Internationale Zuständigkeit bei der Vollstreckung deutscher Umgangstitel
Die internationale Zuständigkeit für die Vollstreckung von Entscheidungen über das Umgangsrecht richtet sich nach § 99 Abs. 1 FamFG, soweit sich aus unmittelbar geltenden, völkerrechtlichen Vereinbarungen oder aus Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft nichts Abweichendes ergibt.
§ 99 Abs. 1 FamFG regelt, dass die deutschen Gerichte international zuständig sind, wenn das Kind Deutscher ist oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.
Wann sind deutsche Behörden für die Durchsetzung eines deutschen Umgangstitels zuständig?
Das Problem liegt darin zu klären, wann eine andere Regelung dem § 99 Abs. 1 FamFG vorgeht. Der BGH hatte sich im Fall eines Jungens in Irland mit der Frage zu befassen, ob sich aus der Brüssel IIa-Verordnung (Nr. 2201/2003/EG) vorrangige Bestimmungen über die internationale Zuständigkeit für die Vollstreckung eines deutschen Umgangstitels entnehmen lassen.
Mutter zog nach der Trennung vom Vater mit dem Sohn nach Irland
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war die Mutter mit ihrem Anfang 2016 geborenen Sohn Mitte 2018 nach Irland gezogen, nachdem sich die Kindeseltern getrennt hatten.
Der Kindesvater hatte vor einem deutschen Amtsgericht einen Beschluss erwirkt, wonach er berechtigt ist, einmal wöchentlich eine halbe Stunde über Skype mit seinem Sohn Kontakt zu haben.
Außerdem war der Kindesmutter aufgegeben worden, innerhalb eines Monats mitzuteilen, wo, wann und wie ein begleiteter Umgang stattfinden könne. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen den Beschluss wurde Ordnungsgeld und ersatzweise Ordnungshaft angedroht.
Mutter ermöglichte keine Skype-Kontakte, Vater beantragte Ordnungsgeld/-haft
Da die Skype-Kontakte von der Mutter zunächst nur unzureichend und dann überhaupt nicht mehr ermöglicht wurden, beantragte der Kindesvater die Verhängung eines Ordnungsgeldes und ersatzweise Ordnungshaft gegen die Kindesmutter. Die Mutter setzte sich dagegen zu Wehr und vertrat im Verfahren die Auffassung, dass das vom Vater in Deutschland angerufene Amtsgericht gar nicht zuständig sei.
BGH bejahte internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte
Der BGH bejahte jedoch eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach § 99 Abs. 1 FamFG. Er führte aus, dass sich aus der Brüssel IIa-Verordnung keine vorrangigen einschlägigen Bestimmungen für die internationale Zuständigkeit entnehmen lassen. Die in Kapitel II. der Verordnung enthaltenen Zuständigkeitsregelungen gelten nur für das Erkenntnisverfahren, nicht aber für die Vollstreckung.
Durch die Verordnung soll nach ihrem Sinn und Zweck sichergestellt werden, dass die in einem Mitgliedsstaat getroffene Entscheidung auch in einem anderen Mitgliedsstaat effektiv durchgesetzt werden kann. Dies wird durch die besonderen Bestimmungen in Kapitel III. zur Anerkennung und Vollstreckung gewährleistet. Die Vollstreckung ist aber nicht auf die dort aufgeführten Möglichkeiten beschränkt.
Brüssel IIa soll Mitgliedsstaaten nicht hindern, Gerichtsentscheidungen selbst zu vollstrecken.
Durch die Regelungen soll den Mitgliedsstaaten gerade nicht die Möglichkeit genommen werden, inländische Gerichtsentscheidungen selbst zu vollstrecken. Es soll lediglich die Durchsetzung von Entscheidungen auch in einem anderen Mitgliedsstaat erleichtert werden.
- Bei Umgangsentscheidungen kann die Vollstreckung zwar häufig dort angezeigt sein, wo das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
- Die zwangsweise Einwirkung auf einen Elternteil mit Ordnungs- und Zwangsmitteln kann aber sinnvollerweise auch überall dort erfolgen, wo das Elternteil über Vermögenswerte verfügt oder sich aufhält.
- Der gewöhnliche Aufenthaltsort des Kindes ist hierfür nicht maßgeblich.
Zwangsvollstreckende Elternteil kann zwsichen inländischem Gericht und Brüssel IIa-Verordnung wählen
Das Elternteil, das die Zwangsvollstreckung betreibt, hat also die Wahl, ob es ein Zwangs- oder Ordnungsgeld durch das inländische Gericht festsetzen lässt, das ursprünglich mit der Sache befasst war, oder ob es in Anwendung der Brüssel IIa-Verordnung die Vollstreckung des Umgangstitels unmittelbar in dem Mitgliedstaat und nach dessen Recht betreibt, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
(BGH, Beschluss v. 27.11.2019, XII ZB 311/19).
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Mustertext und Hinweise zum Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gemäß § 89 FamFG wegen Nichtgewährung des Umgangs
Hintergrund: Zweck des Umgangsrechts
Durch das Umgangsrecht soll der nicht betreuende Elternteil die Möglichkeit erhalten, sich fortlaufend durch Begegnungen und gegenseitige Aussprache von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung einen persönlichen Eindruck zu verschaffen (BVerfG Beschluss v. 18.01.2010, 1 BvR 3189/09). Auf diesem Weg werden gleichzeitig die verwandtschaftlichen und emotionalen Bindungen aufrechterhalten und vertieft, so dass einer ansonsten drohenden wechselseitigen Entfremdung entgegen gewirkt werden kann. Zudem sollte nicht aus den Augen verloren werden, dass es für den Fall des Ausfalls des betreuenden Elternteils regelmäßig dem Kindeswohl entspricht, dass der andere Elternteil die Betreuung übernimmt. Diese Erwägungen gelten unabhängig davon, ob ein Elternteil von der Personensorge ausgeschlossen ist oder die Elternteile gemeinsam sorgeberechtigt sind, das Kind sich aber grundsätzlich in der Obhut eines Elternteils befindet.
Im Gegenzug dient das Umgangsrecht aber auch dazu, dem Kind die Möglichkeit zu geben, sich ein auf persönlichen Erfahrungen beruhendes Bild von dem nicht betreuenden Elternteil und dessen Ansichten zu machen. Für eine gedeihliche seelische Entwicklung des Kindes und die psychische Verarbeitung der Familienauflösung ist es von essentieller Bedeutung, dass das Kind nicht nur den betreuenden Elternteil als Bindungspartner hat, sondern auch zum anderen Elternteil die Beziehung so gut wie möglich aufrechterhalten kann.
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