Ermahnungen wegen Arbeitsverweigerung müssen aus der Personalakte entfernt werden
Beklagte entleiht Arbeitnehmer an Verkehrsbetrieb
Die Beklagte, die SWU Verkehr GmbH, welche die Infrastruktur und die Netze der Städte Ulm und Neu-Ulm unterhält, entleiht seit 2006 130 Arbeitnehmer an die bei Augsburg ansässige Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH (S-GmbH). Die SWU Verkehr GmbH verfügt über eine unbefristete Arbeitnehmerüberlassungsgenehmigung.
Streik im Ulmer Nahverkehr
Die S-GmbH, deren Gesellschaftsanteile die Beklagte zu 51,17 % hält, erbringt die Verkehrsdienstleistungen für die Städte Ulm und Neu-Ulm und stellt die Fahrzeuge auf dem Betriebsgelände der Beklagten, wo sich die Leitstelle befindet, ab. Von dort wird auch die Einsatzplanung vorgenommen. Ende Mai 2012 wurde die S-GmbH unter der Führung von ver.di bestreikt. Die Kläger, welche bei dem betroffenen Unternehmen als Leiharbeitnehmer beschäftigt sind, machten gegenüber der Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 11 Abs. 5 AÜ geltend. Diese Vorschrift besagt, dass Leiharbeitnehmer nicht verpflichtet sind, bei einem Entleiher, welcher durch einen Streik unmittelbar betroffen ist, tätig zu sein.
Leiharbeitnehmer sollten trotzdem eingesetzt werden
Die Beklagte trug in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren vor, der Geschäftsführer der Beklagten und der SWU Nahverkehrs GmbH habe beschlossen, den Fahrauftrag für den Streiktag an die Beklagte zu vergeben. Die Fahrzeuge seien von der S-GmbH zur Verfügung gestellt worden. Des Weiteren hätten die Kläger die Weisung erhalten, an diesem Tag nicht als Leiharbeitnehmer für die bestreikte Firma, sondern für die Beklagte selbst im originären Arbeitsverhältnis tätig zu werden. Da die Kläger dies als Aufforderung zum Streikbruch verstanden, verweigerten sie die Arbeitsleistung. Daraufhin erteilte ihnen die Beklagte eine „Ermahnung“, welche in die Personalakte aufgenommen wurde.
Stuttgarter Richter: Arbeitnehmerüberlassung unwirksam
Dies war jedoch nicht zulässig, wie die 4. Kammer des Landesarbeitsgericht in Stuttgart entschied. Zunächst ging das LAG davon aus, dass die Arbeitnehmerüberlassung nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer angelegt war. Folge dieses Rechtsverstoßes sei daher, dass die Arbeitsverträge zwischen der Beklagten und den Klägern unwirksam wurden und neue Arbeitsverträge mit der S-GmbH zustande kamen. Die „Ermahnungen“ seien somit vom unzuständigen Arbeitgeber ausgesprochen worden. Aber selbst wenn man keinen Verstoß gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sehe, habe die Beklagte jedenfalls ihr Direktionsrecht überschritten, so das Gericht weiter. Die Arbeitsaufforderung war aber auf eine sog. „direkte Streikarbeit“ gerichtet. Den Klägern war daher eine Arbeitserbringung unzumutbar.
(LAG Baden-Württemberg, Urteile v. 31.7.2013, 4 Sa 18/13 und 4 Sa 19/13)
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