Die Europäisierung des Erbrechts ist keine Zwangsmaßnahme, das wäre wohl auch schlecht aufgenommen worden: Abgemildert wird die künftige Anknüpfung des Erbrechts an den Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts dadurch, dass Art. 22 EU-ErbVO dem Erblasser ein Wahlrecht hinsichtlich des anzuwendenden Rechts einräumt.
- Neben dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts hat der Erblasser hiernach die Möglichkeit das Recht des Staates zu wählen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.
- Ein in Spanien lebender Deutscher kann also die Anwendung deutschen Erbrechts bestimmen, nicht jedoch die Anwendung spanischen Rechts.
- Die Rechtswahl kann in jeder nach dem Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zulässigen Rechtsform getroffen werden.
Die Ausübung der Rechtswahl durch handschriftliches Testament ist hiernach regelmäßig möglich.
Zuständiges Nachlassgericht / Gerichtsstandsvereinbarung
Ähnlich geregelt ist die Zuständigkeit des Nachlassgerichts. Zuständig ist gemäß Art. 4 EU ErbVO grundsätzlich das Nachlassgericht des Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die betroffenen Parteien können vereinbaren, dass das Gericht des Mitgliedstaats für die Entscheidung zuständig sein soll, dessen Recht der Erblasser für die Regelung des Erbfalls als maßgeblich gewählt hat. Die Gerichtsstandsvereinbarung bedarf grundsätzlich der Schriftform, Art. 5 Abs. 2 EU-ErbVO.
- Subsidiär begründet § 10 EU-ErbVO für die Fälle, in denen der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der EU hatte, die Zuständigkeit des Gerichts des Staates, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes besaß oder
- hierzu wiederum subsidiär die Zuständigkeit des Gerichts des vorübergehenden gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers.
Wichtig: Die Erklärung zu Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft, eines Vermächtnisses oder eines Pflichtteils kann der Erbe gemäß Art. 13 EU-ErbVO bei dem Gericht abgeben, an dem der Erbe seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Die EU-ErbVO spart einige Regelungsbereiche aus
Die EU-ErbVO ist gültig, ohne dass es einer Umsetzung in nationales Recht bedurft hätte. Zu beachten ist allerdings, dass die EU Erbverordnung gemäß Art. 1 einige Regelungsbereiche komplett ausspart. Das sind:
- Der Personenstand sowie die Familienverhältnisse und die Verhältnisse, die nach dem auf diese Verhältnisse anzuwendenden Rechts vergleichbare Wirkung entfalten,
- die Rechts-, Geschäfts-, und Handlungsfähigkeit von natürlichen Personen;
- Fragen des ehelichen Güterrechts;
- Unterhaltspflichten außer denjenigen, die mit dem Tod entstehen;
- die Formgültigkeit mündlicher Verfügungen von Todes wegen;
- Rechte und Vermögenswerte, die auf andere Weise als durch Rechtsnachfolge von Todes wegen begründet werden wie unentgeltliche Zuwendungen, Rentenpläne Versicherungsverträge und ähnliches;
- Fragen des Gesellschaftsrechts, des Vereinsrechts und des Rechts der juristischen Personen;
- Auflösung, Erlöschen und Verschmelzung von Gesellschaften, Vereinen oder juristischen Personen;
- dingliche Rechte,
- Eintragungen in öffentlicher Register.
Legaldefinitionen
Das Gesetz enthält eine Reihe von Begriffsbestimmungen. Hiernach ist
- die Rechtsnachfolge von Todes wegen jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge, durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge;
- Erbvertrag eine Vereinbarung, einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente, die mit oder ohne Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht;
- Verfügung von Todes wegen ein Testament, ein gemeinschaftliches Testament oder ein Erbvertrag;
- gemeinschaftliches Testament ein von zwei oder mehreren Personen in einer einzigen Urkunde errichtetes Testament.
Daneben enthält das Gesetz Definitionen darüber, was unter einer Entscheidung, einem gerichtlichen Vergleich und einer öffentlichen Urkunde zu verstehen ist.
Vgl. zum Erbrecht auch: