Änderung der BGH-Rechtsprechung zur Verfahrensstandschaft bei Unterhaltsverfahren
Dies hat der BGH in einer Grundsatzentscheidung unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden. Die Mutter der unterhaltsberechtigten Tochter hatte im Rahmen der Scheidung Unterhaltsansprüche des minderjährigen Kindes gegenüber dem getrennt lebenden und später geschiedenen Ehemann geltend gemacht. Dieser ist seit Ende 2009 arbeitslos und bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Mangels Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten hat das OLG die Unterhaltsklage abgewiesen. Mit der Revision verfolgte die Mutter die Unterhaltsansprüche weiter. Während des Verfahrens wurde die Unterhaltsberechtigte volljährig. Mit Zustimmung der Mutter ist sie daraufhin als Antragstellerin in das Verfahren eingetreten.
Bisher: Parteiwechsel kraft Gesetzes
Gemäß § 1629 Abs. 3 BGB sind Unterhaltsansprüche eines Kindes unter miteinander verheirateten Eltern während des Getrenntlebens bzw. der Anhängigkeit einer Ehesache gegenüber dem anderen Elternteil im eigenen Namen des den Unterhalt beanspruchenden Elternteils geltend zu machen. Hierdurch soll vermieden werden, dass minderjährige Kinder in die Streitigkeiten der Eltern einbezogen werden. Der BGH hatte mehrfach darüber zu entscheiden, wie sich der Eintritt der Volljährigkeit des Kindes auf diese Verfahrensstandschaft auswirkt. Bisher hatte der BGH in diesen Fällen einen gesetzlichen Parteiwechsel angenommen, das heißt, nach bisheriger Rechtsprechung trat der volljährige Unterhaltsberechtigte automatisch kraft Gesetzes in ein laufendes Unterhaltsverfahren als Partei ein (BGH, Urteil v. 23.02.1983, IV b ZR 359/81).
Kind kann selbst entscheiden
An dieser Rechtsprechung hält der BGH ausdrücklich nicht mehr fest. Aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Prozess- bzw. Verfahrensstandschaft folge, dass es der freien Entscheidung des volljährig gewordenen Kindes überlassen bleiben müsse, ob es ein laufendes Verfahren als Beteiligte fortsetzt. Keinesfalls dürfe das Kind gezwungen werden, in ein laufendes Verfahren einzutreten. Trete es nicht in das Verfahren ein, habe der bisherige Verfahrensstandschafter die Möglichkeit, das Verfahren notfalls einseitig für erledigt zu erklären, weil seine Verfahrensführungsbefugnis nachträglich durch Volljährigkeit des Kindes entfallen sei. Vorliegend sei die Antragstellerin mit Zustimmung ihrer Mutter in das Verfahren eingetreten, die Voraussetzungen für einen gewillkürten Parteiwechsel seien damit gegeben. Da der Streitstoff als solcher sich hierdurch nicht ändere, sei auch keine Zustimmung des Antragsgegners erforderlich.
Die Leistungsfähigkeit kann durch einen Unterhaltstitel nicht erhöht werden
In sachlicher Hinsicht beanstandete der BGH die Entscheidung des OLG, wonach der Unterhaltsverpflichtete nicht leistungsfähig sei, im Ergebnis nicht. Der BGH wies allerdings darauf hin, dass teilweise vertreten wird, dass den Unterhaltspflichtigen, der Grundsicherung beziehe, die unterhaltsrechtliche Obliegenheit treffe, eine Nebentätigkeit auszuüben. Die Einkünfte aus dieser Nebentätigkeit verblieben ihm zur Unterhaltszahlung, wenn ein Unterhaltstitel bestehe. Auf diese Weise könne eine zumindest begrenzte Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten hergestellt werden. Dieser Auffassung schloss sich der BGH ausdrücklich nicht an. Sei der Unterhaltsverpflichtete tatsächlich finanziell so schwach, dass er keinen Unterhalt zahlen könne, so dürfe nicht durch die Annahme fiktiv möglicher Einkünfte aufgrund einer hierdurch geschaffenen hypothetischen Leistungsfähigkeit ein Unterhaltstitel erlassen werden. Vielmehr liefen die Unterhaltsansprüche in diesem Fall ins Leere. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen die unterhaltsabweisende Entscheidung des OLG hatte somit in der Sache keinen Erfolg.
(BGH, Beschluss v. 19.06.2013, XII ZB 39/11)
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