Anspruch auf Trennungsunterhalt kann auch ohne Zusammenleben in der Ehe bestehen
Leben verheiratete Paare – im Vorfeld der Scheidung - meist getrennt, so kann der Ehepartner, der weniger als der andere verdient, von diesem trotzdem angemessenen Unterhalt verlangen (§ 1361 Abs. 1 BGB). Wie stark oder lose die Verbindung der Ehepartner gewesen sein muss, damit man von „Trennungs“-Unterhalt sprechen und diesen verlangen kann, hat kürzlich das OLG Frankfurt a.M. entschieden.
Arrangierte Ehe, verschiedene Lebensmittelpunkte von Beginn an
Der Fall, der bei den Frankfurter Richtern in zweiter Instanz auf dem Tisch landete, ist kein gewöhnlicher nach Schema F. Die Deutsche und der Brite, beide mit indischem kulturellem Hintergrund, hatten einander nicht ausgesucht. Die Heirat war von den Eltern arrangiert worden. Die junge Frau lebte bei ihren Eltern in Deutschland und arbeitete in einer Bank. Der Ehemann hingegen war in Paris zu Hause, hatte dort einen gut bezahlten Job, lebte in einer Eigentumswohnung und war Vermieter einer weiteren Immobilie.
Gute, aber gescheiterte Zukunftsabsichten und endgültige Trennung nach einem Ehejahr
Der Plan war, dass beide künftig in Paris zusammenleben wollten/sollten. Dazu sollte sich die Frau versetzen lassen, wozu es nie kam. Während des Bestands der Ehe wirtschaftete jeder im Wesentlichen für sich allein.
Während des ersten Ehejahres verbrachte die junge Ehefrau ein paar Wochenenden in Paris bei ihren Angetrauten. Statt sich jedoch – in jeder Hinsicht – näher zu kommen, stellten sie ihre Inkompatibilität fest, beschlossen sich zu trennen und schließlich scheiden zu lassen. Ab diesem Moment verlangte die Frau Trennungsunterhalt von ihrem Noch-Ehemann, weil dieser ein höheres Einkommen als sie selbst hatte.
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1.Instanz versagt Trennungsunterhalt
Das Amtsgericht hatte der Ehefrau den Trennungsunterhalt versagt. Zu kurz sei die Ehe gewesen, es sei nie gemeinschaftlich gewirtschaftet worden, deshalb vermisste der Richter die übliche, von Gemeinschaftlichkeit geprägte eheliche Lebensweise.
OLG Frankfurt a.M.: Ehemann muss trotzdem zahlen
Das OLG Frankfurt a.M. kehrte die Entscheidung um und beruft sich dabei auf die langjährige BGH-Rechtsprechung. Danach sind keine Voraussetzungen des Trennungsunterhalts:
- dass die Eheleute jemals zusammengelebt haben,
- dass es zu einer Verflechtung der wechselseitigen Lebenspositionen und
- einer inhaltlichen Verwirklichung der Lebensgemeinschaft gekommen ist.
Keine Verwirkung des Anspruchs wegen Kürze der Ehe oder beabsichtigter Scheinehe
Auch mit dem Einwand der Verwirkung konnte sich der Ehemann seinen Zahlungsverpflichtungen nicht entziehen. Da die Scheidung zum Entscheidungszeitpunkt (zwei Jahre nach Eheschließung) noch nicht durch war und die Ehe somit formell noch bestand, fanden die Richter sie nicht „kurz“. Die Verheirateten hatten zudem anfangs die Absicht ein gemeinsames Leben in Paris zu führen. Es war also nicht so, dass Beide nie beabsichtigten die Heirat ins reale Leben umzusetzen. Damit entfiel auch dieser mögliche Verwirkungsgrund.
(OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 12.7.2019, 4 UF 123/19)
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Hintergrund:Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung
Die Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB). Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum hinweg untätig geblieben ist und dadurch bei seiner Gegenpartei den Eindruck erweckt hat, sie brauche mit der Geltendmachung des Rechts und der Durchsetzung des Anspruchs nicht mehr zu rechnen, die Gegenseite sich deshalb darauf eingerichtet hat und ihr die verspätete Inanspruchnahme nicht zugemutet werden kann.
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