Bundesverfassungsgericht: Unterhaltspflicht muss individuell gepr

Bei der Berechnung der Unterhaltspflicht für ein Kind muss genau geprüft werden, ob der Betroffene wirklich in der Lage ist, für die Summe aufzukommen. Fiktive Einkünfte werden in Ausnahmefällen nicht hinzugerechnet.

Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfen bei unzureichendem Einkommen zwar grundsätzlich fiktive Einkünfte hinzugerechnet werden, die ein Unterhaltspflichtiger erzielen könnte, wenn er eine «ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit ausüben würde». Die Gerichte müssten aber stets die Verhältnismäßigkeit prüfen, entschieden die Bundesrichter mit drei am Freitag in Karlsruhe veröffentlichten Beschlüssen. Zu beachten seien persönliche Voraussetzungen wie Qualifikation oder Gesundheitszustand.
Damit hatten drei Verfassungsbeschwerden gegen die Zurechnung fiktiver Einkünfte bei der Bemessung des Kindesunterhalts Erfolg. (1 BvR 774/10, 1 BvR 1530/11 und 1 BvR 2867/11 vom 18. Juni 2012)


Qualifikation oder Gesundheitszustand bei Verhältnismäßigkeitsprüfung beachten

Im ersten Fall sollte ein aus Ghana stammender, nur schlecht Deutsch sprechender Mann für seinen Sohn 199 Euro im Monat zahlen. Weil er als Küchenhilfe nur netto 1027 Euro verdient, sollte er sich eine Nebentätigkeit suchen, um den vollen Unterhalt leisten zu können.
Die anderen beiden Männer sind körperlich behindert und leben von Sozialleistungen. Sie sollten 285 bzw. 225 Euro monatlich zahlen. In dem einen Fall hatte das Amtsgericht Ludwigslust unterstellt, dass der Mann bei «überregionalen Bemühungen» einen Job als Nachtportier oder Pförtner finden könnte. Im anderen Fall ging das Amtsgericht Köln davon aus, dass der Mann fiktiv zur Zahlung fähig sei, «da er keine Angaben zu seinen Bemühungen um eine Arbeit gemacht habe».
Das Bundesverfassungsgericht hob die Entscheidungen auf, weil es die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Beschwerdeführer verletzt sah. Fiktiv erzielbare Einkünfte dürften zwar berücksichtigt werden, wenn der Unterhaltspflichtige nicht arbeite, obwohl er das «bei gutem Willen» tun könne. Die erforderlichen Einkünfte müssten aber «objektiv erzielbar sein». Dies hänge von persönlichen Voraussetzungen wie Alter, Qualifikation, Erwerbsbiografie, Gesundheitszustand und vorhandenen möglichen Arbeitsstellen ab. Bei der Hinzurechnung fiktiver Einkünfte müsse feststehen, dass sich jemand nicht um einen Job bemüht habe.

dpa

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