bzw. Rechtsmittel rechtsmissbräuchlichen Art verdienen keine sachliche Prüfung,
  • sondern führen - auch zur Schonung der knappen Personalressourcen der Justiz -
  • zur Verwerfung als unzulässig.

Reine Beleidigungstirade wird von Art. 19 GG nicht geschützt

  • Mit einer grob beleidigenden Eingabe macht ein Antragsteller deutlich, dass der wesentliche Zweck seines Vorbringens die Beschimpfung anderer ist.
  • Ein solcher Missbrauch stehe nicht mehr unter dem durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Schutz des Verfahrensgrundrechts auf umfassenden Rechtsschutz.

Derartige grob beleidigende Eingaben an Gerichte oder Behörden, die nicht den einzuhaltenden Mindestanforderungen genügen, weil sie keine ernsthafte inhaltliche Sachauseinandersetzung enthalten, sondern im Wesentlichen nur als Vorwand dazu dienen, Beteiligte und Justizorgane zu schmähen und herabzusetzen, sind laut Richterspruch nicht in der Sache zu bescheiden, sondern als unzulässig zu behandeln.

(LSG, Baden-Württemberg, Beschluss v. 30.11.2016, L 7 SO 4387/16 ER-B).



Hintergrund: Beleidigung im Rechtsstreit

Gegen Äußerung zwecks Wahrnehmung der berechtigten Interessen eines Rechtssuchenden kann laut BGH (Urteil v 28.02.2012, VI 79/11) in einer Ehrschutzklage nicht erfolgreich geklagt werden.

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Andernfalls wäre Beteiligten eine wirkungsvolle Wahrnehmung ihrer Rechte nicht möglich.

Dies gelte auch, wenn die beleidigende Äußerung Personen betreffe, die an dem anhängigen Prozess nicht unmittelbar beteiligt sind (so auch OLG Hamburg, Beschluss v 19.03.2004, 1 U 147/03).

Anders sieht es aus, wenn die Äußerungen in erster Linie Schmähkritik enthalten und der Verunglimpfung dienen.

Schmähkritik ist ein Sonderfall der Beleidigung, der nur in seltenen Ausnahmekonstellationen gegeben ist. Die Anforderungen hierfür sind besonders streng, weil bei einer Schmähkritik anders als sonst bei Beleidigungen keine Abwägung mit der Meinungsfreiheit stattfindet“. (BVerfG, Beschluss v. 29.6.2016, 1 BvR 2646/15).



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