Anhörung in Betreuungsverfahren trotz Corona erforderlich

Auch während der Corona-Pandemie ist der Betroffene im Betreuungsverfahren persönlich anzuhören. Zwar erlauben es erhebliche Nachteile für die Gesundheit des Betroffenen, von der Anhörung abzusehen, der Gesundheitsschutz des anhörenden Richter und sonstiger Beteiligten rechtfertigt dies laut BGH dagegen nicht.

Bevor für eine betroffene Person ein gesetzlicher Betreuer bestellt wird oder bevor für bestimmte Bereiche ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wird, hat das Gericht den Betroffenen gemäß § 278 Abs. 1 S. 1 FamFG persönlich anzuhören.

Das Gericht soll sich dabei einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen verschaffen. Von der persönlichen Anhörung kann daher nur ausnahmsweise gemäß § 278 Abs. 4 FamFG abgesehen werden, wenn erhebliche Nachteile für die Gesundheit des Betroffenen zu besorgen sind und ein ärztliches Gutachten hierzu eingeholt worden ist.

Unstimmigkeiten zwischen Betreuer und der Tochter des Betreuten

Von dem Grundsatz der persönlichen Anhörung weicht der BGH auch auch während der Pandemie nicht ab. Hier gab es in einem Betreuungsverfahren es Unstimmigkeiten zwischen dem vom Gericht ursprünglich bestellten Betreuer und der Tochter des Betreuten gegeben.

Es bestand der Verdacht, dass der Betreuer, den der Betroffene während eines gemeinsamen Gefängnisaufenthaltes kennengelernt hatte, die Vermögensangelegenheiten nicht im Sinne des Betreuten regelte. Auf Anregung der Tochter bestellte das Betreuungsgericht daher eine Rechtsanwältin zunächst als zusätzliche Betreuerin und übertrug ihr im weiteren Verlauf den gesamten Aufgabenkreis der Betreuung. Hiergegen legten sowohl der ursprünglich bestellte Betreuer als auch der betroffene Betreute Beschwerde ein.

Beschwerde gegen Einwilligungsvorbehalt für den Bereich der Vermögenssorge

Im Beschwerdeverfahren fand zunächst eine persönliche Anhörung des Betroffenen durch das Gericht statt. Im Anschluss daran gab das Beschwerdegericht ein Sachverständigengutachten in Auftrag zwecks Klärung der Betreuungsvoraussetzungen. Zudem ordnete es einen Einwilligungsvorbehalt für den Bereich der Vermögenssorge an. Auch hiergegen erhoben der Betroffene und sein ursprünglicher Betreuer Beschwerde.

Beschwerde ohne Anhörung abgewiesen

Das Beschwerdegericht beraumte dann einen Anhörungstermin für den 24.03.2020 an, zu welchem weder der Betroffene noch der ursprünglich bestellte Betreuer erschienen. Sie begründeten ihr Nichterscheinen mit Gesundheitsgefahren durch die Corona-Pandemie. Das Gericht wies die Beschwerden dann als unbegründet zurück, ohne einen erneuten Anhörungstermin anzuberaumen.

BGH: Persönliche Anhörung erforderlich!

Der BGH beanstandete das Vorgehen des Beschwerdegerichtes als verfahrensfehlerhaft. Der Senat stellte darauf ab, dass das Gericht den Betroffenen nach Eingang des schriftlichen Sachverständigengutachtens vor Erlass der Beschwerdeentscheidung noch einmal persönlich hätte anhören müssen. Davon könne - ungeachtet einer Mindermeinung - allein wegen der Corona-Pandemie keine Ausnahme gemacht werden. Nach der gesetzlichen Regelung kann nur aus Gründen des Gesundheitsschutzes des Betroffenen auf der Grundlage eines ärztlichen Gutachtens ausnahmsweise von einer Anhörung abgesehen werden. Der Gesundheitsschutz der anhörenden Richter und sonstigen Beteiligten im Verfahren eröffnet hingegen keine Möglichkeit, von der persönlichen Anhörung des Betroffenen abzusehen.

(BGH, Beschluss v. 14.10.2020, XII ZB 235/20).

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