Bewertung einer freiberuflichen Praxis im Zugewinnausgleich

Im Rahmen des Zugewinnausgleichs kann der Bewertung einer freiberuflichen Praxis zum Stichtag regelmäßig der Zeitraum der letzten 3-5 Jahre zu Grunde gelegt werden. Ein Steuerberater zur Erstellung einer Zwischenbilanz zum Stichtag ist nicht erforderlich.

Gegenstand des vom BGH entschiedenen Falls war die Geltendmachung von Zugewinnausgleichsansprüchen innerhalb eines Scheidungsverbundverfahrens. In einem Teilbeschluss hatte das Familiengericht die Ehegattin verpflichtet, „vollständige Auskunft zu erteilen und zu belegen über ihr gesamtes Immobilienvermögen im In- und Ausland, über ihr Bankvermögen im In- und Ausland … sowie Auskunft zu erteilen über den Praxiswert der von der Antragsgegnerin geführten Praxis...“.

Erforderliche Beschwer nicht erreicht

Gegen diese Entscheidung hat die Antragsgegnerin Beschwerde beim OLG eingelegt. Dieses verwarf die Beschwerde, weil der nach § 61 FamFG erforderliche Wert für den Beschwerdegegenstand in Höhe von 600 Euro nicht erreicht worden sei. Der BGH verwarf die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde nun als unzulässig. Auch der BGH vertrat die Auffassung, dass der für eine Beschwerde erforderliche Wert der Beschwer nicht erreicht war.

Beschwer richtet sich nach dem persönlichen Aufwand

Der BGH stellte zunächst klar, dass nach ständiger Rechtsprechung der Wert der Beschwer einer zur Auskunft verpflichteten Partei

  • sich nach dem Interesse bemisst, dass die Partei daran hat, die Auskunft nicht erteilen zu müssen.
  • Dieses Interesse sei ausschließlich an der Pflicht zur Auskunftserteilung und dem damit verbundenen Aufwand,
  • nicht dagegen an dem Ziel zu messen, den über den Weg der Auskunftserteilung von der Gegenseite verfolgten Hauptanspruch zu verhindern (BGH, Beschluss v. 10.5.2017, XII ZB 608/16).

Die Entschädigungssätze für Zeugen sind maßgeblich

 Die Beschwerde richtet sich demzufolge nach dem materiellen und zeitlichen Aufwand des zur Auskunft verpflichteten für die Erstellung der Auskunft.

  • Die Bewertung insbesondere des Zeitaufwandes hat nach dem Diktum des Senats auf der Grundlage der Sätze zu erfolgen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde (BGH, Beschluss v. 27.4.2016, XII ZB527/15).
  • Demgegenüber seien nicht zu berücksichtigen die Kosten für die Hinzuziehung einer sachkundigen Hilfsperson, beispielsweise eines Steuerberaters zur Erstellung einer Bilanz.
  • Solche Kosten seien ausnahmsweise dann zu berücksichtigen, wenn sie zwangsläufig entstehen, weil der Auskunftspflichtige selbst nicht in der Lage wäre, die Auskunft fachgerecht zu erteilen (BGH; Beschluss vom 11.3.2015, XII ZB317/14).

Auskunft ohne großen Aufwand möglich

 Unter Anwendung dieser Grundsätze hielt es der BGH im Gegensatz zu der von Antragsgegnerin vertretenen Auffassung nicht für erforderlich, zum Zwecke der Erstellung einer Zwischenbilanz einen Steuerberater mit einem Kostenaufwand von mindestens 1.000 Euro zu beauftragen. Eine solche Zwischenbilanz sei nach der angefochtenen Auskunftsentscheidung nicht notwendig.

  • Nach ständiger Rechtsprechung sei für die Bewertung freiberuflicher Praxen im Rahmen des Zugewinnausgleichs das modifizierte Ertragswertverfahren anzuwenden.
  • Der maßgebliche Wert einer freiberuflichen Praxis werde hiernach über den Substanzwert am Stichtag sowie durch Bewertung des übertragbaren Teils des ideellen Werts, des „Good-Wills“ bezogen auf die letzten 3-5 Jahre des Praxisbetriebs ermittelt (BGH Urteil v. 8.11.2017, XII ZR108/16).
  • Diese Angaben könne die Antragstellerin ohne weiteres nach den bereits vorliegenden Jahresabschlüssen für den Zeitraum 2010-2014 erstellen.

Rechtsbeschwerde verworfen

Vor diesem Hintergrund kam der Senat zu dem Ergebnis, dass die Antragsgegnerin ohne größeren Kostenaufwand ohne weiteres in der Lage sein müsse, die angegebenen Auskünfte, zu denen sie verurteilt worden sei, zu erteilen. Der Kostenaufwand hierfür liege in jedem Fall unter 600 Euro, so dass die nach § 61 FamFG erforderliche Beschwer für eine Beschwerde nicht erreicht werde. Da die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung habe und eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 70 FamFG erforderlich sei, verwarf der BGH daher die Rechtsbeschwerde als unzulässig.

 

(BGH, Beschluss v. 22.11.2017, XII ZB 230/17)

 

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