Zulässige Druckkündigung eines vorbestraften Sexualtäters

Eine erhebliche Störung des Betriebsfriedens infolge der nachhaltigen Weigerung erheblicher Teile der Belegschaft, mit einem wegen Kindesmissbrauchs verurteilten Arbeitnehmer nach verbüßter Haftstrafe zusammenzuarbeiten, kann eine Druckkündigung rechtfertigen.

Ein in einem Container-Terminal in Bremerhaven beschäftigter Hafenarbeiter wurde Ende 2011 wegen Missbrauchs seiner Stieftochter zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Im Rahmen des Strafverfahrens war bei dem Hafenarbeiter auch kinderpornographisches Material in nicht unerheblichen Umfange entdeckt worden.

Rückkehr an den Arbeitsplatz als Freigänger

Nachdem er einen Teil seiner Haftstrafe verbüßt hatte, wurde er in den Freigängerstatus versetzt. Seitens der Haftanstalt wurde aus Resozialisierungsgründen eine Rückkehr an den bisherigen Arbeitsplatz befürwortet. Die bisherige Arbeitgeberin erklärte sich hiermit einverstanden.

Belegschaft rebelliert gegen Zusammenarbeit mit Sexualstraftäter

Nicht gerechnet hatte die Arbeitgeberin mit dem heftig entflammenden und massiven Widerstand aus der Belegschaft gegen die Wiedereinstellung des Straftäters. Die Mitarbeiter des Betriebs organisierten einen regelrechten Kreuzzug gegen den wieder Eingestellten und starteten

  • eine Unterschriftenaktion gegen die Mitarbeit des Straftäters,
  • organisierten eine Vielzahl von Protestaktionen und
  • legten in Form von wilden Streiks die Arbeit nieder. 

Zwei Kündigungen scheitern

Die Arbeitgeberin sah hierdurch den Betriebsfrieden in einer solchen Weise gestört, dass ihr eine ordnungsgemäße Fortführung des Betriebes nicht mehr möglich erschien. Sie gab dem Widerstand aus der Belegschaft nach und versuchte zweimal vergeblich, den Hafenarbeiter durch Kündigungen aus dem Arbeitsverhältnis zu entfernen. Die Kündigungen scheiterten jedes Mal an den zuständigen Arbeitsgerichten. Die Situation im Betrieb spitze sich aber weiter zu; der Hafenarbeiter konnte seinen Arbeitsplatz schließlich nur noch in Begleitung eines Sicherheitsdienstes ohne körperliche Blessuren erreichen. In dieser Situation sprach die Arbeitgeberin ein drittes Mal die Kündigung aus. Auch hierin gegen reichte der Hafenarbeiter Kündigungsschutzklage ein.

Dritte Kündigung ist erfolgreich

Diesmal hatten sowohl das erstinstanzliche ArbG als auch das zweitinstanzlich mit der Sache befasste LAG ein Einsehen in die Nöte der Arbeitgeberin. Die Arbeitsrichter sahen die Kündigung als gerechtfertigt an, da nach ihrer Auffassung

  • der massive Druck der Belegschaft und
  • die dadurch hervorgerufene massive Störung des Betriebsfriedens
  • der Arbeitgeberin ein Festhalten an dem Beschäftigungsverhältnis als nicht mehr zumutbar erscheinen ließen.

Aufgrund dieser Umstände sei hier ausnahmsweise eine so genannte „Druckkündigung“ gerechtfertigt.

Vertrauensverhältnis massiv gestört

Das LAG verwies darauf, dass die Störung des Betriebsfriedens auf einem massiven Verlust des Vertrauensverhältnis innerhalb der Belegschaft beruhe. Die Belastung der Beziehungen innerhalb der Arbeitnehmerschaft sei so schwerwiegend und nachhaltig, dass mit einer Verbesserung der Situation in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden könne.

In einer auf diese Weise aufgeladenen Situation sei die Arbeitgeberin auch nicht zu Sanktionen gegenüber den wild streikenden Mitarbeitern verpflichtet. Sie müsse vielmehr befürchten, dass Sanktionen den Betriebsfrieden endgültig zerstören würden und die Situation weiter eskalieren ließen.

Unrechtmäßige Gewalt siegt – auch juristisch

Im Ergebnis hat das LAG die Kündigungsschutzklage des Hafenarbeiters zurückgewiesen, obwohl das Gericht die Aktionen der Belegschaft als eindeutig rechtswidrig qualifiziert hat. Die zum Teil unzulässigen Aktionen der Belegschaft haben damit auch juristisch zum Erfolg geführt, ein Beispiel für die normative Kraft des (rechtswidrigen) Faktischen und damit streng genommen für den Sieg des Unrechts über das Recht.

Revision zugelassen

Die Bedeutung dieser Problematik war den Richtern des LAG sehr bewusst. Ebenso war dem Gericht klar, dass die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses für die Resozialisierung des Straftäters möglicherweise einen herben Rückschlag bedeuten würde und er zumindest in seiner Heimatstadt für die nächsten Jahre im gesellschaftlichen Aus steht. Vor diesem Hintergrund hat das Gericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum BAG zugelassen

(LAG Bremen, Urteil v. 17.6.2015, 3 Sa 129/14).

 

Hinweis zur Druckkündigung:

Fehlt es an einer objektiven Rechtfertigung einer Kündigungsforderung durch verhaltens- oder personenbedingte Gründe, ist das bloße Verlangen eines Dritten, einem bestimmten Arbeitnehmer zu kündigen, nicht ohne weiteres geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen.

Das BAG lässt jedoch in Ausnahmefällen eine Druckkündigung als betriebsbedingte Kündigung zu. An deren Zulässigkeit sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen (BAG, Urteil vom 4.10.1990, 2 AZR 201/90):

Voraussetzung für den wirksamen Ausspruch einer Druckkündigung ist die Androhung erheblicher Nachteile durch einen Dritten für den Fall, dass der Arbeitgeber dem Kündigungsverlangen nicht nachkommt. Mögliche „Dritte“ sind etwa

die übrige Belegschaft, Kunden, sonstige Geschäftspartner, den Betriebsrat, eine Gewerkschaft oder staatliche Institutionen. Um die außerordentliche Druckkündigung zu rechtfertigen, muss dem Arbeitgeber die Vernichtung seiner Existenz oder zumindest schwerer wirtschaftlicher Schaden angedroht worden sein.

 

Vgl.  zu dem Thema auch:

Kollegen verweigern Zusammenarbeit wegen schlechter Einzelleistung

LAG-Urteil: Kündigung von Assistent mit Aids-Infektion in der Probezeit = rechtens


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