Schutzlücke der betrieblichen Altersversorgung in der Unternehmensinsolvenz
In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte ein Rentner den Pensionssicherungsverein als Träger der Insolvenzversicherung nach Eröffnung der Insolvenz über den Betrieb seines ehemaligen Arbeitgebers auf eine betriebliche Versorgungsleistung verklagt. Gegenstand der Klage war eine einmalige Kapitalleistung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung.
Betrieb verschiebt Zahlung auf späteren Zeitpunkt
Mit Erreichen des 60. Lebensjahres im Jahr 2009 schied der Kläger aus dem Arbeitsverhältnis aus. Gemäß den Bestimmungen der betrieblichen Altersversorgung stand dem Kläger mit Erreichen des 60. Lebensjahres ein Anspruch auf eine einmalige Kapitalleistung in Höhe von knapp 30.000 EUR zu. Die Zahlung war als Versorgungsguthaben am 28. Februar des auf den Versorgungsfall folgenden Jahres zur Auszahlung fällig war, mithin am 28.2.2010. Im gleichen Jahr erkundigte sich der Kläger telefonisch bei der Rechtsnachfolgerin seines ehemaligen Arbeitgebers über die Auszahlungsmodalitäten und erhielt die (unrichtige) Auskunft, der Anspruch werde erst mit Bewilligung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung fällig.
Insolvenz des Betriebs - Pensionssicherungsverein verweigert Zahlung
Zum Ende des Jahres 2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Versorgungsschuldnerin eröffnet. Der vom Kläger daraufhin auf Zahlung seines Kapitalanspruchs in Anspruch genommene Pensionssicherungsverein verweigerte die Zahlung mit der Begründung, der Anspruch sei verfristet. Sein Zahlungsanspruch sei bereits mit Vollendung seines 60. Lebensjahres im Juni 2009 entstanden und im Februar 2010 zur Auszahlung fällig gewesen. Die Insolvenz sei erst im Dezember 2012, also mehr als zwölf Monate später, eröffnet worden. Der Pensionssicherungsverein hafte rückwirkend nur für zwölf Monate vor der Insolvenz entstandene Ansprüche.
Einmalige Kapitalleistung als Gegenstand der betrieblichen Altersversorgung
Nach unterschiedlichen Entscheidungen der Vorinstanzen hatte das BAG zunächst keine Zweifel daran, dass es sich bei der streitgegenständlichen einmaligen Kapitalleistung um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung nach § 1 BetrAVG handelte, da der Versorgungszweck für die Kapitalzusage prägend war (BAG, Urteil v. 25.6.2013, § AZR 219/11). Im Übrigen stellte das BAG auf die Vorschrift des § 7 BetrAVG ab. Danach haftet der Träger der Insolvenzversicherung für rückständige Versorgungsansprüche im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers, wenn der Anspruch des Versorgungsberechtigten bis zu zwölf Monate vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist.
Zwölfmonatsfrist gilt nicht für Kapitalleistungen
Nach der Entscheidung des BAG scheitert der Anspruch des Klägers auf die Kapitalleistung nicht an der Überschreitung der Zwölfmonatsfrist. Die Vorschrift sei nach Wortlaut und Sinn lediglich auf laufende Rentenleistungen und nicht auf einmalige Kapitalleistungen anzuwenden. Der Gesetzgeber habe bei Einführung dieser Frist (ursprünglich sechs Monate, später auf zwölf Monate erweitert) erkennbar lediglich laufende Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Blick gehabt, um die Einstandspflicht des Trägers der Insolvenzsicherung in diesem Punkt zu beschränken und berechenbarer zu machen.
Entscheidend ist der Zeitpunkt des Entstehens wirtschaftlicher Schwierigkeiten
Bei Kapitalleistungen kommt es nach dem Urteil des BAG im Fall von Verzögerungen bei der Auszahlung darauf an, ob der Zahlungsausfall die Folge des vom gesetzlichen Insolvenzschutz erfassten Risikos ist oder ob er auf anderen Gründen beruht. Folge des vom Insolvenzschutz erfassten Risikos ist der Zahlungsausfall laut BAG dann, wenn der Versorgungsschuldner sich zum Zeitpunkt des Eintritts einer Zahlungspflicht bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden hat. In diesem Fall verwirkliche sich ein nach dem Schutzzweck des Gesetzes nicht vom Versorgungsberechtigten zu tragendes Risiko. Das BAG betonte, nicht entscheidend sei, ob zu diesem Zeitpunkt bereits Insolvenzreife vorgelegen habe, entscheidend sei das Auftreten wirtschaftlicher Probleme, die später zur Insolvenzeröffnung geführt hätten.
Darlegungs- und Beweislast beim Versorgungsberechtigten
Die Darlegungs- und Beweislast für den Eintritt der wirtschaftlichen Schwierigkeiten liegt der Entscheidung des BAG grundsätzlich beim Anspruchsteller. Dieser müsse das Vorliegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten behaupten und zumindest Indiztatsachen dafür vortragen, dass diese wirtschaftlichen Schwierigkeiten bereits zum Zeitpunkt der Zahlungsverpflichtung des Versorgungsschuldners entstanden seien. Ein Indiz für Zahlungsschwierigkeiten könne zum Beispiel sein, dass die Insolvenzschuldnerin mit rechtlich nicht haltbaren Gründen versucht habe, die Auszahlung zu hinauszuzögern. Insoweit stehe dem Kläger auch ein Einsichtsrecht in die Akten des Insolvenzgerichts nach § 4 InsO i.V.m. § 299 Abs. 1 ZPO zu.
EU-Recht fordert keine lückenlose Altersabsicherung
Dieses Ergebnis entspricht nach Auffassung des BAG auch der Richtlinie 2008/94/EG über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Hiernach seien die Mitgliedstaaten grundsätzlich zwar verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Leistungen im Alter zu treffen, die Richtlinie verlange jedoch keine vollständige, sämtliche Unwägbarkeiten umfassende Absicherung der Ansprüche auf Leistungen der Alters- und Zusatzversorgungseinrichtungen (EuGH, Urteil v. 25.1.2007, C-278/05).
Zurückverweisung an das LAG
Hinsichtlich des Zeitpunkts des Eintritts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Versorgungsschuldnerin sah das BAG noch Aufklärungsbedarf und verwies daher den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.
(BAG, Urteil v. 20.9.2016, 3 AZR 411/15)
Pensionssicherungsverein musste zahlen
Nach Zurückweisung an das LAG bejahte dieses im weiteren Verfahren einen Kausalzusammenhang zwischen bereits vorhandenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der späteren Insolvenzschuldnerin zum Zeitpunkt der Entstehung des Versorgungsanspruchs des Klägers und der Verweigerung der Auszahlung mit dem rechtlich unzutreffenden Hinweis auf eine spätere Fälligkeit. Der Pensionssicherungsverein musste nach der nochmaligen Entscheidung des LAG im Ergebnis die vom Kläger geforderte Zahlung erbringen.
(LAG Köln, Urteil v. 14.7.2017, 4 Sa 1057/14)
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