BGH zum Ausbildungsunterhalt für unerwartetes, spätes Studium
Die inzwischen 33 Jahre alte Tochter legte ihr Abitur im Jahr 2004 mit einem Notendurchschnitt von 2,3 ab und bewarb sich erfolglos für einen Studienplatz in Medizin.
Tochter beginnt Studium 6 Jahre nach dem Abitur
- Ab Februar 2008 arbeitete sie in diesem erlernten Beruf.
- Für das Wintersemester 2010/2011 wurde ihr ein Studienplatz zugewiesen;
seitdem studiert sie Medizin.
Kaum Kontakt: Vater nicht auf dem Laufenden gehalten
Im September 2011 erhielt der Vater durch die Aufforderung des Studierendenwerks zur Auskunft über seine finanziellen Verhältnisse Kenntnis von der Studienaufnahme seiner Tochter. Er hatte weder mit ihr noch mit ihrer Mutter jemals zusammengelebt. Die Tochter hatte er zum letzten Mal getroffen, als diese 16 Jahre alt war.
- Auf seinen Brief im Jahr 2004, in welchem er ihr mitteilte, dass er aufgrund der erfolgreichen Ablegung ihres Abiturs davon ausgehe, keinen Unterhalt mehr zahlen zu müssen, erfolgte von seiner Tochter keine Reaktion.
- Daraufhin stellte er die Unterhaltszahlungen ein.
Für BAföG-Vorausleistungen vom Land in Anspruch genommen
Das Land Hessen, welches der Tochter BAföG-Vorausleistungen gewährt hatte, nahm den Vater nun aus übergegangenem Recht in Anspruch.
Das Amtsgericht Büdingen hatte den Antrag auf Zahlung von insgesamt rund 3.500 EUR - die BAföG-Vorausleistung für Oktober 2011 bis September 2012 - abgewiesen. Auch die Beschwerde des Landes vor dem OLG Frankfurt hatte keinen Erfolg. Zu Recht, wie nun auch der u.a. für das Familienrecht zuständige XII. Senat des BGH befand.
Unterhaltspflichtige muss sich auf Unterhalt einstellen können
- Nach Auffassung des BGH müssen die Eltern zwar die Kosten für die Berufsausbildung bezahlen,
- auch dann, wenn das Kind nach dem Abitur zunächst eine Lehre absolviert und sich erst danach für ein Studium entscheidet (sogenannte Abitur-Lehre-Studium-Fälle).
- Der aus § 1610 Abs. 2 BGB folgende Anspruch sei zudem vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt.
- Der Verpflichtung zur Ermöglichung einer Berufsausbildung stehe auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber.
Zwar fehlte es hier nicht am Zusammenhang zwischen Lehre und Studium, weil die Tätigkeit im erlernten Beruf lediglich der Überbrückung der zwangsläufigen Wartezeit diente. Doch andere Umstände sprachen gegen den Anspruch
Keine Altersgrenze für Unterhalt, aber Planungssicherheit
Eine feste #Altersgrenze für den #Anspruch auf #Ausbildungsunterhalt lässt sich aus dem Gesetz nicht entnehmen.
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Die Unterhaltspflicht richte sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls.
- Zu den schützenswerten Belangen des Unterhaltspflichtigen gehört es, so der BGH, sich in der eigenen Lebensplanung darauf einstellen zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern werde.
- Eine Unterhaltspflicht werde umso weniger in Betracht kommen, je älter der Auszubildende bei Abschluss seiner praktischen Berufsausbildung sei.
Vorliegend war dem Vater eine Unterhaltspflicht nicht mehr zumutbar, da er bei der knapp 26-jährigen Tochter typischerweise nicht mehr mit der Aufnahme eines Studiums rechnen musste, zumal sie ihn nicht über ihre Pläne auf dem Laufenden hielt.
Längerfristige Kredite aufgenommen
Im Vertrauen darauf, dass er keine Unterhaltsansprüche zu erwarten habe, hatte er mehrere und längerfristige Kredite, wie für den Kauf eines Eigenheimes, aufgenommen.
Dieses Vertrauen sei auch schützenswert gewesen, da ihn die Tochter trotz seines Briefes über ihre Ausbildungspläne in Unkenntnis ließ.
(BGH, Beschluss v. 3.05.2017, XII ZB 415/16).
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Hintergrund:
Der BGH hat für diejenigen Fälle, in denen das Kind nach der Hochschulreife zunächst eine praktische Ausbildung durchlaufen hat, und die Eltern sodann ein sich hieran anschließendes Hochschulstudium finanzieren sollen (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle), in gefestigter Rechtsprechung Grundsätze entwickelt (u.a. BGH, Urteil v. 14.07.1999 , XII ZR 230/97).
Danach umfasst der Unterhalt für eine letztlich doch einheitliche Berufsausbildung auch die Kosten eines Hochschulstudiums, wenn schon zu Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar eine Weiterbildung im Wege eines Studiums angestrebt war,
- wenn dieses mit den vorangegangenen Ausbildungsabschnitten in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht,
- und wenn die Finanzierung des Ausbildungsgangs den Eltern wirtschaftlich zumutbar ist.
Selbst wenn die Voraussetzungen für eine gestufte Ausbildung oder eine Zweitausbildung aus persönlichen Gründen nicht vorliegen, kann sich ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt ergeben, wenn bislang eine angemessene Ausbildung noch nicht gewährt worden ist (OLG Celle Beschluss vom 18.04.2013, 17 UF 17/13).
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