Sturz auf glitschiger Treppe ins Watt – haftet die Gemeinde?

Wer an Badestellen im Meer badet, muss mit einem rutschigen Untergrund rechnen und entsprechend vorsichtig sein. Das gilt insbesondere für Treppenstufen, die ins Meer führen. Es gelten nicht dieselben hohen Verkehrssicherungspflichten wie in Hallenbädern oder Sportstätten.

Eine Frau stieg an einer Badestelle am Wattenmeer an der Nordsee eine Treppe mit Betonstufen nach unten. Auf der ersten Stufe, die von Meerwasser bedeckt war, stürzte sie und brach sich den Oberschenkel. Sie verklagte die zuständige Gemeinde auf Schadensersatz. Sie sei nur wegen der Ablagerungen auf der unter Wasser stehenden Stufe gestürzt. Die Gemeinde hätte auf die Gefahren explizit hinweisen müssen, so die Klägerin

Gericht sieht keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde

Das Landgericht hatte der Klage nicht stattgegeben. Sie sah keine Haftung der Gemeinde wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten nach § 823 Abs. 1 BGB. Dieser Auffassung schloss sich das OLG Schleswig an.

Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht führte das OLG aus:

  • Verkehrssicherungspflichtige müssen nicht allen denkbaren Gefahren vorbeugen.
  • Es kann nur Schutz vor Gefahren verlangt werden, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen
  • und nicht ohne Weiteres erkennbar sind.

Rutschige Stufen im Meer – damit müssen Badende rechnen

Dass an Badestellen im Wattenmeer Treppen mit Betonstufen errichtet werden, sei üblich. Wegen ihrer Lage in der Gezeitenzone könnten diese Stufen üblicherweise durch Ablagerungen von Schwebstoffen schon innerhalb einer einzigen Tide rutschig werden. Auch das sei bekannt. Das sei auch der Grund, warum derartige Treppen im Regelfall während der Badesaison – wie auch im vorliegenden Fall – mit Handläufen versehen seien.

Hinsichtlich des verwendeten Baumaterials der Treppe war das Landgericht zu der Einschätzung gekommen, dass es für derartige Treppen keine öffentlich-rechtlichen Normen oder Regelwerke gibt, die bestimmte rutschhemmende Werte vorschreiben. Die Prüfung durch den Sachverständigen hatte ergeben, dass die Rutschfestigkeit des Bodenbelags auch zum Begehen unter Wasser ausreiche.

Vorschriften für Bäder, Krankenhäuser oder Sportstätten sind strenger

Die einschlägigen Unfallverhütungsregeln fänden lediglich Anwendung auf Arbeitsräume, Arbeitsbereiche und betriebliche Verkehrswege. Bei einer Treppe griffen auch nicht die Vorschriften, für Nass- und Barfußbereiche in Bädern, Krankenhäusern oder für Umkleide-, Wach- und Duschwannen von Sportstätten. Es liege auf der Hand, dass derartige Regelungen nicht für außendeichs gelegene Treppenanlagen im Watt gelten, die dem dauerhaften Einfluss der Gezeiten, starkem Wellenschlag, Eisgang, Frost und Schlickablagerungen ausgesetzt sind.

Keine Fahrlässigkeit – Gemeinde darf sich auf Fachplanerin verlassen

Das Gericht wies zudem darauf hin, dass selbst dann, wenn für die Betonstufen ungeeignetes Material verwendet worden wäre, für die deliktische Haftung der Beklagten eine weitere Voraussetzung fehle: Die Gemeinde habe nicht fahrlässig gehandelt. Denn sie habe die Planung der Anlage einer Fachplanerin übertragen und konnte sich deshalb darauf verlassen, dass die technischen Regeln und Anforderungen an eine derartige Treppe beachtet wurden.

(OLG Schleswig, Beschluss v. 2.6.2021, Az. 11 U 31/21).

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