Papst Franziskus erleichtert die Eheannullierung
Was Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen. Getreu diesem neutestamentarischen Gebot versteht die katholische Kirche die vor Gott geschlossene kirchliche Ehe als unauflösbares Band, das nicht zur Disposition menschlicher Institutionen steht.
Der theologische Ausweg
Schon in den letzten 300 Jahren, in denen diese Regelung Geltung hatte, hatte die Kirche gelegentlich ein Einsehen in die unvollkommene Lebenswirklichkeit der Gläubigen. In einem komplizierten zweistufigen, langwierigen und vor allem kostenintensiven Verfahren bestand die Möglichkeit, eine Ehe im Nachhinein für nichtig erklären zu lassen. Ein Ausweg, der schon wegen der hohen Kosten hauptsächlich Gutbetuchten zur Verfügung stand.
In Zukunft kostenlos
Das kirchliche Verfahren hat der Papst in zwei päpstlichen Schreiben („Motu proprio“) nun erheblich vereinfacht, wenn nicht revolutioniert.
- Künftig soll die Kirche nur eine Auslagen- und Aufwandserstattung verlangen können, im übrigen ist das Verfahren kostenlos.
- Das zweistufige Verfahren entfällt, in Zukunft entscheidet eine einzige Institution.
- Die Entscheidung trifft ein Ehegericht oder, falls nicht vorhanden, der zuständige Bischof selbst oder ein von ihm beauftragter Priester mit zwei Assistenten.
- Die Dauer des Verfahrens soll in der Regel 45 Tage nicht überschreiten
Verfahrensänderung soll das Leiden vieler Katholiken beenden
Viele Katholiken leiden unter der bisherigen Situation. Geschiedene, wieder verheiratete Katholiken dürfen zwar einen Gottesdienst besuchen, von dem Sakrament der Eucharistie sind sie aber ausgeschlossen. Das Zusammenleben mit einem neuen Partner bedeutet auch nach der Scheidung nach kanonischem Recht einen Bruch der ursprünglichen Ehe.
Das materielle Recht bleibt unverändert
In der Praxis dürfte die Änderung des Verfahrensrechts weitreichende Folgen haben und für viele die Ungültigkeitserklärung erleichtern. Dies gilt vor allem, wenn beide Ehepartner mit der Auflösung der Ehe einverstanden sind, andernfalls dürfte es weiterhin schwierig bleiben. Nicht verkannt werden darf auch, dass der Papst die materielle Rechtslage durch die Verfahrensänderung nicht angetastet hat. Die Gründe für die Auflösung der Ehe sind weiterhin im kanonischen Recht streng geregelt. Auflösungsgründe sind u.a.
- eine Scheinehe,
- eine erzwungene Eheschließung,
- der Irrtum darüber, dass der Ehepartner keinen Kinderwunsch hat,
- der Irrtum darüber, dass der Ehepartner das Treuegebot beachtet,
- die Beischlafunfähigkeit eines Ehepartners (nicht Zeugungsunfähigkeit).
Die Gründe für die Auflösung der Ehe sind also weiterhin eher begrenzt.
Synode der Bischöfe zu Ehe und Familie im Oktober
Brisant ist, dass die Regelung wenige Wochen vor der im Oktober stattfindenden Synode veröffentlicht wird. Bei der Synode werden die Kirchenführer aus aller Welt im Vatikan über Fragen von Ehe und Familie beraten. Hierbei soll es auch um die materiellen Voraussetzungen für die Ungültigkeitserklärung gehen. Der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx hat bereits betont, dass die Verfahrensänderung keinen Vorgriff auf die Beantwortung der materiellrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Eheauflösung bedeuten. Das Vorpreschen des Papstes dürfte allerdings auch Einfluss auf die dort zu erwartenden Ergebnisse haben.
Vergebung als ein Motto des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit
In Kraft treten sollen die neuen Verfahrensregeln mit dem Beginn des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit am 8. Dezember dieses Jahres. Der Papst möchte ein großes Zeichen der Bereitschaft zur Vergebung setzen. Unter dem Motto „Die Vergebung Gottes darf niemandem versagt werden“ hat der Papst für das Heilige Jahr weltweit allen Priestern die Erlaubnis erteilt, Frauen zu vergeben, die abgetrieben und Männern, die eine Abtreibung durchgeführt haben. Diese Ausnahme, die merkwürdigerweise in Deutschland bereits besteht, soll für die Zeit des Heiligen Jahres weltweit gelten. Auch an die Gefangenen hat der Papst gedacht. Weltweit soll Vergebung auch in den Gefängniskapellen hinsichtlich der von den Gefangenen begangenen Verbrechen gewährt werden. Der Papst erweist sich damit einmal mehr als ein Vertreter allumfassender Barmherzigkeit. Nicht verkannt werden sollte aber: Kirchliche Vergebung setzt begangenes Unrecht oder Sünde voraus. Der Papst rührt mit seinen bisherigen Reformen also nicht inhaltlich an den Grundsätzen, nach denen die Kirche bewertet, was Recht oder Unrecht, was Sünde oder was nicht Sünde ist. Der Papst möchte aber weg von einer verurteilenden Kirche des erhobenen Zeigefingers hin zu einer barmherzigen Kirche der Vergebung.
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