Fernseh-Tatort am Sonntag 20:15 Uhr: Der Stuttgarter Tatortkommissar Lannert rettet das Leben einer Geisel durch einen gezielten Todesschuss auf den Geiselnehmer. Kein Zuschauer hat ernsthafte Zweifel, dass diese Aktion gerechtfertigt war. Alle Sympathien sind auf Seiten des Kommissars, aber ist ein solcher gezielter Todesschuss wirklich zulässig oder hat der Kommissar durch sein Vorgehen in Überschreitung seiner Kompetenz ein vorweggenommenes Todesurteil gegen den Täter gefällt?
Was ist ein finaler Rettungsschuss?
Immer wieder gerät der finale Rettungsschuss in die öffentliche Diskussion. Manche halten schon den Begriff für eine Verharmlosung, da der Rettungsschuss in Wahrheit ein Todesschuss ist.
Als finalen Rettungsschuss bezeichnet man einen gezielten Todesschuss der Polizei „zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit“. So steht es in den Polizeigesetzen der meisten Bundesländer (z.B. § 54 Abs. 2 PolG BW). Aber auch in den Bundesländern, in denen der Todesschuss nicht gesetzlich geregelt ist, ist er als Ultima Ratio zulässig nach den Grundsätzen der Notwehr bzw. Nothilfe.
Vorbeugender Todesschuss zur Terrorabwehr
Dessen Einführung hatte der damalige Innenminister Schäuble nach den Ereignissen um das World Trade Center gefordert. Hiernach sollte der finale Rettungsschuss vorverlagert werden dürfen, wenn objektive Tatsachen für eine bevorstehende Terrorgefahr sprechen und diese mutmaßliche Gefahr nur durch einen gezielten Todesschuss abgewendet werden kann.
Wohin eine solche Vorverlagerung führen kann, hat ein Vorfall in London im Jahr 2005 gezeigt. Zwei Wochen nach den Terroranschlägen in der Londoner U-Bahn mit vielen Toten drang eine Elitetruppe der Polizei in einen U-Bahn-Waggon ein. Die Polizisten riefen: „down, down“. Die Passagiere glaubten an einen Überfall und flüchteten teilweise. Unter den Flüchtenden befand sich auch der in London arbeitende Elektriker Jean Charles Menezes. Er wurde von fünf Polizisten überwältigt, festgehalten und mit 8 Schüssen in den Kopf getötet. Entgegen der Annahme der Polizei hatte der Elektriker keinerlei Kontakte zu irgendwelchen Terrorgruppen.
Gezielte Tötungen nicht ganz selten
In Deutschland ging ein Ereignis in Hamburg am 18.4.1978 als erster Fall des finalen Rettungsschusses in die Polizeigeschichte ein. Ein junger Kolumbianer betrat eine Filiale der Commerzbank in Hamburg. Mit einer Pistole bedrohte er die Mitarbeiter der Bank und verlangte Geld. Schnell erschien ein herbeigerufenes Polizeikommando am Unfallort. Ein junger Polizist, der mit geladener Pistole den Schalterraum betrat, wurde von dem Bankräuber sofort erschossen. Darauf nahm der Bankräuber Geiseln und verlangte ein Fluchtfahrzeug. Als er mit einer Geisel in das Fluchtfahrzeug steigen will, erschießt ein Polizeibeamter den Geiselnehmer gezielt. Juristen melden keinerlei Zweifel daran an, dass dieses Vorgehen gerechtfertigt war. Anschließend ereigneten sich häufiger Fälle des finalen Rettungsschusses, allein in diesem Jahr zwei umstrittene Fälle in Berlin, in denen psychisch verwirrte Personen, Polizisten mit einem Messer angegriffen haben.
Todesermittlungsverfahren zwingend
In solchen Fällen gezielter Tötung wird routinemäßig ein Todesermittlungverfahren eingeleitet. In diesem Verfahren wird geprüft, ob der abgegebene Schuss das einzige Mittel zur Abwendung einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit war. Nur dann ist der gezielte Todesschuss erlaubt.
Gezielter Todesschuss ist in der EU zulässig
Der EGMR hat die Möglichkeit des finalen Todesschusses juristisch abgesegnet. Hiernach ist ein gezielter Todesschuss zulässig, wenn der Schütze berechtigterweise annehmen darf, dass er einem Terroristen oder einem bewaffneten Kriminellen gegenübersteht (EGMR, Urteil v. 20.12.2004, Rechtssache 50385/99).
Polizeilicher Schusswaffengebrauch in der EU und in den USA
In den meisten Ländern der EU ist der gezielte Todesschuss nicht ausdrücklich geregelt, wird aber in ähnlicher Weise wie in Deutschland nach Nothilfe- und Notwehrgesichtspunkten als gerechtfertigt angesehen. Ähnliches gilt für die USA.
Ob die zwölf Schüsse des amerikanischen Polizisten Darren Wilson auf den Afroamerikaner Michael Brown oder die Tötung des zwölfjährigen, mit einer Spielzeugpistole bewaffneten Afroamerikaners Tamir Rice in Cleveland (ebenfalls durch einen weißen amerikanischen Polizeibeamten) in Deutschland nach den Grundsätzen des finalen Rettungsschuss gerechtfertigt wären, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Doch auch hier in Deutschland kommt es nach polizeilichem Schusswaffengebrauch sehr selten zu Verurteilungen.