Ein Arzt muss kritische Meinungsäußerungen hinnehmen

Ein Arzt hat nach einer Entscheidung des AG München grundsätzlich keinen Anspruch auf Löschung einer kritischen Meinungsäußerung in einem Bewertungsportal im Netz, es sei denn, es handelt sich um eine unsachliche Schmähkritik.

Im entschiedenen Fall war die beanstandete Äußerung im Bewertungsportal bereits gelöscht, als das Gericht entschied. Der Arzt hatte gegen den Betreiber des Bewertungsportals geklagt. Noch vor der mündlichen Verhandlung war der beanstandete Eintrag aus dem Bewertungsportal entfernt worden. Das Bewertungsportal hat dem Arzt die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten erstattet. Das Portal weigerte sich aber, dem Arzt auch noch die Kosten des Gerichtsverfahrens einschließlich der dort entstandenen Anwaltskosten zu erstatten.

Aus der Arztpraxis herausgerannt

Anlass der Verärgerung des Arztes war folgender Portaleintrag: „Der eigentlich freundliche Arzt hat mir leider mehrere Gründe gegeben, nach der Behandlung ohne einen neuen Termin herauszurennen“. Unter diesem Satz wurden fünf Gründe aufgeführt, die zum „Herausrennen“ geführt haben sollen.

Der Arzt beanstandet den Eintrag

Der Arzt wies die Angaben des Patienten schriftlich gegenüber dem Bewertungsportal zurück und begründete seine Einwendungen ausführlich. Hierauf reagierte das Bewertungsportal in der Form, dass die Gründe von der Seite entfernt wurden, der zitierte Obersatz jedoch blieb stehen. Diesen entfernte das Bewertungsportal erst kurz nach Klageerhebung.

„Die Klage hätten Sie verloren“

Im folgenden Prozess ging es dann ausschließlich noch um die Frage der Kostenerstattung. Wegen dieser Frage hätte der Arzt den Prozess besser nicht fortgeführt. Die Amtsrichterin bescheinigte dem streitbaren Arzt nämlich, dass er die Klage verloren hätte. Nach Auffassung der Richterin beinhaltet die Formulierung  „Herausrennen aus der Praxis“ nur vordergründig eine Tatsachenbehauptung, tatsächlich handelte es sich nach Auffassung des Gerichts hierbei um eine Meinungsäußerung. Mit dieser Formulierung habe der Urheber zum Ausdruck bringen wollen, dass er mit der ärztlichen Dienstleistung unzufrieden gewesen sei.

Bewertungsportale sind Meinungsportale

Eine solche Art der Meinungsäußerung muss ein Arzt nach Auffassung des AG grundsätzlich in einem Internetportal hinnehmen. Es sei das Wesen solcher Portale, dass die Betroffenen dort ihrer Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit bestimmten Leistungen Ausdruck verliehen. Diese Art der Meinungsäußerung sei durch das nach Art. 5 Abs. 1 GG garantierte Recht auf Kommunikationsfreiheit geschützt und deshalb grundsätzlich zulässig.

Abwägung der wechselseitigen Grundrechte erforderlich

Das Gericht betonte allerdings auch das Recht des Arztes auf informationelle Selbstbestimmung. In einem solchen Fall seien die widerstreitenden Grundrechte gegeneinander abzuwägen. Nach Auffassung der Amtsrichterin war der Arzt in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung allerdings nur in marginaler Weise eingeschränkt. Der Arzt sei durch den Eintrag nämlich lediglich in seiner beruflichen Sozialsphäre berührt gewesen. Die ärztliche Tätigkeit sei aber ihrem Grunde nach auf Beobachtung durch die Patienten und die übrige Öffentlichkeit und damit auch auf die Möglichkeit der Kritik an den erbrachten Dienstleistungen angelegt.

Unsachliche Schmähkritik ist unzulässig

Äußerungen innerhalb dieser Sozialsphäre seien daher nur dann unzulässig, wenn sie schwerwiegende Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen hätten, beispielsweise durch

  • Stigmatisierung,
  • soziale Ausgrenzung,
  • oder durch einen prangerähnlichen Charakter.

Dies sei insbesondere dann anzunehmen, wenn der Betroffene einer von unsachlichen Argumenten getragenen Schmähkritik ausgesetzt sein, die lediglich den Zweck habe, ihn in seinem Ansehen zu beschädigen und in der Achtung der Bevölkerung herabzusetzen.

Recht auf freie Meinungsäußerung ist stärker

Einen solchen Fall sah das AG hier jedoch nicht gegeben und ordnete dem Recht auf freie Äußerung der Meinung einen höhergradigen Stellenwert zu als dem Recht des Arztes auf informationelle Selbstbestimmung. Damit war nach Auffassung des Gerichts die Bewertung des Arztes auf der Bewertungsplattform nicht zu beanstanden. Da er folglich den Hauptprozess verloren hätte, musste der Arzt die durch das Gerichtsverfahren entstandenen Kosten selbst tragen.

(AG München, Beschluss v. 11.8.2015,  161 C 7001/15).

Hinweis: Beim BGH ist zur Zeit ein verwandtes Verfahren anhängig. Ein Zahnarzt klagt gegen die Bewertungsplattform „Jameda“. Ein Patient hatte dem Zahnarzt für eine Behandlung die Schulnote 4,8 mit äußerst kritischen Zusatzbemerkungen verpasst. Nach der Beschwerde des Zahnarztes entfernte Jameda die Bewertung zunächst aus dem Portal, stellte sie nach Überprüfung der von dem Arzt vorgebrachten Beanstandungen aber wieder ein.

Unter Hinweis auf den Anonymitätsschutz nach § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG verweigert der Hostprovider dem Arzt nähere Angaben zu dem Überprüfungsinhalt. Die Vorinstanzen haben unterschiedlich entschieden. Vor dem BGH fand am 15. Dezember die mündliche Verhandlung statt, Termin zur Verkündung einer Entscheidung wurde auf den 1.3.2016 bestimmt (BGH, VI ZR 34/15).


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