Fluggastrechte: BGH stärkt Rechte der Flugkunden bei Verspätung

Im Falle von „Wet-Lease“ haftet nicht das Luftfahrtunternehmen für die Verspätung eines Fluges, dessen Flugzeug und Personal den Flug abgewickelt haben, sondern dasjenige Unternehmen, bei dem der Fluggast den Flug gebucht hat.  

Diese begrüßenswerte Klarstellung hat der BGH nun vorgenommen, nachdem die Vorinstanzen anders entschieden hatten. Für den Fluggast bedeutet die Entscheidung eine wesentliche Erleichterung bei der Geltendmachung von Haftungsansprüchen wegen verspäteter Flüge.

Gebucht bei Air Maroc - geflogen mit Swiftair

In 2 Fällen hatten die Kläger bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen Air Maroc jeweils einen Flug von Düsseldorf nach Marokko gebucht. Im Rahmen einer sogenannten „Wet-Lease-Vereinbarung“ hatte Air Maroc von dem spanischen Luftfahrtunternehmen Swiftair sowohl den Flieger als auch dessen Besatzung angemietet. Swiftair führte darauf den Flug durch.

Bei großen Verspätungen besteht Anspruch auf Ausgleichszahlung

Das Flugzeug erreichte Marokko mit einer Verspätung von mehr als 7 Stunden. Wegen dieser Verspätung forderten die Kläger von Air Maroc eine Ausgleichszahlung nach der „Verordnung des europäischen Parlamentes und des Rates über die gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen“ (FluggastrechteVO). Diese sieht gemäß Art. 5 Abs. 1 c unter anderem Ausgleichsleistungen vor. Diese belaufen sich gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 1 b FluggastrechteVO auf 400 Euro bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von 1.500 Kilometer sowie bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1.500 und 3.500 km.

Streitfrage: Welches Unternehmen ist zahlungspflichtig?

Der Streitpunkt in den zu entscheidenden Fällen war die Auslegung des Begriffs „ausführendes Luftfahrtunternehmen“. Allein dieses ist nach der FluggastrechteVO zur Erbringung der Ausgleichsleistung verpflichtet. Insoweit sieht Art. 11 VO (EG) 2111/2005 ergänzend vor, dass der Vertragspartner Fluggäste schon bei der Buchung über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens zu unterrichten hat.

Vorinstanzen hatten die Klagen abgewiesen

Auf Grundlage dieser Bestimmungen hatten die Vorinstanzen die Klagen abgewiesen. Begründung: Ausführendes Luftfahrtunternehmen und damit richtiger Klagegegner sei im vorliegenden Fall die spanische Luftfahrtgesellschaft gewesen, die den Flug tatsächlich durchgeführt hatte. Das Luftfahrtunternehmen, bei dem die Kläger den Flug gebucht hatten, sei demgegenüber nicht als ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne der EU-Verordnung zu qualifizieren.

BGH sorgt für Transparenz

Dies sah der BGH genau umgekehrt. Der BGH stützte seine gegenteilige Auffassung vornehmlich auf den Erwägungsgrund 7 zur FluggastrechteVO. Dieser Erwägungsgrund lasse erkennen, dass im Interesse einer wirksamen Anwendung der Verordnung die Verpflichtungen gegenüber dem Fluggast das Luftfahrtunternehmen treffen sollten, das gegenüber den Fluggästen als Vertragspartner auftritt, unabhängig von der Frage, ob das Luftfahrtunternehmen seiner vertraglichen Verpflichtung mit einem eigenen Flugzeug oder mit einem gemieteten Luftfahrzeug und gemieteter Besatzung nachkommt. Der Fluggast ist nach dem Diktum des BGH unbedingt davor zu schützen, dass er aufgrund interner Vereinbarungen zwischen Luftfahrtgesellschaften möglicherweise gar nicht erkennen kann, welches Unternehmen den Flug tatsächlich durchführt.

Andere EU-Verordnungen sind nicht maßgeblich

Ergänzend wies der Senat darauf hin, dass bei gegenteiliger Ansicht auch das Risiko bestehe, dass das vermietende Luftfahrtunternehmen am Abflughafen möglicherweise nicht durchgehend  präsent sei und der Fluggast dann Schwierigkeiten habe, Ansprüche überhaupt beim richtigen Unternehmen anzumelden. Dieser Ansicht steht nach Auffassung des BGH auch nicht die VO EG 2111/2005, dort Erwägungsgrund 13, entgegen, wonach im Fall einer „Wet-Lease-Vereinbarung“ das anmietende Luftfahrtunternehmen nicht als durchführendes Unternehmen anzusehen sei. Diese Verordnung habe eine ganz andere Zielrichtung als die FluggastrechteVO. Erstere dient nach Auffassung des Senats der Information der Fluggäste über mögliche Sicherheitsrisiken  und sei daher nicht maßgeblich für Ausgleichszahlungen im Fall einer Flugverspätung.

BGH schafft Klarheit für Fluggäste

Im Ergebnis erleichtert die BGH-Entscheidung die Geltendmachung von Ausgleichszahlungen durch Fluggäste im Fall von Flugverspätung, weil sie in wünschenswerter Weise Klarheit über den in Anspruch zu nehmenden und gegebenenfalls zu verklagenden Anspruchsgegner schafft. Aus Sicht der Flugpassagiere ist die Entscheidung daher zu begrüßen.

 

Hinweis: Die Entscheidung könnte auch für Fluggäste von Fluggesellschaften interessant werden, die – wie die Lufthansatochter Eurowings -  häufig Flugzeuge und Besatzungen der insolventen Fluglinie Air Berlin anmieten, bei der es in den letzten Tagen durch massenhafte Krankmeldungen zu erheblichen Flugausfällen gekommen ist.

(BGH, Urteil vom 12.9.2017,  X 102/16 und X ZR 106/16)


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