Gewalttätiger 9.-Klässler darf an andere Schule verwiesen werden

Die brutale Vergeltungsaktion eines 15-jährigen Gymnasiasten an einer Mitschülerin gefährdet in erheblichem Maße die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit an der Schule und rechtfertigt daher einen Schulverweis, so das Verwaltungsgericht Berlin in seiner kürzlich ergangenen Eilentscheidung.

Normalerweise sollen Unterrichtspausen dazu dienen, sich zu erholen, eine Kleinigkeit zu essen, zu quatschen und Kraft für die nächste Mathestunde zu tanken. Immer öfter sehen sich Kinder jedoch dem aggressiven Verhalten ihrer Mitschüler ausgesetzt. Schlagworte wie Mobbing/Cybermobbing (Bullying) und „dissen“ machen die Runde.

Die Schulen agieren mit Präventionsmaßnahmen oder reagieren auf Vorfälle mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Bei körperlicher Gewalt muss der Angreifer mit einem Schulverweis als ultima ratio rechnen.

Brutaler Angriff vor den Augen der Mitschüler

Anfang des Jahres trat und schlug ein 15-jähriger Neuntklässlers eines Gymnasiums in Berlin-Mitte während der Unterrichtspause eine 14-jährige Mitschülerin derart, dass sie erhebliche Verletzungen erlitt. Anschließend schleifte er sie vor den Augen der Mitschüler durch den Klassenraum. Die daraufhin einberufene Klassenkonferenz reagierte und überwies den gewalttätigen Schüler in eine andere Schule desselben Bildungsgangs.

Gegen den ausgesprochenen Verweis stellte der Angreifer beim Verwaltungsgericht Berlin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Als Begründung gab er an, die Schülerin hätte seine Tat provoziert als sie ihm auf der vorangegangenen Hofpause bei einer Schneeballschlacht einen Stein ins Gesicht warf. Die Entschuldigung der Schülerin erschien dem Antragstellen nicht ernsthaft gemeint.

Keine provozierte Affekthandlung

Das Verwaltungsgericht hielt die Entscheidung der Klassenkonferenz für gerechtfertigt und wies den Antrag im Eilverfahren zurück. Die Richter werteten die Tat dabei als eine völlig überzogene Vergeltungsaktion und schlossen somit eine Affekthandlung aus. Der Vorfall mit dem Steinwurf während der Schneeballschlacht habe zum Zeitpunkt des Angriffs auf die Mitschülerin bereits mehrere Stunden zurückgelegen. Zusätzlich fanden zwischen den Beteiligten unter Aufsicht von Lehrkräften klärende Gespräche statt, bei denen sich die Schülerin für den versehentlichen Treffer entschuldigte. Auf eine Provokation könne sich der Antragsteller daher nicht berufen.

Beeinträchtigung der Erziehungs- und Unterrichtsarbeit

Bei schwerem Fehlverhalten kann gem. § 63 des Berliner Schulgesetzes als Ordnungsmaßnahme die Überweisung in eine andere Schule desselben Bildungsgangs getroffen werden,

  • wenn der Schüler die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit beeinträchtigt oder andere am Schulleben Beteiligte gefährdet und
  • der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist, also ein milderes Ordnungsmittel nicht den gleichen Erfolg verspricht.

Durch sein aggressives Verhalten hat der Antragsteller elementare Ziele des Schulgesetzes missachtet. Die Unterrichts- und Erziehungsarbeit einer Schule ist auf Gewaltlosigkeit und auf verantwortungsbewusstes und soziales Verhalten ausgerichtet. Mit seiner Gewaltbereitschaft erwies sich der Antragsteller nach Auffassung der Verwaltungsrichter gegenüber diesen Zielen als unaufgeschlossen. Die Auseinandersetzung fand zudem vor den Augen anderer Schüler statt und erschwere so die Verwirklichung der Schulziele auch in Bezug auf seine Mitschüler. Die Schule muss derartig schweres Fehlverhalten sanktionieren, damit sie nicht an Glaubwürdigkeit und Durchsetzungsfähigkeit verliert.

Verweis als ultima ratio nach dem Schulgesetz

Als mildere Ordnungsmaßnahmen sind in § 63 Abs. 2 Berliner Schulgesetz der schriftliche Verweis, der Ausschluss vom Unterricht und anderen schulischen Veranstaltungen bis zu zehn Schultagen oder die Umsetzung in eine Parallelklasse genannt. Da auch nach Auffassung der Verwaltungsrichter diese Mittel jedoch ersichtlich keine Aussicht auf Erfolg versprächen, um dem Fehlverhalten des Antragstellers wirksam zu begegnen, war der Schulverweis vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gedeckt.

(VG Berlin, Beschluss v. 22.5.2014, VG 3 L 328.14).


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