Komplizierte Fristberechnung darf der Anwalt nicht seinem Personal überlassen
In dem Fall hatte ein Anwalt mit Kanzleisitz in München eine Berufungsbegründung einen Tag nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, die am 6.1.2016 endete, beim OLG Koblenz eingereicht.
In Bayern ist der 6.1. ein Feiertag - in Rheinland-Pfalz nicht
Die in Koblenz, anders als in München, verfristete Berufungsbegründung, wurde vom Gericht nicht akzeptiert.
Deshalb beantragte der Rechtsanwalt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Begründung:
- Das Ende der Berufungsbegründungsfrist sei durch die hiermit betraute Rechtsanwaltsfachangestellte statt richtigerweise auf den 6.1.2016 versehentlich auf den 7.1.2016 notiert worden.
- Der 6.1.2016 sei in Bayern seit jeher ein gesetzlicher Feiertag.
- Die Angestellte habe beim Notieren der Frist übersehen, dass es sich nicht auch in Koblenz um einen gesetzlichen Feiertag handele.
Urteil ohne Rechtsbehelfsbelehrung
Dieser Irrtum sei dadurch unterstützt worden, dass dem angefochtenen Urteil keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt gewesen sei. Wäre das OLG Koblenz darin als Rechtsmittelgericht benannt worden, wäre die Mitarbeiterin möglicherweise angehalten worden, die spezifischen landesrechtlichen Besonderheiten der bundesuneinheitlichen Feiertage zu beachten.
Belehrung war hier nicht nötig
Darauf ließ sich das Oberlandesgericht Koblenz nicht ein.
- Eine Rechtsmittelbelehrung sei in einem Anwaltsprozess wie diesem nicht nötig.
- Die Partei bedürfe nämlich wegen vorhandener Kenntnis ihres Rechtsanwalts von allen mit dem Rechtsbehelf verbundenen Fristen keiner Unterstützung durch eine Rechtsmittelbelehrung.
- Im Übrigen sei die Säumnis der Rechtsmittelbegründungsfrist vom Anwalt verschuldet.
Er kann sich laut Richterspruch nicht darauf berufen, dass eine sorgfältig ausgesuchte und geschulte sowie ordnungsgemäß überwachte Rechtsanwaltsassistentin einem Rechtsirrtum erlegen sei, weil die Berechnung der Frist ihr nicht hätte übertragen werden dürfen, jedenfalls aber das Ergebnis ihrer Berechnung von ihm noch vor Fristablauf hätte kontrolliert werden müssen.
Keine einfache Fristberechnung am Dreikönigstag
Grundsätzlich, so das Gericht weiter, sei es zulässig, dass ein Rechtsanwalt seinem Büropersonal die selbstständige Berechnung einfacher und in seiner Praxis üblicher Fristen überträgt, wenn er zuvor durch organisatorische Anweisungen und Schulungen sichergestellt hat, dass die ordnungsgemäße Berechnung, Notierung und Überwachung der Fristen durch ein fest und verbindlich geregeltes Bürosystem gewährleistet ist.
Aber auch dann treffe den Anwalt neben stichprobenartiger Kontrolle der Büromitarbeiter die Pflicht, bei ihm vorgelegten Vorgängen die aus der Akte zu ersehenden Fristen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.
Fristablauf mit nicht bundeseinheitlichem Feiertag keine einfache Frist
Der Fristablauf sei bei nicht bundeseinheitlich geregelten Feiertagen indes schon keine einfache und übliche Frist, deren Berechnung Angestellten übertragen werden dürfte.
Diese Frist zur Einlegung und Begründung von Rechtsmitteln sei vielmehr vom Rechtsanwalt selbst zu berechnen.
Selbst wenn die in Rede stehende Angestellte bisher stets zuverlässig die Eintragung von Notfristen vorgenommen habe, könne daraus nicht der Schluss gezogen werden, sie sei auch geeignet und zuverlässig, schwierige und unübliche Fristen zu berechnen. Hinzu komme, dass selbst die Berechnung einfacher und üblicher Fristen Kanzleiangestellten nur dann zur selbstständigen Bearbeitung übertragen werden dürfe, wenn und soweit diese in dem in Rede stehenden Bereich ausreichend geschult worden seien.
- Der Anwalt habe indes nicht vorgetragen, dass seine Büroassistentin auch in der Handhabung der besonderen Problematik nicht bundeseinheitlicher gesetzlicher Feiertage geschult worden sei,
- ihr für diesen Fall Anweisungen zur Fristberechnung vorgelegen hätten
- oder sie für diese Konstellation der Fristberechnung auch nur besonders sensibilisiert worden sei.
(OLG Koblenz, Beschluss v. 27.6.2016, 10 U 1263/15).
Hintergrund:
Eine Kanzlei ist so zu organisieren, dass Fristversäumnisse praktisch ausgeschlossen sind. Dazu gehört die Führung eines Fristenkalenders und eines Postausgangsbuchs. Mit der Fristnotierung und -überwachung muss eine Fachkraft betraut werden. Vor der Überlassung der Fristenkontrolle muss der Anwalt mit der ausgewählten Fachkraft die konkrete Vorgehensweise erörtern und dies auch schriftlich festlegen sowie die Mitarbeiterin auf Kenntnis der relevantesten Fristen und Fristberechnung prüfen.
Vertrauen ist nicht gut
Regelmäßig muss der Anwalt stichprobenartig kontrollieren, ob die Fristen richtig und nach dem kanzleispezifisch vorgeschriebenen Prozedere notiert wurden.
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