Kürzung des Unterhalts und Erwerbsobliegenheit bereits im Trennungsjahr
Bislang galt das Trennungsjahr in der Rechtsprechung quasi als Schonfrist, innerhalb der den wirtschaftlich schwächeren erwerbslosen Ehepartner keine Erwerbsobliegenheit traf. Unter dem Motto „Vielleicht findet man ja doch wieder zusammen“, sollten einschneidende Veränderungen bei der bisherigen Aufgabenverteilung und wirtschaftlichen Verantwortung zunächst vermieden werden.
Grundsätzlich keine einschneidende Veränderungen im 1. Jahr
Dieses Prinzip war zumindest auf die klassischen Hausfrauenehen anwendbar, und wird es auch vermutlich weiter sein. Haben die Eheleute vereinbart, dass einer von ihnen die Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernimmt, während der andere einer Erwerbstätigkeit nachgeht, um die Familie zu ernähren, ist dem unterhaltsberechtigten Ehegatten im Falle der Trennung die Übergangszeit von mindestens einem Jahr zuzubilligen.
Keine klassische Aufgabenverteilung
Existiert diese klassische Aufgabenverteilung jedoch nicht und hat der wirtschaftlich schwächere Anspruchsberechtigte bereits während der Ehe zumindest teilweise gearbeitet, kann ihn nach Auffassung des OLG Koblenz im Einzelfall auch schon während des ersten Trennungsjahres eine Erwerbsobliegenheit treffen, selbst wenn er im Zeitpunkt der Trennung erwerbslos war.
Amtsgericht kürzt Trennungsunterhalt
Die gelernte Dipl.-Betriebswirtin arbeitete während der gemeinsamen Haushaltsführung in einer Steuerberatungsfirma, wurde aber nach der Probezeit nicht übernommen. Daraufhin hat sie zwar bei der Agentur für Arbeit vorgesprochen, sich jedoch nicht arbeitslos gemeldet. Auch anderweitige Bewerbungsversuche blieben erfolglos.
Im April 2015 trennte sich das Ehepaar. Nach eigenen Angaben hat die Ehefrau im Wintersemester 2015 mit einem zweiten Studium begonnen. Für die bisherige Trennungszeit legte die Ehefrau im November 2015 insgesamt drei Bewerbungen und eine Absage vor.
Das Amtsgericht sprach der Frau Trennungsunterhalt zu. Bei der Bemessung wurde für die ersten sechs Monate kein eigenes Einkommen berücksichtigt, allerdings für die Zeit danach ein fiktives Einkommen angerechnet. Hiergegen legte die Ehefrau Beschwerde ein, die jedoch vom Oberlandesgericht Koblenz zurückgewiesen wurde.
OLG: Aufnahme eines Jobs nach sechs Monaten zumutbar
Nach der Trennung hat der wirtschaftlich schwächere Ehepartner einen Anspruch auf Trennungsunterhalt gem. § 1361 Abs. 1 BGB. Grundsätzlich gilt aber auch für die Zeit des Getrenntlebens bereits das Prinzip der Eigenverantwortung. Allerdings kann der nicht erwerbstätige Ehegatte gem. § 1361 Abs. 2 BGB nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere
- wegen einer früheren Erwerbstätigkeit und
- unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe und
- nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten
erwartet werden kann.
Die Richter hielten die Bemühungen der Antragstellerin um eine Erwerbstätigkeit im vorliegenden Fall für nicht ernsthaft und unzureichend. Aufgrund ihrer abgeschlossenen Ausbildung ging das OLG davon aus, dass die Antragstellerin binnen sechs Monaten eine Arbeit hätte finden können.
Zweitausbildung müsse der Antragsgegner nicht finanzieren
Eine möglicherweise begonnene Zweitausbildung müsse der Antragsgegner nicht finanzieren. Somit war aus Sicht des OLG eine Kürzung des Trennungsunterhalts um ein fiktives Einkommen in Höhe des zuletzt erzielten bereinigten Nettoeinkommens rechtens.
(OLG Koblenz, Beschluss v. 10.2.2016, 7 WF 120/16).
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