Beleidigung im Unterhaltsprozess – kein Schmerzensgeld
Die 24-jährige Tochter nahm ihren Vater auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt in Anspruch. In dem familiengerichtlichen Unterhaltsverfahren brachte der Anwalt des Vaters zur Verteidigung u.a. vor, die Anspruchstellerin müsse vorrangig ihren 27-jährigen Lebensgefährten, von dem sie 2 kleine Kinder großziehe, auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch nehmen.
Polternder Patriarch
Schriftsätzlich behauptete er beim AG, der Unterhaltsrechtsstreit sei nur deshalb erforderlich, weil „der Lebensgefährte der Antragstellerin schlicht zu faul ist, zu arbeiten“. Hierdurch fühlte sich der Lebensgefährte, der zu diesem Zeitpunkt auf dem 2. Bildungsweg sein Abitur nachholte, stark gekränkt und forderte 500 EUR Schmerzensgeld wegen Beleidigung.
„Zu faul zu arbeiten“ ist eine Beleidigung
Das mit der Sache befasste AG stellte zunächst den beleidigenden Charakter der getroffenen Aussage heraus. Wem vorgeworfen werde, dass er bewusst nicht arbeite, dem würden unlautere Absichten unterstellt. Wer darüber hinaus so hingestellt werde, als würde er sich durch Nichtarbeit bewusst Unterhaltsverpflichtungen entziehen, der würde durch diese Äußerung herabgewürdigt werden.
Wirksamer Rechtsschutz setzt Äußerungsfreiheit voraus
Solche Äußerungen beleidigenden Inhalts sind nach Auffassung des AG aber nicht per se rechtswidrig. In einem ordentlichen Rechtsstreit schriftsätzlich vorgetragen, könne der Verfasser durchaus ein berechtigtes Interesse daran haben, eine solche Äußerung zu tätigen.
In dem anhängigen Prozesskostenhilfeverfahren auf Zahlung von Unterhalt sei die Frage der Rangfolge der Unterhaltsverpflichteten von rechtlicher Bedeutung gewesen. In den ersten 3 Lebensjahren der Kinder, stehe gemäß § 1615 l Abs. 2 BGB der Mutter ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Erzeuger zu, der dem Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Vater vorgehe.
Nicht der Zeitpunkt für ein Abitur?
Ob der 27jährige Kindesvater in dieser Situation zu Recht sein Abitur nachmachen wolle, hätte der Anwalt des Vaters der Kindesmutter daher zumindest in Frage stellen dürfen. Hierbei seien auch die Motive des Kindesvaters für sein Fortbildungsbestreben nicht ohne Bedeutung. Die Unterstellung von Faulheit sei zumindest keine völlig abwegige Variante der möglichen Motivationslagen.
Keine Ehrschutzklage bei Kränkung in Rechtsstreit
Im Ergebnis kam der Amtsrichter zu der Auffassung dass die Äußerung des Rechtsanwalts des Vaters in Wahrnehmung der berechtigten Interessen seines Mandanten erfolgte. Wie der BGH an anderer Stelle entschieden habe (BGH, Urteil v 28.02.2012, VI 79/11), müsse in solchen Fällen einer Ehrschutzklage der Erfolg versagt bleiben. Andernfalls wäre im Zivilprozess den beteiligten Parteien eine wirkungsvolle Wahrnehmung ihrer Rechte nicht möglich.
Dies gelte auch, wenn die beleidigende Äußerung Personen betreffe, die an dem anhängigen Prozess nicht unmittelbar beteiligt seien (so auch OLG Hamburg, Beschluss v 19.03.2004, 1 U 147/03). Darüber hinaus sei der Kläger ja zumindest insoweit betroffen gewesen, als er ebenfalls als Unterhaltspflichtiger in Betracht gekommen sei. Der Kläger musste daher ohne Schmerzensgeld nach Hause gehen.
(AG Königs Wusterhausen, Urteil v 14.11.2012, 20 C 569/11).
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