Witwenrente bei lang geplanter Heirat auch nach nur 19 Tagen Ehe möglich
Geld oder Liebe?
„Frau heiratete reichen Mann kurz vor dessen Tod“ – Wer diese Schlagzeile liest, kommt unweigerlich auf den Gedanken: Da spielte wohl mehr das Geld und weniger die Liebe eine Rolle. Das Gesetz, nämlich § 46 Abs. 2a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, vermutet Ähnliches, wenn es bestimmt, dass Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente haben, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat.
Gesetzliche Versorgungsehe-Vermutung kann widerlegt werden
Mit dieser Vorschrift soll nämlich die sog. Versorgungsehe ausgeschlossen werden, die nur eingegangen wird, damit der Hinterbliebene nach dem Tod des anderen finanziell abgesichert ist. Ein Hintertürchen bleibt jedoch für Fälle, in denen die Sache in Wirklichkeit ganz anders liegt: Die gesetzliche Vermutung kann widerlegt werden – und das sogar in Extremfällen, wie ein vor kurzem veröffentlichtes Urteil des Sozialgerichts Berlin zeigt.
Je kürzer die Ehe war, desto schwergewichtiger müssen die Argumente sein
Eine Frau hatte ihren Lebensgefährten geheiratet. 19 Tage später starb der Mann an Lungenkrebs, an dem er schon längere Zeit litt. Die Witwe beantragte die Hinterbliebenenrente. Die Deutsche Rentenversicherung Bund lehnte ihren Antrag ab. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe sei nicht widerlegt, begründete die Behörde ihre Entscheidung.
Das Sozialgericht folgte dieser Meinung nicht und entschied zugunsten der Witwe:
Wer im Angesicht des Todes heiratet, müsse gewichtige Gründe vorbringen, die gegen eine reine Versorgungsehe sprechen.
Diese Gründe müssen umso schwerer wiegen, je offenkundiger und lebensbedrohender die Krankheit des Partners zum Zeitpunkt der Heirat sei.
Ehe vor Erkrankung geplant
Im entschiedenen Fall konnte die Hinterbliebene jedoch solche Gründe ins Feld führen: Man habe bereits lange vorher - seit 2003 - zusammengelebt, ein gegenseitiges Testament errichtet, eine Patientenverfügung aufgesetzt und gegenseitige Bankvollmachten ausgestellt. Zudem konnte die Frau den Richtern glaubhaft machen, dass sie noch vor der Info über die Erkrankung Erkundigungen über eine mögliche Eheschließung eingeholt habe.
Eine Heirat sei seit langem geplant gewesen, sei aber wegen der ersten Ehe des Verstorbenen und des sich anschließenden langen Scheidungsverfahrens erst spät möglich gewesen. Dies alles überzeugte die Richter. Die Ehe sei also nicht schnell noch geschlossen worden, um eine Witwenversorgung zu begründen. Mit dieser Eheschließung sei vielmehr nur das vollzogen worden, was seit langem beabsichtigt gewesen sei.
(Sozialgericht Berlin, Urteil v. 30.05.2012, S 11 R 5359/08).
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