Nachlassverwaltung wegen Gefährdung der Pflichtteilsansprüche durch Umzug ins Ausland
Zwei Töchter eines Erblassers hatten als Pflichtteilsberechtigte die Anordnung der Nachlassverwaltung beim Nachlassgericht beantragt. Sie begründeten den Antrag damit, dass ihre Mutter als Alleinerbin die Absicht habe, den wesentlichen Nachlassgegenstand, eine Immobilie, zu veräußern.
Da die Mutter sich im Ausland aufhalte und weder eine ausländische noch eine inländische Anschrift bekannt sei, bestehe die Gefahr, dass die Durchsetzung der Pflichtteilsansprüche vereitelt würde.
Erbin verweigerte Bekanntgabe ihrer Anschrift
Im August 2018 ordnete das Gericht die beantragte Nachlassverwaltung an.
- Die Zusicherung der Mutter, nach Verkauf der Immobilie die Pflichtteilsansprüche der Töchter zu befriedigen, reichte dem Nachlassgericht als Sicherheit nicht aus,
- da die Mutter sich weiterhin weigerte, ihre Anschrift preiszugeben.
Nachlassverwaltung bei Anspruchsgefährdung
Im anschließenden Beschwerdeverfahren beurteilte das OLG die Entscheidung des AG als zutreffend. Gemäß § 1981 Abs. 2 BGB sei auf Antrag eines Nachlassgläubigers die Nachlassverwaltung anzuordnen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Befriedigung der Nachlassgläubiger aus dem Nachlass durch das Verhalten oder die Vermögenslage des Erben gefährdet wird. Eine Gefährdung sei insbesondere dann anzunehmen, wenn ein Erbe die Gläubigerbefriedigung durch sein Verhalten, sei es schuldhaft oder nicht, gefährde, namentlich durch
- leichtsinnige Verschleuderung des Nachlasses,
- voreilige Befriedigung einzelner Nachlassgläubiger,
- oder durch große Gleichgültigkeit.
Die Veräußerung zum Nachlass gehörender Gegenstände stellt nach einer Entscheidung des BayObLG nur dann eine Gefährdung dar, wenn durch eine schlechte Vermögenslage des Erben die Gefahr eines Zugriffs von eigenen Gläubigern des Erben auf den Nachlass besteht.
In diesem Fall könne der Erbe die vorhandene Gefährdung durch Sicherheitsleistung beseitigen (BayObLG, Beschluss v. 13.3.2002, 1Z BR 57/01).
Differenzierende Betrachtungsweise bei Veräußerungen aus dem Nachlass
Das OLG Düsseldorf differenziert in seiner Entscheidung bei Veräußerung von Vermögensgegenständen durch den Erben nach deren Bedeutung für den Nachlass.
Anders als in dem vom BayObLG entschiedenen Fall ist die Lage nach Auffassung des OLG dann zu beurteilen, wenn der Erbe einen Nachlassgegenstand veräußert, der einen wesentlichen Teil des Nachlasses ausmacht. Sofern der Erbe in diesem Fall den Gläubigern keine Sicherungen am Erlös einräume, könne eine Gefährdung der Gläubigerbefriedigung vorliegen. Diese Voraussetzung habe im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Entscheidung des Nachlassgerichts vorgelegen, denn das Immobilieneigentum sei wertmäßig der wesentliche Teil des Nachlasses gewesen.
In Ermangelung einer Anschrift der Antragsgegnerin habe die Gefahr bestanden, dass die Durchsetzung der Ansprüche der pflichtteilsberechtigten Töchter durch die Veräußerung erschwert würde. Diese hätten ohne Angabe einer Anschrift ihrer Mutter gegebenenfalls nicht einmal in zulässiger Weise ein Arrestgesuch zur Sicherung ihrer Forderungen stellen können.
Demgemäß sei die Entscheidung des Nachlassgerichts rechtlich nicht zu beanstanden.
Inländische Anschrift der Mutter wurde im Laufe des Verfahrens bekannt
Dennoch wies das OLG den Antrag auf Zwangsverwaltung im Ergebnis zurück. Im Beschwerdeverfahren hatte die Antragsgegnerin ihre inländische Anschrift benannt und durch eine Meldebestätigung und Vorlage ihres Personalausweises zuverlässig belegt.
Diese neuen Tatsachen seien gemäß § 65 Abs. 3 FamFG im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Beschwerdeentscheidung bestand nach Auffassung des OLG daher die ursprünglich vorhandene Gefährdung der Durchsetzung der Pflichtteilsansprüche nicht mehr.Somit wies das OLG die den Antrag auf Anordnung der Zwangsverwaltung zurück.
Die Kosten des Verfahrens musste allein die Mutter tragen
Die Kosten legte das OLG allerdings allein der Antragsgegnerin auf. Gemäß §§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG, 97 ZPO habe die Antragsgegnerin die Kosten allein zu tragen, da sie mit ihrer Beschwerde nur infolge ihrer nachträglich bekannt gegebenen Anschrift obsiegt habe. Ursprünglich habe sie durch Verweigerung der Bekanntgabe ihrer Anschrift den Anlass für die Einleitung des Verfahrens und damit auch für die entstandenen Verfahrenskosten gegeben.
(OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.11.2018, I-3 Wx 175/18).
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Hintergrund-Info:
Prozessuale Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs
Bei der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs im Prozess kann der Berechtigte auf verschiedene Weise vorgehen. Je nachdem, ob der Berechtigte schon Kenntnis über den Nachlass hat – dann kann er sogleich Zahlungsklage erheben – oder ob er erst noch Auskunft benötigt – dann hat er die Möglichkeit, Stufenklage zu erheben –, ist die richtige Vorgehensweise von unterschiedlichen Faktoren abhängig.
Der Berechtigte kann einzeln vorgehen, indem er zunächst Auskunftsklage erhebt und danach eine Zahlungsklage geltend macht. Nachteilig ist, dass ihm bei diesem Vorgehen in der Summe höhere Prozesskosten entstehen. Die Gebühren für die einzelnen Prozesse entstehen aus zwei getrennten Streitwerten, während bei der kumulativen Klagehäufung (Stufenklage) die Kosten aus einem Gesamtstreitwert ermittelt werden.
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