FG: Kosten für Umgangsrechtprozess als außergewöhnliche Belastung

Das FG Düsseldorf strebt eine Rechtsprechungsänderung des BFH an. Die Existenzgrundlage, die der Steuerzahler ohne ein Gerichtsverfahren zu verlieren droht, will es auch ideell, nicht nur materiell verstanden wissen. Dann wären Prozesskosten eines Umgangsrechtsstreits u.U. bei der Steuer abzugsfähig.

In dem Streit vor dem Finanzgericht Düsseldorf ging es um die Frage, ob die Prozesskosten abzugsfähig sind, die einem Kindsvater im Kampf um das Umgangsrecht mit seiner von der Kindsmutter entführten Tochter entstanden waren.  

Nur in krassen Ausnahmefällen sind Prozesskosten abzugsfähig

Nach § 33 Abs.1 EStG (in der Fassung, die seit dem Veranlagungszeitraum 2013 gilt) sind Kosten abzugsfähig,

  • wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen
  • als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen mit vergleichbaren Rahmenbedingungen (gleiche Einkommens- und Vermögensverhältnisse, gleicher Familienstand)
  • erwachsen.

Das Gesetz spricht dann von einer „außergewöhnlichen Belastung“.

Welche Kosten sind zwangsläufig?

Die Zwangsläufigkeit wird bejaht, wenn sich der Steuerzahler den Aufwendungen

  • aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann,
  • soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und
  • einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs.2 EStG).

Wann sind Prozesskosten zwangsläufig?

Für Prozesskosten gibt es eine Sonderregelung. Sie sind grundsätzlich vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn,

  • es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und
  • seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (§ 33 Abs. 2 S.4 EStG).

Tochter von der Mutter nach Südamerika entführt

Das kleine Mädchen, um das sich seine Eltern stritten, kam im Januar 2012 zur Welt. Das Familienglück währte nicht lange. Schon wenige Monate nach der Geburt trennte sich das Eltern- und Ehepaar. Die Kindsmutter flog mit dem Baby vorgeblich in den Urlaub nach Südamerika und kehrte von dort nicht mehr zurück. Der Vater, der sehr an seiner Tochter hing, konnte und wollte das nicht akzeptieren. So strengte er mit Hilfe eines Anwalts ein Verfahren zum "Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung" (HKÜ) an, um seine Tochter nach Deutschland zurückholen zu können. Das Gericht stellte dann auch die Widerrechtlichkeit des Kindesentzugs durch die Mutter fest.

Hohe Prozesskosten wegen prozessbedingter Reisen

Das Gerichtsverfahren war, u.a. auch wegen der prozessbedingten Reisekosten, sehr teuer. Es kostete ihn gut 20.000 EUR. Bei seiner Steuererklärung für das Jahr 2014 gab er diese Ausgaben als außergewöhnliche Belastung an und wollte sie dementsprechend von seinem Jahreseinkommen i.H.v. rund 57.000 EUR abgezogen wissen.

Das Finanzamt erkannte dies nicht an, weil nach seiner Ansicht die materiell zu verstehende Existenzgrundlage des Mannes nicht gefährdet sei und es sich daher um nicht abzugsfähige Prozesskosten handele.

FG Düsseldorf erkennt – anders als der BFH – immaterielle Existenzgrundlage an

Dagegen klagte der Vater erfolgreich vor dem Finanzgericht Düsseldorf. Mutig sprach sich dieses unter Bezugnahme auf ein Urteil des BFH vom 18.5.2017 (VI R 9/16) dafür aus, dass die Existenzgrundlage durchaus auch im immateriellen Sinn gedeutet werden kann.

  • Der BFH hatte diese Möglichkeit in seiner Urteilsbegründung angedeutet,
  • sich aber im Ergebnis dafür ausgesprochen, dass die Existenzgrundlage materiell zu verstehen ist.
  • Die Scheidungskosten, über die der BFH in jenem Fall zu entscheiden hatte, waren danach nicht abzugsfähig.
Das FG Düsseldorf hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Der BFH bekommt so die Möglichkeit, seine bisherige Ansicht zu ändern.

Hiermit versucht das FG Düsseldorf zu überzeugen:

Bei seiner Urteilsbegründung schließt sich das FG vor allem einer Stimme in der Literatur an, die des Prof. Dr. Hans-Joachim Kanzler. Der fasst unter die lebensnotwendigen Bedürfnisse die in drei Kategorien eingeteilten (nicht materiellen!) Grundbedürfnisse:

  • physiologische Bedürfnisse,
  • Sicherheitsbedürfnisse und
  • soziale Bedürfnisse.

Dringendes soziales Bedürfnis als außergewöhnliche Belastung?

Das dringende soziale Bedürfnis des Vaters, seiner Liebe und Fürsorge gegenüber seiner Tochter Folge zu leisten, subsumierte das Gericht sodann unter

  • den Kernbereich des menschlichen Lebens und erkannte an, dass es
  • für den Vater existenziell wichtig war, den Rechtsstreit um sein Umgangsrecht mit seinem Kind zu führen.
  • Auch weil Ehe und Familie unter besonderem staatlichen Schutz stehen (Art. 6 GG), müsse ein ungewöhnlicher Prozesskostenaufwand für die Rückholung eines ins Ausland entführten Kindes - ausnahmsweise - abzugsfähig sein. 

(FG Düsseldorf, Urteil v. 13.3.18, 13 K 3024/17 E).

Hintergrund:

Geltende BFH-Rechtsprechung zum Thema:

Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten nur dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Prozesskosten für ein Scheidungsverfahren zählen nicht hierzu. Denn ein Ehegatte erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse. Kosten für ein Scheidungsverfahren sind daher regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, selbst wenn das Festhalten an der Ehe für den Steuerpflichtigen eine starke Beeinträchtigung seines Lebens darstellt (BFH, Urteil v. 18.5.2017, VI R 9/16; veröffentlicht am 16.8.2017).