Verwirkung von Unterhalt auch bei verschwiegener Vaterschaft möglich
Er im Jahr 1988 geborene Antragsteller nahm seinen Vater im Wege der Stufenklage auf Zahlung von Unterhalt seit November 1988 in Anspruch. Seit seiner Geburt lebte der Antragsteller im Haushalt der Kindesmutter und sah deren Ehemann als seinen Vater an. Im Januar 2013 wurde der Antragsteller von der Kindesmutter über seine wahre Abstammung in Kenntnis gesetzt.
Vater hatte nicht mit Unterhaltsansprüchen gerechnet
Zur Begründung seiner rückwirkend geltend gemachten Unterhaltsansprüche führte der Antragsteller aus, er sei an der Geltendmachung von Unterhalt gehindert gewesen, da er bis Januar 2013 keine Kenntnis von seiner Abstammung gehabt habe. Der Kindesvater lehnte jegliche Unterhaltszahlung ab, da er mit der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen nicht habe rechnen müssen. Die Kindesmutter habe Unterhalt nie verlangt.
Grundsatz: Unterhalt auch für die Zeit vor Vaterschaftsfeststellung
Weder beim Familiengericht nach beim zweitinstanzlich mit der Sache befassten OLG hatte der Antragsteller Erfolg. Das OLG verwies allerdings auf die Vorschrift des § 1613 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Diese Vorschrift beinhalte bewusst eine Ausnahme von der allgemeinen Regelung, dass Unterhalt für die Vergangenheit ohne vorherige Mahnung des Unterhaltsschuldners grundsätzlich nicht verlangt werden kann.
- Zwar sei ein Vater gegenüber dem Kind von der Geburt an unterhaltspflichtig, jedoch sei das Kind an der Geldmachung von Unterhalt solange gehindert, als die Vaterschaft nicht festgestellt sei.
- Um zu vermeiden, dass dem sich renitent gegen eine Vaterschaftsfeststellung wehrenden Unterhaltsschuldner hieraus ein Vorteil erwachsene, bestimme § 1613 Abs. 2 Nr. 2 BGB, dass ein Kind grundsätzlich von seinem Vater Unterhalt auch für den Zeitraum vor Feststellung der Vaterschaft verlangen könne.
Die Verwirkungsgrundsätze gelten auch vor Vaterschaftsfeststellung
Diese für den Antragsteller grundsätzlich positive Feststellung half ihm im konkreten Fall jedoch nicht. Der OLG-Senat vertrat nämlich die Auffassung, dass der Grundsatz der rückwirkenden Unterhaltsgewährung nichts an den Grundsätzen über die Verwirkung eines Unterhaltsanspruchs ändere.
- Hiernach sei ein Unterhaltsanspruch dann verwirkt, wenn der Berechtigte diesen über längere Zeit nicht geltend gemacht habe, obwohl er dazu in der Lage gewesen sei (Zeitmoment)
- und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieses Recht auch zukünftig nicht geltend gemacht werde (Umstandsmoment).
Diese Grundsätze sind nach Auffassung des Senats auch auf die Zeit vor Anerkennung einer Vaterschaft anwendbar.
Verhalten der Mutter wird dem Kind zugerechnet
Nach den Feststellungen des Senats hat im vorliegenden Fall die Mutter in der Zeit der Minderjährigkeit des Antragstellers die klare Entscheidung getroffen, keinen Unterhalt gegen den Kindesvater geltend zu machen. Diese Entscheidung der Kindesmutter müsse der Antragsteller sich zurechnen lassen, da die Kindesmutter während der Minderjährigkeit die alleinige gesetzliche Vertreterin des Antragstellers gewesen sei. Aufgrund dieser Disposition der Mutter habe der Antragsgegner zu Recht annehmen dürfen, dass Unterhalt nicht verlangt werde. Er sei bis Januar 2013 zu keinem Zeitpunkt mit der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen konfrontiert worden und genieße insoweit Vertrauensschutz. Die Ansprüche des Antragstellers auf Unterhalt bis zu seiner Volljährigkeit seien deshalb verwirkt.
Leiblicher Vater kam um alle Unterhaltsleistungen herum
Auch für die Zeit ab Volljährigkeit gestand das OLG dem Antragsteller keinen Unterhaltsanspruch zu. Nach Abschluss der Realschule habe er über einen längeren Zeitraum keine klare Berufswahl getroffen. In Unterhaltsberechtigten treffe aber die Obliegenheit, mit der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener Zeit eine Berufsausbildung zu beginnen und zu beenden. Für die konkret beim Antragsteller eingetretene mehrjährige Verzögerung, habe dieser keine plausiblen, nachvollziehbaren Gründe vorgebracht. Deshalb sah das Gericht keine Veranlassung, dem Antragsteller für die Zeit ab Volljährigkeit Unterhalt zu gewähren. Durch diese Rechtsauslegung des Senats kam der leibliche Vater um jegliche Unterhaltsleistung herum. Zur unterhaltsrechtlich gebotenen Zielstrebigkeit hatte seinen Sohn offensichtlich weder der leibliche Vater noch sonst jemand erzogen.
(OLG Saarbrücken, Beschluss v. 31.7.2014, 9 WF 49/14).
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