Papstbesuch: Religiöse Rücksichtnahme durch den Arbeitgeber?
Glaubensfreiheit versus betriebliche Interessen
Die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers sind, genau wie die Glaubensfreiheits und-ausübungsiInteressen des Arbeitnehmers grundrechtlich geschützt (Art. 12 GG). Sie müssen bei einem Interessenwiderspruch (Arbeiten oder zum Papst?) im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden.
Dabei gibt es keine abstrakte Richtschnur; die Gerichte entscheiden vielmehr im Einzelfall, wie die kollidierenden Grundrechte in Ausgleich gebracht werden können. So hat das BAG z. B. einen Einzelhändler für verpflichtet gehalten, einen muslimischen Mitarbeiter außerhalb der Abteilung für Alkoholika zu beschäftigen, wenn dies möglich ist (Urteil v. 24.2.2011, 2 AZR 636/09).
Kein Glaubenskonflikt
Der Papstbesuch dürfte keine Glaubens- oder Gewissenskonflikte bei kollidierenden Arbeitszeiten hervorrufen, da Katholiken wohl kaum die Teilnahme an päpstlichen Veranstaltungen als zwingend erforderliche Glaubensbetätigung betrachten dürften. Es handelt sich hierbei vielmehr um ein religiös motiviertes Interesse.
Kein Anspruch auf Urlaubsgewährung
Arbeitnehmer können wegen des Papstbesuchs Urlaub beantragen, wenn der Anspruch noch nicht erfüllt ist, also noch Resturlaub vorhanden ist. Der Urlaubsanspruch ist vom Arbeitgeber zu erfüllen, wenn keine dringenden betrieblichen Belange oder Urlaubswünsche anderer Mitarbeiter mit sozialem Vorrang entgegenstehen (§ 7 Abs. 1 BUrlG).
Sonnenbaden und Papstbesuch: Was hat urlaubsrechtlich Vorrang?
Der Grund für den Urlaubswunsch des Arbeitnehmers ist für den Anspruch jedoch irrelevant. Ob der Arbeitnehmer dem Papst zujubeln möchte, nach Mekka pilgern oder nur faul in der Sonne liegen will spielt deshalb keine Rolle.
Das Gesetz sieht zudem auch bei kollidierenden Urlaubswünschen mehrerer Mitarbeiter keine Abwägung nach dem Urlaubsgrund vor, sondern alleine soziale Gründe. Dies können z. B. Ferienzeiten von Familienmitgliedern sein oder ein lange zurückliegender früherer Urlaub.
Freistellung wegen religiöser Verpflichtungen?
Der Arbeitgeber kann aber im Einzelfall verpflichtet sein, die individuelle Arbeitszeit des Arbeitnehmers an dessen religiöse Verpflichtungen anzupassen. Nach der Rechtsprechung ist Voraussetzung hierfür zunächst ein vom Arbeitnehmer offenbarter Glaubens- oder Gewissenskonflikt (Art. 4 GG) mit der an sich geschuldeten Arbeitsleistung.
Ramadan & Co.
Anders ist die Beurteilung aber z. B. bei Gebetszeiten oder glaubensbedingten Arbeitsverboten an bestimmten Tagen. Zu denken ist hier an muslimische Mitarbeiter, die bestimmte Gebetszeiten als religiös verpflichtend empfinden oder an jüdische Mitarbeiter, die den Sabbat einhalten möchten, also samstags ohne Glaubenskonflikt nicht arbeiten können. Hier muss der Arbeitgeber im Rahmen seiner Möglichkeiten, die Glaubensausübung ermöglichen.
Die betroffenen Mitarbeiter müssen also, wenn dies organisatorisch machbar und zumutbar ist, aus allgemeinen Arbeitszeitregelungen herausgenommen werden.
Keine Arbeit an religiösen Feiertagen?
In Deutschland ist es eine Selbstverständlichkeit, dass man an bestimmten christlichen Feiertagen wie z.B. Weihnachten, Ostern oder Pfingsten nicht arbeitet.
Für Angehörige anderer Religionsgruppen stellt sich die Lage aber auch in Deutschland nicht mehr als so eindeutig dar. So müssen etwa Muslime oder Juden, wenn sie in Deutschland angestellt sind, auch an ihren religiösen Feiertagen arbeiten. Einen ähnlichen Konflikt hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu lösen (Urteil v. 13.4.2006, No.. 55170/00). Da ging es um Reparaturarbeiten in einem Kernkraftwerk an einem religiösen Feiertag. Darin sah der EGMR nicht ohne Weiteres einen Verstoss gegen Art. 9 EMRK.
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