Bei Elternkonflikt: Erziehungshilfe statt Umgangsrechtskürzung

Die Eindämmung eines schweren Elternkonfliktes darf nicht durch eine Verkürzung des Umgangsrechts erfolgen, sondern vorrangig durch eine Stärkung der elterlichen Kommunikationsfähigkeit durch das Jugendamt mit Mitteln des Jugendhilferechts. Die Ausgestaltung des Umgangsrechts ist in erster Linie an den Bedürfnissen des umgangsberechtigten Kindes zu orientieren.

Die Gestaltung des Umgangsrechts wird von zerstrittenen Eltern nicht selten zur Austragung ihrer unbewältigten Beziehungsprobleme genutzt. Das OLG Düsseldorf hatte in letzter Instanz über einen Fall zu entscheiden, bei dem die Kommunikation zwischen den Eltern tief gestört war und besonders der Kindesvater dazu neigte, den Kindesumgang dazu zu nutzen, manipulativ auf seinen Sohn gegen dessen Mutter einzuwirken.

Bei jedem Elternteil lebt ein Kind

Die Kindeseltern sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Aus der Ehe sind zwei Söhne hervorgegangen, von denen der eine im Haushalt der Mutter, der andere im Haushalt des Vaters lebt. Im Oktober 2015 hatten die Eltern nach diversen gerichtlichen Verfahren einen vom Familiengericht gemäß § 156 Abs. 2 FamFG gebilligten Umgangsvergleich geschlossen, den das AG später wieder abänderte. Dadurch wurde dem Vater für den bei der Mutter lebenden Sohn neben Umgangskontakten an Wochenenden ein reduziertes Umgangsrecht während der Schulferien gewährte.

Kindesvater fordert erweitertes Umgangsrecht für die Ferien

Der Kindesvater war mit der Regelung des AG nicht einverstanden, weil das ihm zugestandene Umgangsrecht deutlich weniger als die Hälfte der Ferien umfasste. Deshalb legte er Beschwerde gegen die Umgangsregelung ein. Vor dem OLG sprachen sich das Jugendamt und der Verfahrensbeistand für die Beibehaltung der amtsgerichtlichen Umgangsregelung aus.

Die vom AG getroffen Umgangsregelung biete den geeigneten Rahmen, um die Kinder weitgehend aus den tief sitzenden Konflikten zwischen den Eltern herauszuhalten und damit im Ergebnis den Elternkonflikt einzudämmen.

Eine Verlängerung der Ferienregelung könne dazu führen, dass der Kindesvater vermehrt destruktiv und manipulativ auf den betreffenden Sohn einzuwirken versuche, um die Beziehung des Kindes zu seiner Mutter negativ zu beeinflussen.

OLG teilt Einschätzung des Jugendamtes nicht

Diesen Einschätzungen des Jugendamtes und des Verfahrensbeistandes schloss sich das OLG nicht an. Die vom AG getroffene Regelung wird nach Auffassung des Senats den gesetzlichen Vorgaben nicht gerecht.

  • Gemäß § 1684 Abs. 2 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 1697a BGB habe das Familiengericht das Umgangsrecht eines Kindes mit seinen Eltern im Interesse des Kindeswohls individuell auszugestalten.
  • § 1684 BGB konkretisiere sowohl das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht
  • als auch das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG geschützte Recht des Kindes auf Umgang mit beiden Eltern (BVerfG, Urteil v. 1.4.2008, 1 BvR 1620/04).

Bei der Interessenabwägung liegt der Schwerpunkt auf Bedürfnissen des Kindes

Bei der Ausgestaltung des Umgangsrechts habe das Familiengericht den besonderen Wertgehalt dieser beiden Grundrechte unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in eine der Gesetzeslage entsprechende Relation zu bringen. Es habe sich dabei in erster Linie an den Bedürfnissen und Interessen des umgangsberechtigten Kindes zu orientieren. Dies führe im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass gerade die Möglichkeit eines mehrwöchigen Zusammenlebens von Sohn und Vater während der Ferien wesentlich dazu beitragen könne, die gefühlsmäßigen Bindungen des Kindes zum nichtsorgeberechtigten Elternteil aufrecht zu erhalten und zu festigen (BVerfG, Beschluss v. 7.3.2005, 1 BvR 552/04).

Keine Verkürzung des Umgangsrechts zur Befriedung des Elternkonflikts

Das AG habe bei seiner Entscheidung aus nachvollziehbaren Gründen die Befriedung des Elternverhältnisses und die Beilegung der in der Vergangenheit in erheblichem Umfang aufgetretenen Konflikte im Auge gehabt. Auch die Befriedung des Elternverhältnisses diene mittelbar dem Wohl der Kinder. Diese bloß mittelbare Wirkung könne aber im Regelfall eine Umgangsverkürzung nicht rechtfertigen. Dies gelte vorliegend umso mehr, als die angestrebten Ziele auch mit anderen Mitteln des Jugendhilferechts oder mit Auflagen nach § 1684 Abs. 1 Satz 2 BGB erreichbar seien.

Die Befriedung des Elternverhältnisses und die Stärkung ihrer Kommunikationsfähigkeit seien vorrangig durch das Jugendamt mit Mitteln des Jugendhilferechts, nicht aber durch das Familiengericht im Rahmen einer Umgangsregelung herbeizuführen.

Verkürzung des Umgangsrechts unterbindet Negativbeeinflussung nicht

Schließlich ist nach Auffassung des OLG die Verkürzung des Ferienumgangs auch kein geeignetes Mittel, eine negative Beeinflussung des Sohnes durch den Vater zu unterbinden. Die Möglichkeit einer manipulativen Beeinflussung sei auch bei einem Ferienaufenthalt von nur ein oder zwei Wochen gegeben und hänge nicht von der Dauer, sondern weitaus mehr von der Herstellung der Einsichtsfähigkeit des Vaters in die psychische und seelische Situation des Kindes ab. Hieran müsse das Jugendamt mit dem Vater gemeinsam arbeiten.

Problemlösung mit Hilfe von Auflagen

Das OLG gab der Beschwerde des Kindesvaters im Ergebnis statt und ordnete für die Ferien ein Umgangsrecht des Vaters - wie von diesem beantragt - für etwa die Hälfte der Ferienzeit an, verband dies aber mit diversen Auflagen:

  • So untersagte der Senat beiden Kindeseltern, Umgangsfragen gegenüber den Kindern oder gegenüber dem anderen Elternteil zu thematisieren.
  • Das Gericht verpflichtete die Eltern jegliche Probleme oder Änderungswünsche zum Umgangsrecht mit dem Jugendamt zu besprechen.
  • Die Kindesmutter erhielt die Auflage, einen Antrag auf Erziehungshilfe zu stellen.
  • Den Kindesvater verpflichtete das OLG zur Annahme von Hilfen zur Förderung der kindgerechten Ausgestaltung des Ferienumgangs.

Die ausgesprochenen Verpflichtungen verband der Senat mit der Androhung von Ordnungsgeld und/oder Ordnungshaft für den Fall der Nichtbefolgung.

Bei Nichterfolg sind Beschränkungen des Umgangsrechts möglich

Darüber hinaus erteilte das OLG den Hinweis, dass für den Fall, dass dies alles zu keinem spürbaren Erfolg im Sinne einer Verhaltensänderung der Eltern führen sollte, Einschränkungen des Umgangsrechts bis hin zu einem begleiteten Umgang erwogen werden könnten.

(OLG Düsseldorf, Beschluss v. 18.5.2018, 8 UF 53/17)

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Hintergrund:

Ausschluss und Einschränkung des Umgangsrechts

In Ausnahmefällen kann der Richter den Umgang eines Elternteils mit dem Kind vollständig unterbinden, z.B. in Fällen extremer Entfremdung oder Misshandlung. Ein völliger oder fast völliger Ausschluss des Umgangsrechts darf nur angeordnet werden, wenn anderenfalls eine konkrete und gegenwärtig bestehende Gefährdung der körperlichen oder geistig seelischen Entwicklung des Kindes droht.

Daneben ist Voraussetzung, dass keine milderen Mittel zum Schutz des Kindes in Betracht kommen, um der konkreten Gefährdung zu begegnen, z. B. eine vorübergehende Einschränkung des Umgangsrechts oder Anwesenheit einer neutralen Aufsichtsperson. 

Als mildere Einschränkung besteht die Möglichkeit der Anordnung des betreuten Umgangs, d.h. das Umgangsrecht wird im Beisein einer dritten, neutralen Person (z.B. des Jugendamtes) ausgeübt. Der betreute Umgang bietet auch die Möglichkeit einer Kindesübergabe, bei der die Eltern sich nicht sehen. Dies kann in Extremfällen Stresssituationen auch für das Kind vermeiden helfen.


Schlagworte zum Thema:  Recht, Kindeswohl, Umgangsrecht