Können Eltern frei zwischen Bar- und Naturalunterhalt wählen?

Zwar ist oft vom „Hotel Mama“ die Rede, von dem sich der Nachwuchs nur schwer losreißt. Doch manche unterhaltsberechtigten Kinder möchten lieber ausziehen, den Unterhalt in Geld beziehen und ihr Leben im Übrigen selbst organisieren. Haben sie gegenüber ihren Eltern einen entsprechenden Anspruch?

Grundsätzlich können die Eltern eines unverheirateten Kindes nach § 1612 Abs. 2 S. 1 BGB frei bestimmen, in welcher Art und Weise und für welchen Zeitraum im Voraus der Unterhalt von ihnen an das Kind gewährt werden soll (= Bestimmungsberechtigung).

Eltern sind im Prinzip frei in Art und Weise der Unterhaltsgewährung

Eltern können also festlegen, dass der Unterhalt im Elternhaus in Form von Kost und Logis etc. entgegenzunehmen ist. Dieses Bestimmungsrecht gilt gegenüber minderjährigen und volljährigen unverheirateten Kindern. Allerdings gilt dies Bestimmungsrecht nach der seit 1.1.2008 geltenden Fassung des § 1612 Abs. 2 nur, sofern auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht genommen wird.

Interessenabwägung

Bei der Prüfung, ob in angemessenem Umfang Rücksicht genommen wurde, müssen die Interessen der Eltern und des Kindes gegeneinander abgewogen werden. Fehlt es hieran, ist die Bestimmung der Eltern über die Art der Unterhaltsgewährung unwirksam.

Im Unterhaltsprozess ist die Wirksamkeit der Bestimmung daher eine Vorfrage, über die der Richter im Urteil zu entscheiden hat. Bei einer unwirksamen Bestimmung muss das Gericht die Eltern zur Zahlung einer Geldrente verpflichten. Eine wirksame Bestimmung hingegen bindet Eltern und Kind. Eine Klage auf Barunterhalt ist bei wirksamer Unterhaltsbestimmung ggf. abzuweisen.

Wer ist bestimmungsberechtigt

Bei intakter Ehe steht das Bestimmungsrecht beiden Eltern gemeinsam zu, sie müssen es nach § 1627 BGB auch einvernehmlich ausüben. Leben die Eltern getrennt oder sind sie geschieden, kann das Bestimmungsrecht als Teil der Personensorge für minderjährige Kinder nur von dem sorgeberechtigten Elternteil wahrgenommen werden. Üben die Eltern nach Trennung und/oder Scheidung die elterliche Sorge auch weiterhin gemeinsam aus, hat der Elternteil das Bestimmungsrecht, bei dem das Kind lebt und von dem es nach § 1629 Abs. 2 BGB vertreten wird.

Was gilt bei volljährigen Kindern?

Gegenüber volljährigen Kindern steht das Bestimmungsrecht zunächst jedem Elternteil zu, der in Anspruch genommen wird, sofern er den gesamten Unterhalt anbietet und hierzu in der Lage ist. Haben Eltern im Rahmen der Trennung oder Scheidung eine Vereinbarung über den Kindesunterhalt getroffen und hat sich hierbei ein Elternteil zur Leistung von Barunterhalt verpflichtet, bleibt die hierin getroffene Unterhaltsbestimmung bestehen. Sie kann nicht einseitig in Naturalunterhalt abgeändert werden. Dies gilt auch dann, wenn das Kind zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung zwischen den Eltern minderjährig war und jetzt volljährig ist.

Während der Ausbildung daheim wohnen?

Eine zulässig getroffene Unterhaltsbestimmung ist für das Familiengericht im Unterhaltsverfahren bindend. Nach der Neufassung des § 1612 Abs. 2 BGB kann eine Unterhaltsbestimmung nur wirksam sein, sofern der Bestimmungsberechtigte auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht genommen hat

Zugunsten der Eltern ist hierbei vor allem zu berücksichtigen, dass § 1612 Abs. 2 BGB sie vor einer wirtschaftlichen Überforderung durch längere Ausbildungszeiten und zunehmende Ausbildungskosten bewahren will. Aus diesem Grunde kann dem volljährigen Kind zunächst ein Verbleib im Elternhaus zugemutet werden, wenn nicht gewichtige Gründe entgegenstehen. Solche Gründe können dann vorliegen, wenn der Ausbildungsbetrieb oder der Studienort vom Wohnort der Eltern nur schwer zu erreichen ist und dem Kind wegen langer Fahrtzeiten eine tägliche Rückkehr in das Elternhaus nicht zugemutet werden kann.

Lieber mit dem Freund zusammen ziehen?

Das Bedürfnis des volljährigen Kindes, ein eigenes Leben mit eigenem Haushalt und ggf. auch mit einem Freund oder einer Freundin zu führen, steht jedenfalls bei einem gerade volljährig gewordenen Kind, das in seiner Berufsausbildung noch keine nennenswerten Fortschritte gemacht hat, die Realisierung einer Unterhaltsbestimmung nicht entgegen.

Allerdings müssen die Interessen der Eltern dann hinter die des Kindes zurücktreten, wenn sie den wohlverstandenen Belangen des Kindes zuwiderlaufen. Dies kann z.B. dann sein, wenn ein volljähriges Kind bereits einige Zeit einen eigenen Hausstand geführt hat und im Hinblick auf die Unterhaltsbestimmung wieder in den elterlichen Haushalt zurückkehren soll.

Wenn ein Zerwürfnis besteht

Auch eine tief greifende Entfremdung zwischen dem bestimmenden Elternteil und dem unterhaltsberechtigten Kind kann zur Unwirksamkeit der Bestimmung jedenfalls dann führen, wenn sie auch auf unangemessene Erziehungsmaßnahmen zurückzuführen ist.

Die Belange des Kindes sind auch dann nicht hinreichend berücksichtigt, wenn es sich dem anderen Elternteil stärker verbunden fühlt und deshalb nach Volljährigkeit in dessen Haushalt umzieht und der Elternteil, bei dem es bislang gelebt hat, diesen Umzug zum Anlass nimmt, die Rückkehr in seinen Haushalt durch eine Unterhaltsbestimmung nach § 1612 Abs. 2 S. 1 BGB zu erzwingen.

Folge einer wirksamen Unterhaltsbestimmung

Ist eine Unterhaltsbestimmung wirksam, kann das unterhaltsberechtigte Kind keinen Barunterhalt verlangen. Auch den anderen Elternteil kann es nicht auf Zahlung von Barunterhalt in Anspruch nehmen, da es seinen Bedarf dadurch decken könnte, dass es den ihm angebotenen Naturalunterhalt annimmt.


Schlagworte zum Thema:  Unterhaltspflicht, Kindesunterhalt