Verlust des Aufenthaltsrechts Drittstaatsangehöriger bei Wegzug des Ehegatten
Im vom EuGH entschiedenen Fall ging es um drei nicht der EU angehörige Ehemänner aus Indien, Kamerun und Ägypten, die Frauen aus dem Vereinigten Königreich, Lettland und Litauen geheiratet hatten. Mit diesen lebten sie in Irland jeweils länger als drei Jahre.
Alle 3 Europäerinnen verließen Irland und ihr Nicht-EU-Ehemänner
In allen drei Fällen verließen die Frauen ihre Ehemänner und zogen von Irland wieder weg in ihre Heimatländer und ließen sich von dort ansässigen Familiengerichten scheiden. Der irische Staat verweigerte den drei Männern (zunächst) die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis unter Hinweis auf die Richtlinie 2004/38/EG(2). Hiergegen gingen die Männer gerichtlich vor.
Die Rechtsgrundlagen
- Gemäß Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG hat jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates, wenn er dort arbeitet, dort als Selbständiger tätig ist oder über ausreichende Existenzmittel verfügt.
- Gemäß Abs. 2 der Vorschrift gilt dieses Aufenthaltsrecht auch für Familienangehörige – hier: die 3 Ehemänner - , die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzen.
Wenn das Aufenthaltsrecht am (Ex-)Ehepartner hängt
Art. 12 der Richtlinie regelt den Fortbestand des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen im Fall des Wegzugs des Unionsbürgers, von dem sie ihr Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat abgeleitet haben.
- Handelt es sich bei den Angehörigen selbst um Unionsbürger, so behalten diese in der Regel ihr Aufenthaltsrecht.
- Nicht-EU-Angehörige behalten das Aufenthaltsrecht nur in dem Sonderfall, dass dies zur Beendigung einer Ausbildung gemeinsamer Kinder erforderlich ist, sonst nicht.
Gemäß Art. 13 der Richtlinie führt eine Scheidung nur dann nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechts von Drittstaatsangehörigen, wenn die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens mindestens drei Jahre und davon mindestens eines im Aufnahmemitgliedstaat bestanden hat.
Vorlagefrage für den EuGH
Die letztgenannte Voraussetzung war bei allen drei Klägern erfüllt, so dass nach dem Wortlaut grundsätzlich eine Anwendung der Vorschrift in Betracht gekommen wäre. Der im Rechtsweg mit allen drei Fällen befasste „High Court of Ireland“ legte dem EuGH verschiedene im Zusammenhang damit stehen Rechtsfragen zur Beantwortung vor.
Im Vordergrund stand die Frage, ob ein Drittstaatsangehöriger sein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat behält, wenn seine Ehe mit einer Unionsbürgerin, die mehr als drei Jahre bestanden hat, geschieden wird und die Scheidung stattfindet, nachdem die Unionsbürgerin aus dem Aufnahmemitgliedstaat weggezogen ist.
Mit Wegzug des EU-Ehegatten ist auch das Aufenthaltsrecht weg
Der EuGH vertrat bei seiner Entscheidung eine eng am Wortlaut der Richtlinie 2004/38 orientierte Auslegung. Im Vordergrund sah der EuGH die Vorschrift des Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie, wonach Drittstaatsangehörige beim Wegzug des der EU angehörigen Ehegatten ihr Aufenthaltsrecht nur so lange behalten, bis die gemeinsamen Kinder ihre Ausbildung in einer Bildungseinrichtung in diesem Staat abgeschlossen haben. Ist dies - wie in allen drei anhängigen Fällen - nicht der Fall, so verliert der Drittstaatsangehörige nach Auffassung des EuGH sein Aufenthaltsrecht mit Wegzug des der Union angehörigen Ehegatten.
Entscheidend ist Verbleib des EU-Ehegatten bis zur Scheidung
Hieraus folgert der EuGH, dass die Vorschrift des Art. 13 Absatz 2a der Richtlinie 2004/38 (Aufenthaltsrecht bei Scheidung nach dreijähriger Ehe) vorliegend nicht zur Anwendung kommen könne, weil mit dem Wegzug des Unionsbürgers das Aufenthaltsrecht der zurückgebliebenen Drittstaatenbürger bereits erloschen sei. Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie setze aber voraus, dass der Unionsbürger sich zum Zeitpunkt der Scheidung noch in dem Aufnahmemitgliedstaat aufhalte. Nur dann erlösche bei dreijährigem Bestand der Ehe das Aufenthaltsrecht des Drittstaatsangehörigen nicht.
Der Zufall führt Regie
Dieses auf den ersten Blick zufällig anmutende - allein vom Zeitpunkt des Wegzugs des Ehegatten abhängige - Ergebnis hat nach Auffassung des EuGH einen nachvollziehbaren inneren Grund.
- Art. 13 der Richtlinie verfolge nämlich nicht in erster Linie den Zweck, den Drittstaatsangehörigen zu schützen,
- der Zweck der Vorschrift bestehe vielmehr darin, dass der drohende Verlust des Aufenthaltsrechts für die Ehepartner kein Beweggrund sein soll, trotz zerrütteter Ehe keinen Antrag auf Ehescheidung zu stellen.
Habe der der Union angehörige Ehegatte aber bereits das Aufnahmeland verlassen, verliere dieser Schutzzweck seine Bedeutung. Daher sei es sachgemäß, die entsprechenden Vorschriften wörtlich auszulegen, da hierdurch der Sinn des Gesetzes gewahrt werde.
Auf die Gnade des Aufnahmestaates angewiesen
Der EuGH verkannte nicht, dass sich Unbilligkeiten ergeben können, wenn im Fall einer Scheidung bei Verbleiben des Unionsbürgers im Inland ein Scheidungsantrag gestellt wird und dadurch gemäß Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie der Drittstaatsangehörige sein Aufenthaltsrecht behält, während dies im Fall des vorherigen Wegzugs des der EU angehörigen Ehegatten nicht der Fall ist.
- Diese Unbilligkeit hat der Gesetzgeber nach Auffassung des EuGH in Kauf genommen.
- Im übrigen bleibe es den Einzelstaaten unbenommen, in Einzelfällen Härteregelungen in Kraft zu setzen um die Betroffenen vor unbilligen Ergebnissen zu schützen.
- Auch wenn die Drittstaatsangehörigen ihr Aufenthaltsrecht verlieren, sei es das Recht eines jeden Staates den Aufenthalt dennoch aufgrund nationalstaatlicher Gesetzgebung oder aus Billigkeitserwägungen weiterhin zu dulden.
So ist es in den drei entschiedenen Fällen auch kommen. Der irische Staat hat den Betroffenen den Aufenthalt inzwischen gestattet.
(EuGH, Urteil v. 16.7.2015, C-218/14).
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