Bissverletzung bei Hundegerangel: Mitverschulden durch Tiergefahr
Begründet allein die Tatsache, dass ein Hund ein Hund ist, eine Mithaftung des Halters? Der BGH hatte sich im vorliegenden Fall detailliert mit den Fragen der Gefahrenverursachung durch Vierbeiner und den entsprechenden Verantwortlichkeiten der Zweibeiner auseinanderzusetzen.
Gassi gehen und bissige Folgen
Ein Hundebesitzer ging spätabends mit seinem Labrador-Mischling angeleint spazieren. Sie kamen dabei an dem Grundstück der Beklagten vorbei, auf dem ihr Golden Retriever frei herumlief. Nachdem dieser sich durch die ca. einen Meter hohe Hecke gezwängt hatte, die das Grundstück vom Gehweg trennte, kam es zwischen beiden Hunden zu einer Rangelei, bei dem der Labradorhalter vom Golden Retriever gebissen wurde. Neben einer blutenden Wunde hatte der Verletzte auch verschmutzte Kleidung sowie eine zerbrochene Brille zu beklagen. Er verlangte daraufhin gerichtlich von der Retriever-Halterin Schadensersatz und Schmerzensgeld.
OLG verneint Mitverschulden des Klägers
Das Landgericht Erfurt sprach dem Kläger zunächst Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 EUR sowie Schadensersatz in Höhe von 1.560 EUR zu. Hiergegen legte die Beklagte Berufung beim Thüringer Oberlandesgericht ein, das zwar den Schmerzensgeldanspruch reduzierte, die Beklagte aber dennoch zur Zahlung von insgesamt 2.660 EUR verurteilte. Auch das OLG stützte seine Entscheidung auf § 833 Satz 1 BGB, demzufolge die Beklagte als Halterin des schädigenden Hundes für die Schäden aufkommen muss. Eine Mitverschulden des Klägers i.S.d. § 254 BGB verneinten die Oberlandesrichter, da der Labrador-Mischling angeleint war und auch sonst dem Kläger kein mitursächliches Verhalten vorzuwerfen sei. Auch müsse sich der Kläger die Tiergefahr seines eigenen Hundes nicht als Mitverschulden analog § 254 Abs. 1 BGB anrechnen lassen.
BGH: Gefahr des Kläger-Hundes war mitursächlich für den Schaden
Dies sah der BGH anders. Die Beklagte hafte zwar als Tierhalterin gem. § 833 Satz 1 BGB für den entstandenen Schaden. Der Kläger müsse sich aber sehr wohl auch die von seinem Hund ausgehende Tiergefahr analog § 254 Abs. 1 BGB anrechnen lassen, denn diese sei nach Auffassung der Bundesrichter mitursächlich für die Entstehung des Schadens. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob vorliegend schon allein die von dem Labrador-Mischling ausgehenden und auf den Golden Retriever einwirkenden Reize eine solche für den Schaden mitursächliche Tiergefahr darstellte. Die Richter sahen vielmehr in dem festgestellten Gerangel eine Interaktion zwischen beiden Hunden, die ihrer tierischen Natur entsprach und in dessen Verlauf es zu der Verletzung des Klägers kam. Die Tiergefahr auch des Labrador-Mischlings war daher anspruchsmindernd zu berücksichtigen.
Fehlende Prüfung einer Verschuldenshaftung
Der BGH bemängelte darüber hinaus, dass es die Vorinstanz versäumte, neben der Tierhalterhaftung gem. § 833 Satz 1 auch eine verschuldensabhängige Haftung der Beklagten nach § 823 BGB zu prüfen. Denn eine schadensmildernde Mithaftung des verletzten Klägers aufgrund der Tiergefahr seines eigenen Hundes müsse dann zurücktreten, wenn die Beklagte vorsätzlich oder fahrlässig den Schaden verursacht hat. Nach Auffassung der Bundesrichter habe die Beklagte möglicherweise ihre Verkehrssicherungspflicht fahrlässig verletzt, da ihr Hund sich durch die Hecke zwängen und so den Kläger letztendlich erst verletzen konnte. Der BGH wies die Sache zur erneuten Verhandlung an das OLG zurück- mit dem Hinweis, die notwendigen Feststellungen zu treffen.
(BGH, Urteil v. 31.5.2016, VI ZR 465/15)
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